Ein Teller Burrata mit Arbeitsrechtler Bernd Weller: Über Betriebsräte, die untereinander eine Hackordnung haben und wie sie es schaffen, bezahlte Überstunden zu produzieren

Ein Teller Tomaten mit Burrata mit Arbeitsrechtler Bernd Weller von Heuking Kühn Lüer Wojtek in Frankfurt.

 

Bernd Weller (Foto: C.Tödtmann)

 

Betriebsrat ist nicht gleich Betriebsrat, erzählt Arbeitsrechtler Bernd Weller. Sie sind keineswegs alle gleich. Manche sind gleicher. Auch Betriebsräte haben eine Hierarchie untereinander, erzählte der Anwalt von der Kanzlei Heuking Kühn aus Frankfurt. Also haben Arbeitnehmervertreter untereinander eine Hackordnung? Da gibt´s den Betriebsrats-Chef, seinen Stellvertreter, Betriebsratsausschüsse, komplett Freigestellte – und die anderen. Und viele Betriebsratsvorsitzende führen sich in ihrem Gremium, der gewählten Arbeitnehmervertretung, gegenüber den anderen Betriebsräten auf wie Vorgesetzte, versichert Weller. Auch ohne, dass sie das formale Recht haben, Arbeitsanweisungen zu geben. Und offenbar finden sie auch Kollegen, die das mitmachen.

 

Wenn sich Fraktionen im Betriebsrat gegenseitig austricksen

Der Arbeitsrechtler berichtet von einem Unternehmen, in dessen Betriebsrat es zwei Fraktionen gab – die Mehrheitsfraktion mit „La Chefin“ und die Minderheitsfraktion. Die Frau war stark gegen die Firma eingestellt und verweigerte den Betriebsratskollegen der Minderheitsfraktion jegliche Info zu Abläufen im Gremium und zu Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Abstimmungen ließ sie tunlichst durchführen, wenn aus der Minderheitsfraktion jemand auf der Toilette war. Um das Abstimmungsergebnis zu steuern. Als ein Mitglied der Minderheitsfraktion diese Manieren kritisierte, eskalierte das Ganze und endet vor dem Arbeitsgericht. Sie stritten sich was das Zeug hielt: Jede Fraktion beantragte, die Hauptakteure der anderen Fraktion auszuschließen, am Ende ging es vor Gericht und zog sich jahrelang durch alle Instanzen. Bis „La Chefin“ einen Aufhebungsvertrag akzeptierte.

 

Weller kennt sich mit solchen Eskapaden aus, verhandelt er doch als Unternehmensanwalt laufend mit Betriebsräten. Wir trafen uns zwischen den letzten Lockdowns im griechischen Restaurant Kytaro in Düsseldorf, mit Abstand und viel frischer Luft, versteht sich. Weller hatte sich Burrata mit Tomaten bestellt.

 

Tomaten mit Burrata im Kytaro (Foto: C.Tödtmann)

Goodies für Betriebsräte

Doch zurück zu den Betriebsräten. Weller erzählt von mach einem, der ungeniert eine Gehaltserhöhung, eine Beförderung, ein Handy, Ipad oder Home-Office-Ausstattung oder gar einen Dienstwagen – und zwar auch für die Privatnutzung – einforderte. Und zuweilen auch bekam. Mit der klaren Erwartung, dass der Betriebsrat künftig geschmeidiger auftritt. Die Erzählung überrascht mich nicht, auch andere Anwälte berichten von solchen Arbeitnehmervertretern, die ihren Zeitpunkt dafür besonders dreist wählten: Fünf Minuten vor Beginn einer Gerichtsverhandlung zum Beispiel, bei der es um irgendwelche Mitbestimmungsstreitigkeiten des Betriebsrats ging.

 

Manager, die sich das nicht gefallen lassen wollen, bekommen dann womöglich die Rache auf ganz anderem Spielfeld zu spüren. Wenn ein Betriebsrat beispielsweise die Einführung eines neuen IT-Systems um Monate verzögert und sich sehr viel Zeit lässt mit seiner Zustimmung, die der Arbeitgeber aber braucht. Das kann teurer werden für das Unternehmen als die geforderten Goodies. Das ist nämlich die Rechnung, die die Manager dann schon mal im Kopf durchführen – und dann lieber zahlen. Ein Mittelständler zum Beispiel, der vom Betriebsrat die Genehmigung für eine neue Produktionsstraße oder für Samstagsarbeit bekommen will, dem ist die zügige Zustimmung schon mal einen Golf als Dienstwagen wert, erlebt Weller.

 

Überstunden produzieren mit Betriebsratssitzungen am Abend

Dass sich das Ehrenamt Betriebsrat durchaus merkantilisieren lässt, haben auch diejenigen Arbeitnehmervertreter entdeckt, die ihre Sitzungen nach der Arbeitszeit ansetzen und dann dafür Überstundenzuschläge kassieren. Oder sie schreiben Stunden auf, in denen sie in den Abendstunden mit Kollegen telefonieren, statt tagsüber in der Firma mit ihnen zu sprechen. Weil die anderen im Großraumbüro sitzen und nicht unbeobachtet und ungestört mit dem Betriebsrat sprechen können.

