Betriebsräte mit viel Geld gewogen machen, ist strafbar: Es ist Untreue der Top-Manager gegenüber der Firma, sagt der Bundesgerichtshof

Da braucht es die höchste Instanz, um gerade zu rücken, dass ein Ehrenamt wie ein Betriebsratsposten kein Managementposten ist – und folglich auch nicht so bezahlt gehört. Auch wenn offenbar viele große Unternehmen sich diese Sichtweise zurecht gelegt hatten und ihren Betriebsräten sofort mit ihrer Wahl deren Gehalt vervierfachten oder ähnliches. Auch Boni-Zahlungen an Betriebsräte haben an sich schon einen Beigeschmack, – jedenfalls für vollbrachte Restrukturierungen, sprich Entlassung ihrer eigenen Kollegen und Wähler, deren Interessenvertreter sie sein sollten.

 

Strafprozess in Braunschweig wegen Betriebsräteüberbezahlung (Foto: Privat)

 

Heute hat denn auch der Bundesgerichtshof (BGH) die Freisprüche von zwei früheren Vorständen für den Bereich Personal und zwei frühere Personalleiter der Volkswagen AG aufgehoben und den Prozess zurück verwiesen an das Landgericht Braunschweig, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer. Diese verhandelt und entscheidet dann erneut. Die Revision der Staatsanwaltschaft war also erfolgreich (Urteil vom 10. Januar 2023, Aktenzeichen 6 StR 133/22).

 

Strafbare Untreue durch überhöhte Löhne und Boni

Worum es ging: Volkswagen war ein Schaden von 4,5 Millionen Euro entstanden, zwischen 2011 und 2016 überhöhte Zahlungen an freigestellte Betriebsräte geflossen waren in Form von Monatslohn und freiwilligen Boni (zwischen 80.000 und 560.000 Euro je Betriebsratsmitglied). Das war – strafbare – Untreue gegenüber dem Unternehmen laut BGH.

 

Gefälligkeitsgutachten helfen nicht gegen Strafbarkeit wegen Untreue

Das Landgericht Braunschweig ging davon aus, dass den vier Top-Managern „aber der erforderliche Vorsatz fehlte, weil sie sich auf die Einschätzungen interner und externer Berater verlassen beziehungsweise ein bestehendes Vergütungssystem irrtümlich“ als rechtens angesehen hätten.

„Das bedeutet, dass Gefälligkeitsgutachten von Anwälten Top-Manager nicht vor Strafe schützen“, sagt Bernd Weller, Arbeitsrechtler bei Heuking. „Genauso wie Manager Schmiergeldforderungen zurückweisen müssen, dürfen sie umgekehrt nicht Forderungen von Betriebsräten nach zu hoher Vergütung nachkommen.“

 

Ohne Kriterien und Maßstäbe 

Der Vorwurf der BGH-Richter ist jetzt zudem: „So ist dem Urteil insbesondere nicht zu entnehmen, nach welchem System die Vergütung von Angestellten der Volkswagen AG generell geregelt war, welche Kriterien für die Einordnung in „Kostenstellen“ und „Entgeltgruppen“ galten, nach welchen Regeln ein Aufstieg in höhere „Entgeltgruppen“ sowie in die verschiedenen „Managementkreise“ vorgesehen war und welche Maßstäbe den Entscheidungen über die Gewährung von Bonuszahlungen sowie über deren Höhe zugrunde lagen.“

 

Die viel höheren Boni übersehen

Damit nicht genug: Die Braunschweiger Richter hatten – so der Vorwurf des BGH – nur  die Monatsgehälter berücksichtigt – aber nicht die Boni, die teilweise erheblich höher waren (Urteil vom 28.9.2021, 16 KLs 406 Js 59398/16 (85/19).

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Lesehinweise zu den VW-Betriebsratsgehältern im Management-Blog:

Betriebsräte-Gehälter als Zeitbombe für Top-Manager: Sie dürfen nicht mehr Gehalt bekommen als vor ihrer Wahl – alles andere ist Untreue der Top-Manager. Für die dürfte der Boden heiß werden. | Management-Blog (wiwo.de)

Wenn Betriebsräte überhöhte Gehälter bekommen: Ein gewähltes Ehrenamt ist grade keine Topmanager-Karriere | Management-Blog (wiwo.de)

 

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Hier ein Kommentar vom WiWo-Daily-Punch vom August 2021:

Eine Sympathiewahl ist eben keine Topmanager-Karriere (wiwo.de)

Betriebsrat ist einfach keine Topmanager-Karriere …

… sondern ein Ehrenamt. Man tut es für die Ehre. Und solange keine Headhunter hoch bezahlte Betriebsräte für andere Unternehmen abwerben, weil diese Leute ja nun ach so viel dazu gelernt haben, haben die auch keinen höheren Marktwert. Auch nicht fiktiv. Einen Vorteil haben Betriebsräte ja ohnehin, sagen Arbeitsrechtsanwälte: Sie müssen nicht arbeiten.

