Fragen sich eigentlich Manager und Personalchefs gar nicht, warum so viele Menschen es anscheinend verabscheuen, nach Corona in ihre Unternehmen zurückzukehren? Haben die Arbeitgeber die Ergebnisse der Gallup-Studien vergessen?
Eine Umfrage zu diesen Fragen und Antworten habe ich noch nicht gesehen. Mir fallen jedenfalls spontan diese Gründe ein, die Mitarbeiter haben könnten, warum sie lieber in den Homeoffices bleiben wollen. Selbst wenn sie keinen Mietzuschuss bekommen, ihnen vernünftiges Equipment fehlt, die Arbeitszeiten länger sind und Zoom-Konferenzen enorm anstrengen:
- Die Pendler unter den mobilen Arbeitern sparen Kosten und wertvolle Lebenszeit, die sie nicht mehr im Stau oder überfüllten Bahnen und Bussen verbringen müssen, weil sie einen längeren oder langen Anfahrtsweg zu ihrer Firma haben. Sie sind es vermutlich auch, die viel Platz für ein schönes Arbeitszimmer in einem Haus haben. Irgendwo auf dem Land. Ganz abgesehen davon, dass die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel an sich schon unangenehm ist und deren Verbindungen und Verspätungen oder Ausfälle nervtötend wie zeitraubend sind.
- Andere Mitarbeiter – oder dieselben – sind froh, den immer unangenehmeren Arbeitsbedingungen wie den Großraumbüros mit ihrem Lärm, ihrer Unruhe und ständigen Störungen zu entgehen. Zuhause brauchen die meisten keine Kopfhörer aufsetzen, um konzentriert arbeiten zu können. Können die Tür hinter sich schließen und konsequent durcharbeiten.
- Andere – oder dieselben – Mitarbeiter ertragen sonst ein unangenehmes Betriebsklima und sind froh, wenn sie in den eigenen vier Wänden missliebige Kollegen und Vorgesetzte nur auf Abstand und am Bildschirm ertragen müssen. Sie fürchten sich vor ihren Chefs, die sonst Angst und Schrecken verbreiten, sich mit Einschüchterungsmethoden durchsetzen und die via Bildschirm vermutlich weniger cholerisch rüberkommen – und sind wenigstens in sicherem Abstand.
- Sie mögen sich nicht mehr in Schale werfen mit Anzug und Krawatte. Frauen brauchen nicht mehr auf Pumps mit hohen Absätzen herumstöckeln und ungemütliche Kostüme tragen.
- Sie können die Mittagspause mit der Family verbringen. Sie sind greifbar für die Kiddies, wenn sie gebraucht werden.
Vermutlich gibt es noch mehr und noch individuellere Gründe. Aber analysieren und sich damit auseinandersetzen, das sollten die Entscheider und Personaler unbedingt.
Da Unternehmen keine Werkswohnungen oder gar eigene Siedlungen mehr haben, die unmittelbar beim Firmengelände sind, brauchen sie über den ersten Punkt nur begrenzt nachdenken. Werkswohnungen zu bauen, ist für Arbeitgeber nur das allerletzte Mittel der Verzweiflung, wenn sich partout keine Facharbeiter mehr finden lassen und Wohnraum für jene am Firmenstandort unerschwinglich ist.

(Foto: C.Tödtmann)
Was das Arbeitgeberimage gefährdet
Die folgenden drei Punkte sollten Arbeitgebern allerdings schwer zu denken geben: unangenehme Arbeitsbedingungen, unangenehmes Betriebsklima und unangenehme Vorgesetzte sind auf lange Sicht der Arbeitgebermarke nicht dienlich. Je mehr sich Arbeitgeberbewertungsportale etablieren und je mehr Unternehmen verstehen, dass miese Bewertungen für weniger Bewerber sorgen, umso mehr. Und zwar als erstes diejenigen, die die Auswahl unter mehreren Firmen haben.