 

Denn würde der Arbeitgeber das anzweifeln und die Überstunden streichen, hätte er schwuppdiwupp ein Verfahren wegen Behinderung des Betriebsrats am Hals, erzählt Weller. Das will das Unternehmen nun auch wieder nicht riskieren – und zahle lieber, statt wegen ein paar Euro in den Knast zu gehen, so der Frankfurter Jurist.

 

Angst vor Konsequenzen wegen strafbarer Betriebsräte-Begünstigung bekamen wohl auch die Manager bei VW. Bis vor kurzem bekamen 50 VW-Betriebsräte Dienstwagen laut „Business Insider“. Je nach Gehaltsgruppe einen Firmenwagen und Betriebsratschef Bernd Osterloh gleich zwei. Weil er Mitglied des Oberen Managementkreises (OMK) ist. Die eigene Konzernrevision bei VW war es, die wohl über diese Dienstwagen stolperte  und feststellte, dass viele dieser Betriebsräte ihren Firmenwagen mitnichten für ihre Tätigkeit benötigten, sondern nur privat damit herumfuhren. Ob derlei Goodies für Betriebsräte gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen? Und im schlimmsten Fall Manager dafür eine Geldstrafe oder gar Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr riskieren? Womöglich, dieser Fall landete jedoch nicht vor Gericht.

 

Betriebsräte in der Rolle von Co-Managern

Anders als jener: In Wolfsburg hat die Staatsanwaltschaft vier VW-Führungskräfte – zwei frühere Vorstände, ein ehemaliger und ein amtierender Personalchef – angeklagt: Wegen Untreue gegenüber dem Unternehmen, weil sie es zu verantworten hätten, dass Betriebsräte viel zu hohe Gehälter bekommen hätten. Die Schätzungen der Staatsanwälte belaufen sich laut „Giessener Anzeiger“ auf fünf Millionen Euro. Das Argument, das Manager dann meist zu ihrer Verteidigung vorbringen, geht so: Die Betriebsräte – jedenfalls in sehr großen Unternehmen – würden ja Managementarbeit leisten und müssen mehr bekommen als der Pförtner, erzählt Weller. Sie müssten doch schaffen und rackern wie Manager und müssten dafür auch viel mehr Geld als vorher bekommen.

 

Gewählt ist nicht dasselbe wie hochgearbeitet auf der Karriereleiter

Was dabei immer übersehen wird: Betriebsrat ist ein Ehrenamt – auf Zeit gewählt. Betriebsräte sind allenfalls Co-Manager auf Zeit und das vor allem nur qua Kollegen-Wahl. Und nicht, weil sie sich durch jahrelange Arbeitsleistung mühsam die Karriereleiter hochgearbeitet haben und Leistung vorweisen mussten, die ein Vorgesetzter kontrolliert hat. Sondern weil sie gewählt wurden von Kollegen, die sie sympathisch finden, ihnen blind vertrauen und ihnen ihre Stimme geben. Als Blankoscheck ohne Kontrollmöglichkeit.

 

Kontrolle der Betriebsräte? Nicht durch ihre Wähler und Kollegen

Denn kein Arbeitnehmer weiß, was Betriebsräte tatsächlich so leisten: Ihre Betriebsratssitzungen sind schließlich nicht öffentlich – auch nicht unternehmensintern – oder auf Youtube anzuschauen, sondern eine Black Box. Ganz abgesehen davon: Kann ein Betriebsrat noch die Sorgen und Nöte seiner Kollegen verstehen, wenn er so privilegiert wird und plötzlich so viel mehr verdient? Ich glaube, nein.

 

Warum also Personalchefs überhöhte Gehaltszahlungen für Betriebsräte abzeichnen, statt beim Vorstand zu thematisieren, ist Weller ein Rätsel. Schließlich machten sich Personalchefs damit zu Mittätern. Denn sie haben dann die Gehaltsüberweisung abgezeichnet.

 

Zumindest suspekt ist schließlich die Beförderung und gleichzeitiger Seitenwechsel von Ex-Betriebsratschef Bernd Osterloh auf den Vorstandsposten bei der VW-Lkw-Tochter Traton, bei dem er sein  Gehalt vervielfacht. Zwar hat er das nötige Rüstzeug für den Job, an seiner Kompetenz zweifeln wohl nicht viele. Zumal: Osterloh sollte viel an Details über die Arbeitnehmer wissen, was Personalern sonst nicht erzählt wird, wunde Punkte etwa. Und dieses Wissen kann er nun – auf dem neuen Posten – durchaus auch als Munition gegen die Arbeitnehmer verwenden.

 

Der fliegende Seitenwechsel an sich, so ohne eine Cool-Down-Phase, mit einem Zwei-Millionen-Euro-Gehalt mag für ihn persönlich verlockend sein, wirkt aber bei einem jahrelangen Betriebsratschef schräg. Ganz abgesehen davon, dass Vorstände bei VW mit 65 aufhören sollen, so geht die Regel. Osterloh ist aber 64 Jahre alt und bekommt einen Drei-Jahres-Vertrag laut „Handelsblatt“.

https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/volkswagen-betriebsratschef-bernd-osterloh-das-vw-gesetz-bin-ich/27124528.html

Copyright: @Claudia Tödtmann. Alle Rechte vorbehalten. Kontakt für Nutzungsrechte: claudia.toedtmann@wiwo.de

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*