Plötzlich verkehrte Welt – und bald überall so? In den Kliniken beneiden die Stammbelegschaften die Zeitarbeitnehmer

Wenn Zeitarbeitnehmer den Neid der Stammbelegschaft auf sich ziehen – und nicht mehr umgekehrt wie früher, als die Kollegen auf Zeit -zig Nachteile hatten: Dann vergrößern die Ungerechtigkeiten bei Lohn und Aufgaben das Dilemma, weil die Festangestellten die unfaire Verteilung leid sind und kündigen.

 

 

Was früher eine Notlösung oder eine Übergangslösung war, wurde zum Normalzustand. Und die verursacht jetzt mächtig Ärger. Leiharbeitnehmer in Kliniken, konkret Krankenschwestern oder Pfleger, ziehen Neid und Wut der Stammbelegschaften auf sich. Soweit noch vorhanden. Denn unter den Kliniken herrscht Wettbewerb um Pflegepersonal, sie zahlen Kopfprämien für Vermitteln an ihre Mitarbeiter von mehreren Tausend Euro. Wegen des akuten Personalmangels müssen Klinikbetreiber jetzt immer mehr Personal über Leiharbeit-Firmen anheuern. Die sind ihnen eher ein Dorn im Auge, weil sie teurer sind als die eigenen Leute. Aber ohne sie geht´s eben nicht, nicht mehr.

 

Zeitarbeiter-Agenturen für Pflegepersonal prosperieren

Doch von Anfang an: Viele Krankenschwestern und Krankenpfleger sind Zeitarbeitnehmer.  Der Patient  kann die Zeitarbeitnehmer nicht von der Stammbelegschaft unterscheiden. Jedenfalls nicht optisch. Und wenn, würde es auch nicht helfen. Die Mutmaßung von Patienten: Wer überall begehrt ist, wer sich morgen abziehen lassen kann und auf den die nächste Klinik schon wartet, hat es nicht mit der Verantwortung und Gewissenhaftigkeit wie jemand, der für sein Tun länger einstehen muss und dem ein Rüffel vom Chef oder gar ein schlechtes Zeugnis droht.

Kein Wunder, dass die Agenturen, die die Zeit-Mitarbeiter verleihen an die Hospitäler, prosperieren und wie Pilze aus dem Boden schießen, erzählt Andrea Panzer-Heemeier, Arbeitsrechtlerin der Kanzlei Arqis.

 

Neid auf die Zeitarbeiter vergiftet das Betriebsklima

Jedoch: Zeitarbeiter in Kliniken wirken wie der Zwietrachtsäer im Asterix-Comic, Tullius Destructivus. Sie vergiften das Betriebsklima – und sind obendrein schlimmstenfalls auch noch ansteckend und verleiten andere zum Kündigen. Sie maximieren ihren persönlichen Gewinn – leider auf Kosten der festangestellten Kollegen – und sorgen für Neid und Wut. Sie fahren mit kleinen Dienstwagen ihrer Verleiher herum, verdienen mehr als die Festangestellten und schieben gar nicht erst die ungeliebten Schichten am Wochenende. Auch die lästigen Dokumentationsarbeiten brauchen sie nicht erledigen. Anders als Zeitarbeitnehmer früher, die ihre Jobs als Chance begriffen, den dauerhaften Einstieg in eine Firma zu schaffen. An langjährigen Bindungen an eine Klinik haben sie kein Interesse.

 

Je mehr Privilegien für die Zeitarbeiter umso mehr geht´s auf Kosten der anderen

Kurz, Rosinenpicken wäre auch ein treffender Begriff. Zumal: je weniger Wochenendschichten oder Dokumentationen die Zeitarbeiter machen müssen, umso mehr bleiben an den – schlechter bezahlten – Festen hängen. Im Klartext:  Die Unsicherheit, die früher ein Malus der Zeitarbeitnehmer in Kauf nehmen musste, ist heute kein Thema mehr, sagt Panzer-Heemeier. Dank der Marktlage. Klinikbetreiber wüssten nicht, wie sie in dieser Mangelsituation Herr der Lage werden sollten, berichtet die Anwältin. Doch klar ist: Die Ungleichbehandlung bei gleicher Arbeit wurmt die Benachteiligten und womöglich wechseln sie auch selbst die Seite.

 

Andrea Panzer-Heemeier (Foto: Privat)

 

Die Ungleichheit nagt an jedem einzelnen

Falls es ein Patentrezept zur Auflösung der Ungleichbehandlung gibt, sollten Klinikchefs sie rasch umsetzen. Wenn fast eine ganze Abteilung zum Jahresende kündigt und von neun Leuten nur noch zwei da sind – das Beispiel ist genauso passiert in NRW und hat den Ärzten, Patienten und vor allem den beiden Verbliebenen schwer zugesetzt – ist das ein Horror.