Ein Arbeitgeberanwalt einer Großkanzlei schilderte mir seinen Eindruck, dass es die schweigende Mehrheit der Mitarbeiter ist, die gerne sehr wohl zurück möchte in die Büros. Die ihren alten Arbeitsalltag wieder haben wollen. Und das dürften diese Arbeitnehmer sein:
- Die dem Job zuliebe sowieso in der Nähe der Company wohnen oder in Stadtwohnungen mit wenig Quadratmetern, ohne separate Arbeitszimmer. Die am Küchentisch arbeiten müssen und ohne geeigneten Schreibtischstuhl mit Rückenschmerzen.
- Vor allem junge Leute, die Berufsanfänger sind und nach den Ausbildungsjahren das Berufsleben erst mal kennenlernen wollen. Die die Arbeitskollegen und das Betriebsklima live erleben wollen statt nur via Bildschirm, weil sie im Arbeitsleben auch Fuß fassen möchten
- Arbeitnehmer, die als Singles zuhause alleine leben und bei der Arbeit gerne unter Menschen kommen. Die bei den Lockdowns psychische Probleme bekamen und sich eher wie im Gefängnis fühlten.
- Mitarbeiter, die sich gerne mit Kollegen austauschen, die bei der Arbeit in der Teeküche den Austausch und die Tipps lieben, die im Team kreativer sind oderoderoder. Diejenigen die den Kontakt zu anderen Menschen schätzen. Der es mag, beim Betreten der Firma den Pförtner zu begrüßen und der das Wort Kollegen und Kollegialität noch ernst nimmt.
- Wer Home und Office lieber getrennt lässt, ganz generell – nach dem Motto Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.
Und schließlich:
- Wer stolz ist auf seine Company, wer sich freut über sein Namensschild an seiner Bürotür und seine Visitenkarte mit dem Firmenlogo.

(Foto: C.Tödtmann)
Ich frage mich, warum Unternehmen sich auch diese zweite Arbeitnehmergruppe lieber vom Hals halten wollen und den Schreibtisch im Großraumbüro nun auch noch auf geteilte Schreibtische reduziert. Wer all diesen guten Willen loyaler Leute der eingesparten Quadratmetermiete opfern will.
Durchsichtige Manöver
Ganz abgesehen davon: Es ist allzu durchsichtig, wenn Unternehmen jetzt nur noch von mobilem Arbeiten sprechen und die – teureren, legalen – Heimarbeitsplätze als antiquiert darstellen. Wenn Personalchefs vom Arbeiten in der Sonne und im Café fabulieren, aber weder Arbeiten im europäischen Ausland zulassen wollen (vermutlich wegen Steuerproblemen) noch sich für Sicherheitsaspekte und Cyberattacken interessieren. Oder die gesundheitlichen Folgen wie Rückenprobleme dank ungeeigneter Stühle. Dass es den Controllern und bonibesessenen Managern und Führungskräften einzige und allein um Kostensparen geht, ist schon klar.
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Sehe ich genau so.
Ich habe vor zwei Jahren mal einen Artikel gelesen in dem es darum ging, dass das Büro in Konkurrenz treten muss zum Homeoffice. Ich muss das Büro so designen, dass die Leute gerne kommen. Leider sind die Unternehmen alle zu geizig und ziehen deshalb aus der Stadt in ein Großraumbüro mit shared desk.
Das entgegen der wünsche der Mitarbeiter zu machen ist mE ziemlich respektlos.
Bei uns war es genau so. Der Vorstand will damit „modern“, „agil“ und „attraktiv“ sein.
Im Endeffekt hat die Fluktuation unterhalb des Management deshalb 33% im ersten Halbjahr betragen. Auch ich gehörte zu denen die gesagt haben:“kannst du gerne machen, aber ohne mich“. Das würde ich auch bei jedem anderen Arbeitgeber so machen, wenn er so respektlos ist.
…und wenn die Leute nicht mehr ins Büro kommen, kann man die Arbeit auch von „Anderswo“ machen lassen…! #Standortfrage #Verlagerung #Outsourcing usw. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht?
Ich kann es verstehen, wenn Arbeitgeber keine Lust mehr auf das ganze ChiChi um deutsche Mitarbeiter haben und für alles, was angeboten werden kann und wird auch noch Häme kassieren.
Wenn’s dem Esel zu wohl wird, geht er auf’s Eis tanzen…
Guter Artikel! Ich gehöre zu denjenigen die nicht zurück ins Büro wollen und verfolge die Debatte deshalb mit großem Interesse.
