Quiet Quitting – Gastkommentar von Internet-Ikone Willms Buhse: Grade soviel arbeiten, dass man nicht gekündigt werden kann
Aus den USA kommt das Modewort, das Arbeitgeber plötzlich aufschreckt: Quiet Quitting, ruhiges Au. Offenbar glaubten bis dato Arbeitgeber, dass sie zwar für einen bestimmten Betrag eine bestimmte Zahl an Arbeitsstunden einkaufen – aber trotzdem immer eine Schippe drauf geschenkt bekommen zum Nulltarif. Konkret: Mehr Stunden oder mehr Leistung von den Angestellten als vereinbart.
Geschenke? Ja, bitte gerne
So lange die Mitarbeiter ohne Murren ihre Geschenke in Form von ihrer Lebenszeit oder Verzicht auf Gegenleistung hingaben, fanden die Unternehmen das völlig in Ordnung: Mails rund um die Uhr und im Urlaub bearbeiten, kostenlose Überstunden undsoweiter. Doch: Gegenleistung in Form von mehr Kündigungsschutz oder auch nur Bezahlung der Überstunden? Fehlanzeige.
Keine Geschenke mehr? Frechheit
Doch kaum sagen die Mitarbeiter, genug Geschenke gemacht, nun halten wir uns an den Vertrag und leisten das Vereinbarte, schreien Unternehmen auf. Und nur das. Wie man diese Vorenthalter enttarnen kann, fragen sie? Ob es ein Gegenmittel gibt, um sie zur Räson zu bringen? So, als hätten sie einen Anspruch auf Geschenke.
Willms Buhse, Chef der Managementberatung für digitale Transformation DoubleYuu mit Kunden wie VW, DAK oder Otto Konzern, bezieht hier im Management-Blog Stellung.

Willms Buhse (Foto: PR/DoubleYUU)
Schlaflose Nächte für Arbeitgeber
Die wie ich finde, eigentlich altbekannte innere Kündigung bereitet Unternehmern und Personalern schlaflose Nächte: Und zwar als Social-Media-befeuerter Lifestyle-Trend namens Quiet Quitter. Die nämlich arbeiten nur so viel, um gerade so eben nicht gekündigt zu werden. Sie wollen so wenig arbeiten, um die eigene Lebensgestaltung nicht nur annährend zu gefährden.
An geschenkte Extrameilen gewöhnt
Dabei: Im Grunde genommen, lassen sich die Quiet Quitter nichts zu Schulden kommen. Sie tun in ihrem Job das, wofür sie bezahlt werden – nur eben nicht mehr. Das ist ihr gutes Recht. Und gleichzeitig für den Arbeitgeber ein Problem. Warum? Weil gerade diese Extrameile das Salz in der Suppe ist, das vielen Karrieren und Unternehmen stets den gewissen Vorsprung verliehen hat. Und es ist etwas, an das sich Organisationen gewöhnt haben – vielleicht ein wenig zu sehr.
Das neue Führungsverständnis fehlt eben noch – rund um den Globus
Dabei: Helfen kann den Unternehmern und Personalern nur ein neues Verständnis von Führung. Eine neue Art von Leadership, mit der man viele Führungskräfte noch vertraut machen muss, das stelle ich in meinen Gesprächen rund um den Globus immer wieder fest. Der altbewährte Manager ist ein Auslaufmodell, das den Ansprüchen der Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr gerecht wird. Viel wichtiger ist es, Menschen zu führen, ihnen die Richtung vorzugeben, sie zu überzeugen und mit der eigenen Leidenschaft anzustecken.
Gallup: Mehr als jeder zweite hat bereits innerlich gekündigt
Eine Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigt, dass das Engagement von Arbeitnehmern aus den Gruppen der Gen Z und den jüngeren Millennials (1989 und später geboren) mit 31 Prozent auf dem absoluten Tiefststand angekommen ist. Inhaltlich erforscht Gallup in der Kategorie Engagement, ob Arbeitnehmer ihre Tätigkeit für sinnhaft halten. Insgesamt wird eingeschätzt, dass 54 Prozent dieser Alterskohorte innerlich gekündigt haben – es gibt also eine zahlenmäßig erheblich größere Herausforderung als die Human-Ressources-Klassiker Recruiting und Mitarbeiterbindung.
Wichtig ist Führung, die Motive und Stimmung der Arbeitnehmer adressiert
Natürlich kann man das Phänomen Quiet Quitting durch die klassische Arbeitgeber-Brille als lästige Anomalie einer neuen Arbeitswelt ansehen.
Man kann den Spieß aber durchaus auch umdrehen, indem man die Störfaktoren, wie die Beweggründe der Quit Quitter als Anforderungsprofil für eine neue Art von Leadership begreift.
Dabei geht nicht um das Verwalten von Zahlen und Ergebnissen, sondern um Führung, die die Motive und Stimmungslage von Arbeitnehmern in unserer turbulenten Zeit aufgreift und adressiert. Führung, die Halt gibt, aber ebenso herausfordert – und vor allem in der digitalen Welt der Zusammenarbeit gemeinsame Ziel beschreibt, alle mitnimmt und ein Zusammengehörigkeitsgefühl schafft.
Mein Rat: Die vier Einflugschneisen – Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität – sollten Leader nutzen, um ihr Team mit auf die Extrameile zunehmen.
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Viele Arbeitgeber beschweren sich, die jungen wollen nicht mehr arbeiten.
Ich glaube eher die jungen haben erkannt dass das Geld das sie bekommen würden, heute kaum noch reicht um eine Familie oder in manchen berufen, eine person zu finanzieren, geschweige denn dafür reicht im hohen Alter zu sparen oder sich eine Rente auf zu bauen. Warum einen schweren Baujob machen wenn das Geld in anderen Branchen mehr ist das man am Ende des Monats bekommt? Oder wenn nicht mehr aber zumindest körperlich weniger hart verdient zu haben. Für kein Geld der Welt würde ich noch mal auf den Bau gehen. Arbeite jetzt am Band, verdiene mehr und muss mich nicht fragen ob ich im Winter wieder „schlecht wetter“ habe.
Ich möchte noch dem Kommentar den Punkt Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit als eine Grundvoraussetzung für ein gutes Miteinander im Team hinzufügen. Wer als Führungskraft einen möglichst breit angelegten kritischen Diskurs zusammen mit allen Beteiligten in der Aufbau und Ablauforganisation bei einer möglichst guten Lösungsfindung zulässt ist deutlich im Vorteil. Jürgen Habermas und Oskar Negt gingen in einer Demokratie immer von einem Bildungsprozess aus der stets und ständig gelernt und weiter entwickelt und ausgebaut werden muss sonst. ..ja sonst haben wir keine demokratische Republik mehr und befinden uns auf dem Weg in eine andere Staatsform mitunter auch in eine Diktatur unter ausschalten aller andersmeiniger Äußerungen ausser der eigenen. Ein Teil dieser heutigen sogenannten neuen Führungskräfte und Eliten weiss nicht so recht wo wir herkommen und können uns somit auch nicht sagen wo wir hingehen sollen.
Wenn man sich mit einem Job wie vor ein, zwei Generationen eine Familie, eine gute Rente und ein Haus leisten kann, ist man gern bereit die Extrameile für den Arbeitgeber zu gehen. Das ist heute eher selten der Fall. Wenn man nur Gehalt zum Überleben und nicht für einen Lebensentwurf bekommt, bekommt man genau das.