Allbright-Studie Gleichstellung: Die Deutschen bauen ihre Top-Vorstandsfrauen seit einem Jahr wieder ab – statt auf wie USA, Schweden oder Großbritannien

Es ist schon interessant, wie sehr die Deutschen ihre Frauen verabscheuen müssen. Konkreter: Die Unternehmenslenker, die Entscheider. Auf gar keinen Fall wollen sie Frauen in den Unternehmen mit ans Ruder der Macht lassen. Auf keinen Fall ihnen etwas abgeben. Und auf keinen Fall Frauen gleich stellen.

 

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Man hätte die Vorstände auch einfach mal vergrößern können

Schon als die Quotendiskussion losging, nachdem Frankreich sie 2011 für ihre Verwaltungs- und Aufsichtsräte einführte, hätten die Dax-Aufsichtsräte einfach ihre Vorstände um zwei oder drei Positionen vergrößern und mit Frauen besetzen können. Und wenn´s nur vorübergehend gewesen wäre. Die Kosten hätten sie nicht ruiniert. Leider haben sie die Chance verpasst. Angeblich aus Kostengründen. Damit hätten sie aber den würdelosen jahrelangen Austausch und Schlagabtausch über Quoten elegant umschiffen können.

 

Ich erinnere mich, wie noch wenige Jahre später eine ernst zu nehmende, erfolgreiche Headhunterin einen offenen Brief gegen die Frauenquote an Bundeskanzlerin Angela Merkel andachte. Klar war der offene Brief in erster Linie als PR-Aktion gedacht und sie ließ die Aktion dann vorsichtshalber doch lieber bleiben.

 

Aber nur mal so zum Länder-Vergleich: Die Frauenquote für Frankreich war schon 2011 gar nichts so revolutionär Neues. Norwegen führte sie schon 2003, also acht Jahre früher ein. 2007 zog Spanien nach und dann Belgien. Offenbar hierzulande unbemerkt? Schmücken sich Führungskräfte sich nicht sonst sehr gerne mit wichtigen englischsprachigen Titeln und werfen mit Anglizismen nur so um sich? Haben sie doch jahrzehntelang der Globalisierung gehuldigt? Wie konnte dann diese Entwicklung von Frauenquoten außerhalb der eigenen Landesgrenze komplett an ihnen vorbeigehen?

 

Statt mehr gibt´s wieder weniger Frauen in den Dax30-Vorständen – elf haben keine einzige dabei

Eine Umbesinnung gibt es anscheinend bis heute nicht: Die Allbright Stiftung legt nun eine neue Untersuchung vor, die das belegt. Die Geschlechtergleichstellung in den Vorständen der Dax30-Konzerne geht seit einem Jahr sogar wieder zurück – statt weiter anzusteigen. Elf der 30 haben keine einzige Frau auf der obersten Führungsetage – vor einem Jahr waren das nur sechs Dax30-Unternehmen. Nur 13 Prozent der Dax-Vorstände sind Frauen. „Während die Vorstände in anderen Ländern deutlich weiblicher werden, sind in deutschen Börsenunternehmen im Krisenjahr zwei Mechanismen zu beobachten: eine Verkleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohntes, Vertrautes, Altbewährtes – man setzt auf Männer“, so die Allbright Studie.

 

Im internationalen Vergleich ist Deutschland abgeschlagen

Ganz anders im Ausland: In USA, Großbritannien, Schweden, Frankreich und Polen bauen die Unternehmen kontinuierlich vielfältigere Führungsteams auf, die komplexen Herausforderungen insbesondere der Corona-Krise besser gewachsen sind, so die Allbright-Studie. Den Unternehmen dieser Länder gelingt es viel besser, weibliche Talente zu befördern: In den USA (29 Prozent), Schweden (25 Prozent) und Großbritannien (25 Prozent) ist der Frauenanteil im Top-Management teils mehr als doppelt so hoch wie bei den DAX-Unternehmen, die im internationalen Vergleich den letzten Platz belegen – und obendrein noch immer weiter zurückfallen.

 

Kein Dax-Konzern bringt es auch nur auf 30 Prozent Frauenanteil im Vorstand

Das unrühmliche Resüme: „Deutschland ist das einzige Land im internationalen Vergleich, in dem kein einziger der 30 größten Konzerne einen Frauenanteil im Vorstand von 30 Prozent schafft. Und es ist das einzige Land, in dem keines dieser Unternehmen von einer Frau geführt wird.“

 

Wiebke Ankersen, Allbright Stiftung (Foto: C.Tödtmann)

Nur Allianz, Daimler, Telekom und Fresenius Medical Care haben mehr als eine Frau im Vorstand

Die Peinlichkeiten gehen noch weiter: 97 Prozent der amerikanischen und 87 Prozent der französischen Großunternehmen haben mehrere Frauen in ihrem Vorstand – selbst das schaffen in Deutschland nur vier Konzerne: Allianz, Daimler, Deutsche Telekom und Fresenius Medical Care.

Dass es an zu wenig qualifizierten Frauen liegt, wie die Top-Manager jahrelang als Ausflucht behaupteten, ist widerlegt laut Allbright Stfitung: 90 Prozent der im vergangenen Jahr neu hinzugekommenen Vorständinnen kommen aus Deutschland – „die Pipeline an Führungsfrauen in den deutschen Unternehmen ist so gut gefüllt wie nie zuvor“, sagt Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der Allbright Stiftung.

Ihr Kollege Christian Berg moniert: „Dieser Entwicklungsstand im Top-Management der deutschen Unternehmen passt nicht zum Selbstverständnis eines fortschrittlichen westlichen Industrielands.“ Ein Modernisierungsschub wie in den anderen Ländern fehle. Und: „In der Krise auf vertraute Männer zu setzen, ist ein kurzsichtiger Reflex, der sich über kurz oder lang rächen wird“, sagt Ankersen.

„Die gut ausgebildeten Frauen stehen längst in großer Zahl bereit. Die Unternehmen müssen ihnen nur viel konsequenter Verantwortung übertragen – auch und gerade in der Krise“, so Berg.

Christian Berg, Allbright Stiftung (Foto: C.Tödtmann)

 

Lese-Tipp Wiebke Andersen und Christian Berg von der Allbright Stiftung im Gastbeitrag auf wiwo.de:  

Während Unternehmen in den USA, Großbritannien oder Schweden auf weibliche Führungskräfte setzen, nehmen deutsche Firmen lieber Altbewährtes: Männer. Ist das Mindset im deutschen Management wirklich so altmodisch?

https://www.wiwo.de/my/politik/deutschland/geringer-frauenanteil-wie-altmodisch-ist-das-deutsche-management/26252548.html

 

 

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