Zum letzten Absatz möchte ich noch etwas hinzufügen: diese Regeln haben tatsächlich versicherungstechnische Gründe. Die Arbeitnehmer-Versicherung ist auf das Büro ausgelegt, mit der Erweiterung auf „mobile Arbeit“. Home Office ist da nicht vorgesehen, genau wie beim Arbeiten im Ausland. Außerdem muss im HO ein eigener Raum zum Arbeiten zur Verfügung stehen und der AG ist verpflichtet zu kontrollieren ob dieser ergonomischen Richtlinien entspricht und die Privatsphäre sicher stellt. Es ist also selbst für AG die Willens sind ihre MitarbeiterInnen im Home Office arbeiten zu lassen leider gar nicht so einfach.
Arbeitgeber sollten den armen Stadtwohnungsleuten einfach das gesparte Geld fürs Büro zahlen, damit die sich eine größere Wohnung leisten können. Und Schreibtisch, ergonomischen Stuhl usw. nach Hause schicken. Und wer außer im Büro keinen Kontakt zu Menschen hat, den möchte doch im Büro auch niemand sehen.
Die Führungskräfte sind ja nur besorgt, weil sie die Mitarbeiter nicht mehr kontrollieren können und im Grunde dasselbe machen würde. Nur dürfen sie sich das aufgrund des Führungsstatus nicht leisten. Die Kollegen sind zum Teil neidisch: Während sie um 7 Uhr stempeln und erstmal frühstücken, dann bin ich ab 6h30 schon am arbeiten und gönne mir mit Sicherheit etwas früher Feierabend zu machen.
Die Produktivität ist im home office mit Sicherheit gestiegen und keiner will es zugeben /sehen.. Ja, man wünscht sich mehr Lebensqualität und Zeit für die Familie und das ist was im Leben wirklich zählt WORK LIFE BALANCE 🙂
Die Führungskräfte sind ja nur besorgt, weil sie die Mitarbeiter nicht mehr kontrollieren können und im Grunde dasselbe machen würden. Nur dürfen sie sich das aufgrund des Führungsstatus nicht leisten. Die Kollegen sind zum Teil neidisch: Während sie um 7 Uhr stempeln und erstmal frühstücken und small talk „pflegen“ , dann bin ich ab 6h30 schon am arbeiten und gönne mir etwas früher Feierabend zu machen.
Die Produktivität ist im home office mit Sicherheit gestiegen und keiner will es zugeben /sehen.. Ja, man wünscht sich mehr Lebensqualität und Zeit für die Familie und das ist was im Leben wirklich zählt WORK LIFE BALANCE 🙂
Mein Arbeitgeber ist absoluter Home-Office Gegner.
Seit Mai 2021 sind 3 Kollegen gewechselt und ich bin auch ab dem 01.09 weg. Wer sich im Jahr 2021 vor Home-Office verschließt wird irgendwann kein Fachpersonal mehr bekommen. Ich bekomme durch den Wechsel zur Konkurrenz deutlich mehr Gehalt und das bei deutlich weniger Ausgaben. Alleine die Entfallenden Spritkosten sind nicht ohne.
Mal davon abgesehen dass wenn man eine Präsenzarbeit künstlich Verteuern würde dass wir weniger Autos in den Städten hätten bei weniger Belastung und vor allem Bezahlbaren Wohnraum. Alleine wenn Sich die Home-Office Mitarbeiter in den Osten Verlagern würden (Wo viel Leerstand ist).
Ich verstehe die Diskussion nicht. Es geht immer nur um schwarz oder weiß. Diejenigen die lieber von zu Hause aus arbeiten sollen das können, und die, die lieber im Büro sind sollen das auch können. Dadurch ergibt sich ein sinnvolles Gleichgewicht. Niemand soll gezwungen werden, genau so zu arbeiten, wie er/sie eben nicht will.
Mit geht das rumreiten auf den schlechten Stühlen am Küchentisch auf den Keks. Die Arbeitsschutz Gesetze die mir im Büro den Stuhl sicherstellen sind dazu da mich vor dem Arbeitgeber zu schützen damit er mich nicht auf ungeeignete Stühle setzt. Daheim muss ich nicht davor beschützt werden.
