Fake-Home-office: Beim Corona-Lockdown arbeiteten die Angestellten zuhause täglich eine Stunde länger als sonst – und das unter miesen Bedingungen

Der allgemeine Eindruck war ein anderer: Die Leute verließen ihre Büros wegen des Lockdowns, sie stürmen postwendend die Baumärkte und renovierten ihre vier Wände was das Zeug hält. Die meisten Leute hatten anscheinend dank Corona endlich Zeit für ihre Hobbys, amüsierten sich mit Online-Yoga.Kursen oder langweilten sich zu Hause.

Doch wer tatsächlich eine Herausforderung annahm – vielleicht auch eher annehmen musste -, stand mitnichten im Baumarkt an, sondern machte in bewundernswertem Tempo aus seiner Fluchtburg ein Fake-Home-Office. Kein Schreibtisch da oder geschweige denn ein separates Arbeitszimmer? Egal. Der Küchentisch oder zur Not das Schlafzimmerbett gehen auch. Kinder, die um einen herumspringen, während man sich konzentrieren muss? Wurde verbucht unter Privatsache – obwohl es die ganze Situation nicht war.
Dem Arbeitsschutz würden vermutlich oft die Haare zu Berge stehen und eben das unterscheidet die Fluchtburg, die nur ein Fake-Home-office ist, vom richtigen Heimarbeitsplatz. Ich bin gespannt, ob die Zahl der Arbeitsunfälle unverändert geblieben ist während des Lockdowns.

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(Foto: C.Tödtmann)

Zoom und Teams – nie gelernt, wir schaffen das trotzdem
Video-Konferenzen mit Zoom, Teams undsoweiter, die man vorher nie gebraucht und für die man auch nie eine Unterweisung darin bekommen hat? Egal, irgendwie haben sich die Leute reingefummelt. Aus Angst, sich vor Chefs und Kollegen zu blamieren.
Kein Drucker zuhause? Ständig schlechte Leitungen? Kein ungestörtes Arbeiten und dauernde Unterbrechungen? Alles war den Angestellten offenbar egal, diese Teile der berufstätigen Bevölkerung standen zu ihrer Company – ohne wenn und aber. Weil sie das Gefühl hatten, sie müsse jetzt zu ihrem Arbeitgeber stehen – und dass sie damit auch den eigenen Job sichern.
Nur die wenigsten Arbeitgeber schickten ihren Leuten mal zum Dank für so viele einseitige Opfer einen Strauß Blumen oder andere Aufmerksamkeiten nach Hause. Als Anerkennung fürs Pflichtbewusstsein. Einige wenige aber eben doch, samt handgeschriebener Dankeskarten der Vorgesetzten. Grund genug hätten sie gehabt, wie sich obendrein jetzt an den längere Arbeitszeiten zeigt – die vermutlich nicht als Überstunden bezahlt wurden.
(PS: Grade heute verkündete die Arbeitsrechtskanzlei Kliemt auf LinkedIn, dass man seinen Teams in den fünf Städten für ihren Zusammenhalt und ihre Motivation danke – „auch mit einer Corona-Sonderzahlung für das besondere Engagement!“ – Chapeau!)
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Gutwillige Angestellte im Lockdown
Denn diese Reaktion der Mitarbeiter auf den Lockdown hätte auch anders ausfallen können. Laut Arbeitsrecht sind Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, woanders als in der Firma ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Home offices muss man vorher schriftlich vertraglich vereinbaren samt einem ganzen Bündel von Detailregelungen, die für Unternehmen meist teurer werden als die eigenen Büros. Jede Fahrt des Mitarbeiters ins Büro ist dann nämlich eine – zu bezahlende – Dienstfahrt, der Arbeitnehmer muss der Firma und den Behörden jederzeitige Betretungsrechte fürs häusliche Arbeitszimmer – sprich des eigenen Heims – einräumen, er bekommt eine Büro-Ausstattung und deren Wartung und vor allem anteilig seine Miete und mehr erstattet.
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Erschwerte Arbeitsbedingungen

Hajo Schumacher (Foto: PR)

Im Klartext: Die Belegschaften der Büros nahmen erschwerte Arbeitsbedingungen auf sich – siehe der Kommentar von Hajo Schumacher zu den Fluchtburgen –  und hätten es nicht gemusst. Arbeitsrechtlich wären sie dazu nicht verpflichtet gewesen. Wie jetzt eine Studie der Universitäten Harvard und New York zeigt laut Marktforscher Statista: Jeden Tag arbeiteten die Fake-Home-office-Arbeiter 49 Minuten länger als sonst im Büro, also insgesamt rund acht Prozent mehr.
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Mehr Meetings, mehr E-Mails
Zum Beispiel die digitale Kommunikation zwischen den Angestellten nahm zu: Die Zahl der virtuellen Meetings stieg um knapp 13 Prozent ebenso wie die Zahl der Meeting-Teilnehmer, ebenfalls um gut 13 Prozent. Die Zahl der internen Mails legte um fünf Prozent zu, die E-Mail-Bearbeitung außerhalb der regulären Arbeitszeit um gut acht Prozent.

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Alle Kommentare [2]

  1. Auch wenn es nur wenige zugeben, wurden vor allem Homeschooling und teilweise Hausarbeiten auch während der Arbeitszeit erledigt, blieb also in der Regel weniger Zeit für den Job.

  2. Leider haben viele Unternehmen versäumt, ihre Arbeitnehmer über die Jahre vor der Krise das Home Office näher zu bringen oder Ihnen zumindest die grundlegensten Dinge näher zu bringen.
    In unserer Firma habe ich es erlebt, dass Kollegen schlagartig einen Laptop und Headsets bekamen und auf eigene Faust Office 365 und Teams erkunden mussten.
    Dann ist es klar, dass die Arbeit die erledigt werden muss zwangsläufig liegen bleibt, weil man sich erst auf das erlernen der Office-Lösung kümmern muss.
    Fakt ist: Home Office wird es wohl erst einmal weiter geben und die Unternehmen werden es in die Unternehmenskultur übernehmen müssen.
    Insgesamt glaube ich, dass Home Office einfach smarter werden muss. Viele der Mails und Kommunikationen kann man zusammenfassen oder sparen. Das würde für einige zu einer Entlastung führen.