 

Es könnte bald in anderen Branchen auch so laufen

Vor allem aber frage ich mich, ob dieses Muster nur ein Anfang ist, eine Blaupause für andere Unternehmen. Die ebenso Arbeitermangel beklagen. Den Personalmangel gab´s in den Kliniken dank jahrzehntelanger Kostensparaktionen schon vor Corona. Er wurde nur sichtbar durch die Medien und alle haben plötzlich hingeguckt. So richtig bemerkt den Mangel nur, wer selbst im Krankenhaus als Patient ist und der deshalb  Folgeerkrankungen erleidet. Wo Therapien und Medikamente aufgrund der Hektik vergessen werden. Wo Patienten nicht mehr an den Tisch gesetzt werden zum Essen und ans Liegen kommen, ohne dass es sein müsste. Oder wessen Unterlagen nicht gründlich gelesen werden und der prompt eine Fehlbehandlung bekommt.

 

Aber wer sagt denn, dass der Personalmangel nicht auch andere Branchen so beutelt, dass sie mehr und mehr Leiharbeiter brauchen? Im Grunde haben viele schon heute Mitarbeiter, die sich ungerecht behandelt vorkommen: Denn wer heute eingestellt wird, dem gelingt es oft, höhere Löhne durchzusetzen als sie die Erfahrenen, die schon da sind, bekommen.  Was ist womöglich die Folge? Gehaltserhöhungen auch für die? Und wenn nicht?

 

Statt gutem Rat nur Zynismus

Der Rat jedenfalls von Andreas Wermter, dem Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, dürfte für das unterbesetzte Pflegepersonal wie ein übler Scherz klingen: Die Kliniken könnten entlastet werden, meint er, wenn die Untergrenzen für das Pflegepersonal ausgesetzt würden.

Entlastung? Wohl kaum, siehe oben.

 

 

Lese-Tipps:

Hessen: Lukrative Leiharbeit verursacht höhere Kosten in Kliniken – n-tv.de

https://efarbeitsrecht.net/kommt-das-verbot-der-leiharbeit-in-der-pflege-und-warum-jetzt/

https://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/gesund/gesund-arbeit/ueberlastung-treibt-krankenpflegekraefte-die-leiharbeit/

 

Keine Lust auf harte Klinik Bedingungen & Schichtdienst? Wechseln Sie zur Zeitarbeit. Wir bieten besseren Stundenlohn, Erstattung der Fahrtkosten und viel Flexibilität. Flexibilität. https://www.wunschjob-in-time.de/?campaignId=225410&g_campaignid=15913923557&g_adgroupid=135325531627&g_creative=575500692698&g_targetid=kwd-352707088023&g_keyword=leiharbeitsfirmen%20pflege&g_device=c&g_adposition&gclid=EAIaIQobChMIxpun4In5-gIVIBoGAB1LyAD4EAAYBCAAEgJev_D_BwE

 

https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/themen/leiharbeit

 

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Moin,

    Ich belese mich gerade ( typischer Montag morgen) hier auf dem Blog und bin auf diesem Artikel kleben geblieben. Ich war selber Jahrelang als Zeitarbeiter beschäftigt, allerdings im Handwerk/Produktion anstatt im Gesundheitswesen. Jedoch gab es eine Erfahrung die ich gerne teilen würde:

    Als jüngerer Mensch Mitte 20 habe ich in Australien gejobbt – als Handwerker auf Baustellen – und habe relativ schnell feststellen dürfen, dass die „Zeitarbeit“ in Australien ganz anders geregelt ist und abläuft als in Deutschland.
    In Australien war ich für 4 oder 5 Agenturen gleichzeitig angemeldet, welche dann mit Jobs und Stundenlöhnen um mich konkurriert haben. Ich zahlte sozusagen den Preis einer hohen Flexibilität und ggf. Unsicherheiten, allerdings war ich als Zeitarbeiter in der Lage, meine Konditionen fast täglich, aber im Normalfall wöchentlich zu erhöhen. Am Ende war es mir dank guten Rufs ( pünktlich, gute Arbeit, etc) meinen Stellenwert und Stundenlohn so stark zu steigern, dass ich vergleichsweise ziemlich viel verdient habe.

    Zeitarbeit sozusagen mit Konkurrenzdruck zwischen den Firmen=>bessere Arbeitsbedingungen für den Zeitarbeiter. Dies war sehr sehr interessant für mich. In DE ist man vertraglich an eine Firma gebunden (meistens) – was einem ja eher zum Sklaven macht.. schön, dass sich hier etwas ändert.
    Liebe Grüße Kai