Exklusiv-Studie Banken: Wertewandel nach der Finanzkrise? Pustekuchen

Der Imagewandel der Banken ist eine Werbemaßnahme, aber in der Realität gelebt wird er nicht. Das geben selbst Bank-Mitarbeiter zu. Anscheinend haben die Banken aus der Finanzkrise noch keine Lehren gezogen. Zumal: Skandale wie bei der Deutschen Bank von dem Libor-Skandal bis zum Deutsche-Bank-Prozess sind kein Einzelfall. Dennoch findet der Wertewandel hin zu Transparenz, Integrität und Kundenorientierung nur in Werbekampagnen statt, aber nicht im Tagesgeschäft am Bankschalter. Das ist das Fazit einer Studie der Umsetzungsberatung Mutaree, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt.

Die Umfrageergebnisse werfen kein gutes Licht auf das Top-Management der Finanzinstitute. So lautet eine der Kernfragen der Studie: Was bringt Banken zum Umdenken? Nur gesetzliche Zwänge, sagen die meisten Bankangestellten (82 Prozent). Und was noch? Andere externe Faktoren wie ungünstige Marktbedingungen, die für die Geldhäuser unangenehm sind: Die dauerhaft niedrigen Zinsen etwa benennen daher 73 Prozent der Befragten als Beispiel, was Banken unter Zugzwang setzt. Statt die Zukunftsthemen Digitalisierung und Kundenorientierung anzugehen, beschränken sich Banken aufs Reagieren, so das Fazit der Untersuchung.

 

Themen, die die gesamte Industrie beschäftigen, wie die Digitalisierung, stehen dagegen bei den Banken am Ende der Prioritätenliste. Nur 39 Prozent der Banker sehen, dass dieses Thema ihre Geldhäuser in Bewegung bringt. „Der Handlungsdruck ist bei diesen Zukunftsthema offenbar noch nicht hoch genug“, meint Claudia Schmidt, Mutaree-Geschäftsführerin und Expertin für Veränderungsmanagement.

Insgesamt hat Mutaree 283 Fach- und Führungskräfte in den Banken befragt, von denen rund drei Viertel in Leitungsfunktionen sitzen und von allen Befragten die Hälfte im Vertrieb tätig sind. Das Ergebnis: Rund 50 Prozent der Banken sagen, dass der kulturelle Wandel in ihrem Haus nicht stattfindet. Nur 20 Prozent der Banken honorieren es, wenn ihre Mitarbeiter wertekonformes Verhalten an den Tag legen. Dem entspricht, dass ihr Image den Banken nicht so wichtig ist und auf der To-do-Liste tatsächlich auf den hinteren Plätzen rangiert.

 

Indiz: Kriterien für Beförderungen

Der beste Beleg ist für  Beraterin Schmidt das Beförderungsverhalten: Karriere macht, wer gute Abschlüsse vorweisen kann und überdurchschnittlich hohe Umsätze erzielt. Aber nicht, wer besonders kundenorientiert handelt. So bleibt es dabei, dass gute Verkäufer regelmäßig mit Führungspositionen belohnt werden, um sie zu halten. Ob diese dann aber als Führungskraft brauchbar sind, interessiert nicht. Das Ergebnis: Die schädlichen Verhaltensmuster bleiben und der Wertewandel ist ausgebremst.

 