Sie treffen den Nagel auf den Kopf!
Ich arbeite seit 28 Jahren für den gleichen Arbeitgeber und war immer stolz darauf.
Vor knapp 3 Jahren kam mal wieder eine Umstrukturierung. Ohne Rücksicht auf Qualifikation und Leistung würden wir bunt gemischt. Jeder sollte sich auf ungewollte, teilweise minderqualifizierte Arbeitsplätze „bewerben“. Leistungsfähige Teams würden zerstört, Fachwissen vernichtet
Die zuständigen Personaler meinten: Wo liegt Ihr Problem? Sie kriegen doch irgendeinen Arbeitsplatz!
Mit Wertschätzung hat das nichts mehr zu tun!
1 Jahr später dann der absolute Knaller, Umzug ins Großraumbüro. 2,5 Stunden Fahrzeit am Tag in mit den Berliner Offis, weil man am A…der Welt bauen musste, natürlich nur wenn alles pünktlich fuhr, in dieser Stadt eher die Ausnahme.
Verkauft wurde das als “ das neue Arbeiten“. 3 Tage unkonzentriert, genervt von den netten KollegInnen, die alle 3 Minuten abwechselnd am „Counter“ standen und “ nur mal Hallo sagen wollten“. Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, trockene Schleimhäute, Verspannungen, durch Stress ausgelöster Bluthochdruck bei sonst kerngesunden Menschen wurden als persönliche Befindlichkeiten abgetan. Man sollte mal zum Betriebsarzt. Von dort kam dann: “ KollegINNEN mit ähnlichen/gleichen Problemen geben sich bei mir die Klinke in die Hand.“ Getan wurde nichts.
Dazu 2 Tage im Homeoffice. Wunderbar ruhiges und konzentriertes Arbeiten, kein Fahrtweg und viel frische Luft zum Durchatmen nach langen Konferenzen.
Corona kam und so stressig es auch war, Vollzeitarbeit, Nachhilfe für die Kinder, psychologische Betreuung für die Kinder usw unter einen Hut zu bekommen. Würde ich das immer wieder in Kauf nehmen, wenn ich nicht mehr 3 Tage die Woche ins Büro müsste.
Auch mein Arbeitgeber weigert sich richtige Homeoffice Arbeitsplätze anzubieten. Angeblich passt das nicht zu unserer Unternehmenskultur.
Unfassbar! Die ist doch eh schon lange auf der Strecke geblieben!
Danke für diesen Kommentar. Sagt aus, was die Mehrheit tatsächlich denkt. Homeoffice funktioniert grundsätzlich sehr gut wenn die Unternehmen nicht nur die Kosteneinsparung in den Vordergrund stellen. Zudem hat die Reduzierung der Dienstreisen einen positiven Effekt auf die Gesundheit und den Klimawandel. Sehr bedenklich ist, dass ausgerechnet nicht eigentümergeführte Unternehmen mit Vorständen an der Spitze ausschliesslich die Kostensenkungspotentiale sehen.
Ist jemand nicht zufrieden, steht es Jedem frei sein eigenes Unternehmen zu gründen. In dem Moment stellt sich auch heraus, was eine Arbeitsleistung wert ist. Über Arbeitsplätze in der Produktion scheint überhaupt keiner mehr zu sprechen.
Einen ergänzenden Aspekt möchte ich noch in die Runde werfen: Homeoffice könnte in manchen Fällen auch die Gefahr bergen, dass sich unsere Jobs / Komponenten von Jobs auch noch weiter outsourcen lassen. Mancher, der/die jetzt Zuhause arbeitet, könnte doch durch jmd ersetzt werden, der irgendwo lebt, wo die Lohnkosten geringer sind. Interessant fände ich auch, was diese Entwicklung für Mitbestimmung und Soziales Miteinander bedeuten kann.
Allerdings: ich spare täglich den Stau auf dem Weg zur Bahn, welche – im worst case – auch verspätet ist oder zumindest unangenehm voll.
Doch der Vorteil unmittelbarer Kommunikation treibt mich immer wieder ins Büro.