Fünf Fragen an Arbeitsrechtler Philipp Byers: Wenn Geschäftsgeheimnisse am Küchentisch ausgepackt werden

Die Journalistin Franca Lehfeldt gerät immer mal wieder in die Schusslinie, ob sie in ihrem Job unvoreingenommen sein könne, obwohl sie mit dem Politiker Christian Lindner verheiratet ist. Der TV-Moderator Louis Klamroth verriet erst nachdem sein neuer Moderationsjob für „Hart aber fair“ bekannt wurde, dass er mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer liiert ist. Arbeitsrechtler Philipp Byers von Watson Farley beobachtet, dass Unternehmen ähnliche Sorgen plagen: Etwa wenn Angestellte mit viel Wissen um Firmeninterna eine Liaison zu einem Mitarbeiter der Konkurrenz haben und rät zu beispielsweise zu  Meldepflichten, damit ein Gegensteuern möglich ist.

 

Philipp Byers (Foto: C. Tödtmann)

 

Herr Byers, der TV-Moderator Louis Klamroth soll möglicherweise seinen Vertrag nicht mehr verlängert bekommen, weil er mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer liiert ist. Und weil er diese Tatsache dem Sender verschwiegen hat, als er die Moderation für „Hart aber fair“ bekam. Rechtfertigt die bloße Sorge vor Interessenkonflikten derlei Konsequenzen, auch ohne konkrete Anhaltspunkte? Oder wiegt sein Verschweigen bereits so schwer,  dass derlei Konsequenzen rechtens wären?

Das Verschweigen der Beziehung könnte als Verstoß gegen Compliance-Regeln des Senders einzuordnen sein. Danach sollen redaktionelle Mitarbeiter Dienstliches und Privates klar voneinander trennen, eben um jegliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Dazu gehört, dass die Journalisten es ihrem Arbeitgeber melden müssen, wenn sie mit politischen Repräsentanten liiert sind. Dann kann der prüfen, ob diese Beziehung im Einzelfall die journalistischen Standards über Unabhängigkeit, Objektivität und Überparteilichkeit beeinträchtigen kann. Private Beziehungen zwischen Journalisten und Politikern begründen aber nicht automatisch Interessenkonflikte, die neutrale Berichterstattung verhindert.

  

Passiert Vergleichbares in Unternehmen?

Beides funktioniert nach deutschem Arbeitsrecht nicht: Ein Verbot von Liebesbeziehungen innerhalb der Firma wäre unzulässig, denn das würde unrechtmäßig in die Privatsphäre der Arbeitnehmer eingreifen. Auch nicht, wenn beide Mitarbeiter desselben Arbeitgebers sind. Auch Liebesbeziehungen zwischen Vorgesetzten und nachgeordneten Mitarbeitern dürfen Unternehmen nicht verbieten. In den USA muss in solch einem Fall einer der Beiden die Company verlassen, selbst wenn sie heiraten – in Deutschland nicht.

 

Was gilt für Liebesbeziehungen von eigenen Mitarbeitern zu jemand, der bei einem Konkurrenzunternehmen eine sensible Position innehat? Wenn beispielsweise jemand aus dem Einkauf von VW eine Liebesbeziehung zu jemand  aus dem Einkauf von BMW hat und die jeweiligen Arbeitgeber befürchten, dass Firmeninterna am Küchentisch ausgetauscht werden. Ab wann muss wer so eine Beziehung dem Arbeitgeber melden? Oder ist das immer Privatsache und basta?

Das hängt von seinem jeweiligen Aufgabengebiet und der hierarchischen Stellung ab. Ein einfacher Autoverkäufer in einem BMW-Autohaus und ohne Zugriff auf sensible Unternehmensinformationen wie Preispolitik, Planungen der Unternehmensstrategie undsoweiter, unterliegt er keiner solchen Anzeigepflicht. Ist er aber BMW-Vertriebschef und ist mit der Vertriebsleiterin von Daimler liiert, kann ihn das Unternehmen zu einer Meldung verpflichten. Dasselbe gilt, wenn jemand in der Forschungsabteilung arbeitet. Dann kann es einen erheblichen Interessenkonflikt geben, weil nicht auszuschließen ist, dass man sich zuhause privat über solche sensiblen Informationen – vielleicht auch unbeabsichtigt – austauscht.

Gerade bei Themen wie Preisstrategien besteht sogar das Risiko von Kartellabsprachen, selbst wenn sie nicht beabsichtigt sind. In solchen Fällen hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, von dieser Beziehungen zu erfahren. Letztlich kann der Arbeitgeber solche Liebesbeziehungen nicht verbieten, die sind Privatsache. Aber das Unternehmen bekommt die Gelegenheit, das Problem zu lösen: Es kann zum Beispiel seinen Mitarbeiter in eine andere Abteilung versetzen oder ihm ein anderes Aufgabengebiet geben.

 

Was haben Sie da schon erlebt?

Es kommt durchaus vor, dass der Mitarbeiter aus der Forschungsabteilung seiner Freundin bei der Konkurrenz ´top vertrauliches´ über den Entwicklungsfortschritt eines Produkts erzählt. Ein Gesprächsthema von vielen halt, das man nach Feierabend seiner Partnerin zuhause – obwohl man es nicht darf – arglos erzählt. Ein paar Wochen später geht die Beziehung in die Brüche und die Ex-Freundin nutzt ihr Wissen im Konkurrenzunternehmen gnadenlos aus. Vielleicht sogar aus Rache.

Das ist ein arbeitsrechtlicher Supergau. Dem Mitarbeiter drohen nicht nur die fristlose Kündigung, sondern auch empfindliche Schadensersatzansprüche seiner Firma nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz. Jeder sollte wissen, dass Geschäftsgeheimnisse seines Unternehmens auch Ehepartner und Familie nichts angehen. Doch wenn man sich seit geraumer Zeit Tisch und Bett teilt, sieht der vertrauliche Umgang von Unternehmensgeheimnissen innerhalb einer Beziehung in der Realität ganz anders aus. Schon deshalb haben Arbeitgeber ein Interesse daran, dass Mitarbeiter private Beziehungen zu Angehörigen von Konkurrenzunternehmen melden müssen, sobald sie Zugang zu sensiblen Geschäftsgeheimnissen haben.

  

Wie beugen Unternehmen so einer Situation vor?

Viele schreiben in ihre Arbeitsverträge oder ihre Compliance-Regeln, dass Angestellte eine Meldepflicht haben für private Beziehungen innerhalb der Firma, wenn das Risiko eines Interessenkonflikts besteht. Insbesondere gilt das für Beziehungen zwischen Vorgesetzten und nachgeordneten Mitarbeitern. Ob solche Meldepflichten zulässig sind, hat noch kein Arbeitsgericht entschieden. Klar ist eins: Hat ein Unternehmen einen Betriebsrat, muss der bei solchen Compliance-Regelungen beteiligt werden, eine Betriebsvereinbarung ist abzuschließen. Eine generelle Anzeigepflicht einer jede Liebesbeziehung innerhalb der Firma sollte aber arbeitsrechtlich unzulässig sein. Ein Verbot von Liebesbeziehungen ist in jedem Fall arbeitsrechtlich unwirksam.

 

 

 

 

 

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