Claudia Schmidt, Mutaree

Claudia Schmidt, Mutaree

 
Undurchschaubare Produktempfehlungen
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Noch weniger als die Banker selbst, nehmen die Kunden einen Kulturwandel in ihren eigenen Häusern wahr. Statt einfachen Lösungen, die Otto Normalanleger versteht, regieren nach wie vor undurchschaubare Produktempfehlungen. „Da werden immer noch komplexe Fonds statt Spareinlagen oder kaum nachvollziehbare Kombinationen von Produkten wie Baufinanzierungen mit zwischenfinanziertem Bausparvertrag empfohlen“, berichtet Change-Management-Beraterin Schmidt.
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Stattdessen sind den Beratern die Hände quasi gefesselt. Eine gute, neutrale Finanzberatung würde es mit sich bringen, dass auch von Anlageformen oder komplizierten Finanzierungsmodellen abgeraten werden kann. „Wenn aber der Erfolg nur an Abschlussquoten gemessen wird und nicht an Kundenzufriedenheit, dann ist die Beratungszeit ohne einen Abschluss verlorene Zeit“, sagt Mutaree-Geschäftsführerin Schmidt.
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Digitales und anderes Moderne? Muss nicht sein
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Auch der Trend zur Digitalisierung, der Bankern im Alltag womöglich neue Absatzchancen bringen könnte, steht ganz unten auf der Prioritätenliste. Die Mitarbeiter in den Filialen können nur zuschauen, wie ihnen selbst Lebensmittelhändler Rewe mit eigenen Geldterminals in den Supermärkten beim Bargeldauszahlen den Rang abläuft. 60 Prozent der Banken haben keine Vorbereitungen für neue Vertriebs- oder Servicekanäle in Planung oder wenn, dann sie die damit nicht fertig bisher.
57 Prozent planen nicht, in neue Technologien wie Social Media und Big Data zu investieren.
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Nachwuchs: Ganze Lehrgänge entscheiden sich gegen den Vertrieb
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Entsprechend weit hinten steht auf der Liste der wichtigsten Themen der Nachwuchs, also das Anheuern und Halten junger Potenziale (25 Prozent). Die werden nämlich abgeschreckte durch die Konflikte, die der reine Verkaufsdruck und die rein quantitativen Zielerreichungsgrade mit sich bringen, beobachtet Schmidt. Die Folge: Ganze Lehrgänge von Azubis entscheiden sich gegen den Vertrieb und für andere Abteilungen, erzählt Schmidt.
Ähnlich trübe sieht es bei der Auswahl der Führungskräfte aus. Bester Beleg für den ausgebliebenen Kulturwandel sind die unverändert gebliebenen Beförderungskriterien. Den nächsten Schritt auf der Karriereleiter erreicht nur, wer die besten Abschlüsse und die höchsten Umsätze liefert, aber nicht, wer die beste Kundenorientierung an den Tag legt.
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Befördert wird der beste Verkäufer, nicht die beste Führungskraft
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Immer noch sind es die Vertriebskanonen, die erwarten, befördert zu werden und denen die Banken den Aufstieg auch ermöglichen – um sie zu halten. Ob die Betroffenen aber die geeigneten Führungskräfte von morgen sind, interessiert nicht so richtig. „So werden Verhaltensmuster tradiert und der Kulturwandel ausgebremst“, urteilt Schmidt.
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Keine Zeit einräumen zum Verändern
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Vor allem aber geben Banken ihren Mitarbeitern keine Zeit für die Veränderungen, die sie erreichen sollen, kritisiert Schmidt. „Denn wer kann schon täglich hohe Ziele erreichen, die ohnehin kaum zu schaffen sind und gleichzeitig Veränderungen, die Produktivität und Zeit kosten, umsetzen und trainieren?“ Ganz absurd wird es dann, wenn dennoch Changeprozesse durchgeführt werden. Wenn die Guten, Unverzichtbaren im Tagesgeschäft weiter kämpfen und die anderen, weniger fitten abgezogen werden, um die neuen Projektziele zu erreichen. Was dann wiederum bei den Kollegen den Eindruck hinterlässt, dass der Wandel für das operative Geschäft nicht so wichtig ist.

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Alle Kommentare [2]

  1. Bei den Banken kommt nur auf das Erreichen von Geschäftszielen an, und das soll durch den Verkauf erreicht werden – Kundenberatung ist da eher hinderlich. Es stimmt, dass wie in Versicherungsgesellschaften nur erfolgreiche Verkaufs-abschlüsse karrierefördernd sind, nicht berufliche Kompetenz oder „Soft-Skills“. Vor einigen Jahren gab es Pläne von Banken, keine Bankkaufleute mehr als Kundenbetreuer einzustellen, sondern nur noch Leute, sich ausschliesslich auf das Verkaufen konzentrieren.
    In der Wirtschaft begegnet man immer wieder der Tatsache, dass effiziente Verkäufer nicht unbedingt Führungseigenschaften besitzen.

  2. bei der Überschrift komme ich mir schwer verarscht vor. nach der Finanzkrise? … wir stecken mittendrin, und das Finale kommt auch bald. sind solche Titel von der Regierung bestellt worden?