Wer Betriebsräte kauft, indem er ihr Gehalt verdoppelt, macht sich strafbar. Nur durch dieses Ehrenamt haben Arbeitnehmer keinen höheren Marktwert. Ein Kommentar.

Betriebsräte dürfen nach ihrer Wahl in ihr neues Ehrenamt nicht mehr Gehalt verdienen als vorher. Mit dieser Klarstellung hat das Landgericht Braunschweig den Topmanagern der Großunternehmen einen ordentlichen Schreck eingejagt. Zwar sprachen sie in dem Urteil, das im vergangenen Herbst verkündet und nun in seiner Begründung veröffentlicht wurde, vier VW-Topmanager – die meisten bereits nicht mehr im Unternehmen – zwar frei, zeigten in der Sache aber dennoch Härte: Das zu hohe Gehalt für Arbeitnehmervertreter ist demnach strafbare Untreue gegenüber dem Unternehmen und eine Steuerhinterziehung obendrein.

Selbst wenn den Topmanagern, die in Braunschweig vor Gericht standen, noch unklar gewesen sein sollte, dass sie einen Betriebsrat nicht kaufen dürfen – spätestens jetzt sollten es alle anderen Entscheider kapieren. Sie können sich nicht mehr blauäugig geben. Nicht mehr länger fiktive Karrieren mit fiktiven Beförderungen konstruieren, weil die Betriebsräte ja angeblich so viel dazulernen und auf Augenhöhe mit Vorständen seien. Der ehemalige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh kam so auf 750.000 Euro statt den 50.000 Euro, die er bekam, bevor er das Glück hatte, Betriebsratschef zu werden.

Aber: Nur weil man am selben Verhandlungstisch sitzt, hat man eben noch lange nicht dieselben Verdienste erworben. Vorstände sitzen da, weil sie sich mit vielen Entbehrungen und harten Ausbildungen viele Jahre hochgearbeitet haben. Betriebsräte sitzen da, weil sie bei einer reinen Sympathiewahl durch die Arbeitnehmer dahin gewählt wurden. Sie haben sich entschieden ein Ehrenamt – das nämlich ist der Betriebsratsposten – anzutreten. Und was verbindet man mit einem Ehrenamt? Richtig, keine Gehaltsvervielfachung, wie sie durchaus vorkam.

Solange keine Headhunter durchs Land ziehen und hoch bezahlte Betriebsräte für ihr eigenes Unternehmen abwerben, weil diese ja nun ach so viel dazu gelernt haben, darf die Nummer mit den realen Euros für fiktive Karrieren nicht ziehen. Tatsächlich ist der Marktwert von Betriebsräten, wenn ihre Amtszeit vorbei ist und sie sich woanders bewerben würden, nicht höher als zuvor. Kein anderes Unternehmen würde Osterloh 750.000 Euro zahlen. Warum auch? Solange es keinen Markt für Ex-Betriebsräte mit diesen bisher oft sechsstelligen Gehältern gibt, sind sie es eben auch nicht wert.

Gewiss, zu dieser Nummer gehören immer zwei: Derjenige, der kauft. Und derjenige, der sich kaufen lässt. Betriebsräte haben das Spiel gerne mitgemacht – und das Geld genommen, meist heimlich. Schon nach der Urteilsverkündung im vergangenen Herbst hatte zum Beispiel Vattenfall reagiert und das Gehalt des Betriebsratschefs von 160.000 auf 80.000 Euro halbiert. Der hat seinerseits geklagt: Er will wieder das Doppelte verdienen.

Nicht nur Manager sollten sich also die Urteilsbegründung aus Braunschweig deshalb genau durchlesen. Auch Betriebsräte sollten es tun. Immerhin sind diese klammheimlichen und horrenden Gehaltserhöhungen auch gegenüber den Kollegen, die sie wählten, unfair.

(Kommentar zuerst erschienen am 9. August 2022 auf wiwo.de)

 

Lesetipp Bernd Weller hier im Management-Blog: Ein Teller Burrata mit Arbeitsrechtler Bernd Weller: Über Betriebsräte, die untereinander eine Hackordnung haben und wie sie es schaffen, bezahlte Überstunden zu produzieren | Management-Blog (wiwo.de)

 

 

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Sie werden sich etwas anderes einfallen lassen, um Betriebsräte willfährig zu machen. Ganz sicher.