Ein Teller Nudeln mit Arbeitsrechtler Thomas Müller: Wenn das Kameradings filmt, wie die Arzthelferin durchs Bild läuft

  1. Der Datenschutz zieht hierzulande ganz erstaunliche Kreise. Da erzählt mir Thomas Müller, Arbeitsrechtler der Kanzlei Lutz Abel, von einem älteren Arzt in der Münchner Innenstadt, der aus Angst vor Einbrechern seine Praxis nachts „mit einem Kameradings“ überwachte. Wegen der Medikamente und der teuren medizinischen Geräte. Und weil es in der Nachbarschaft bereits mehrere Einbrüche gab.

 

Alldieweil der Mediziner sich mit der Technik so gar nicht auskannte, beauftragte er seine Praxismanagerin, die Videokamera am Empfangstresen abends an- und morgens wieder auszuschalten. Wenn sie als erste kommt und sobald sie geht, immer mit Blickwinkel auf die Eingangstür. So weit so gut.

 

Doch was ein Jahr lang Tag für Tag unbeanstandet und in schöner Regelmäßigkeit so ablief, brachte den überraschten Arzt dann plötzlich eines Tages vors Gericht. Warum? Weil er gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen haben sollte. Weil die Frau beim Öffnen der Praxistür und auch noch beim Betreten der Räume als erste morgens gefilmt wurde. Im Klartext: Sie lief kurz durchs Bild. Als der 72-jährige Mediziner der Arzthelferin ein Jahr später kündigte, beschwerte sie sich aber genau darüber: Ihr Arbeitgeber – der ältere Herr bar jeder Technikkenntnisse – habe ungerechtfertigte Videoaufnahmen gemacht und auf seinem Handy gespeichert.

 

 

Datenschutzverstöße schrauben Abfindungen hoch

Das ist – so ähnlich wie beim Auskunftsanspruch. Um Arbeitnehmerdatenschutz hat sich früher keiner wirklich drum geschert, vergleicht der Münchner. Doch die DSGVO gilt für jeden Unternehmer oder Selbständigen, egal wie klein sein Betrieb ist, sagt Müller. Und das nutzen Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, inzwischen oft als Möglichkeit, ihre Arbeitgeber zusätzlich unter Druck zu setzen: Mit einer Schadenersatzforderung wegen einem Verstoß gegen den Datenschutz und für einen entstandenen immateriellen Schaden. „Das läuft am Ende im Schnitt auf 2.000 bis 3.000 Euro obendrauf auf seine Abfindung heraus“, berichtet Müller.

 

Das ist bereits die zweite Chance, die die DSGVO Angestellten liefert, die sich beispielsweise im Kündigungsschutzprozess befinden und damit ihre Abfindungssumme hochschrauben. Sie machen dann gegen ihre Firma einen Auskunftsanspruch über die gespeicherten Daten zu ihrer Person geltend, der den Unternehmen einen so hohen Arbeitsaufwand einbrocken würde, dass sie lieber gleich zahlen.

 

Arbeitsintensiv wird es regelmäßig, auch wenn Börden Datenverstöße in  Unternehmen wittern, sagt Müller. Dann muss  er beim Mandanten vor Ort gucken, in welchen Datenströmen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Die Idee beim Datenschutz sei ja, dass man sie erst verarbeiten darf, wenn die Rechtsgrundlage es erlaubt. Grundsätzlich ist sie also verboten und im Einzelfall erlaubt. Und dann wird es schwierig, weil die DSGVO unbestimmte Rechtsbegriffe wie „berechtigtes Interesse“ verwendet, von denen manchmal nur der Mandant sagt, „klar habe ich ein berechtigtes Interesse“. Doch das könnten Behörden oft ganz anders sehen – und dann geht´s in die Diskussion mit Datenschutzanwälten wie ihm.

 

Bußgeld bekämpfen wollen ist ein Riesenaufwand

Müllers Fazit: Ohne ein Bußgeld rauszukommen ist ein Riesenaufwand, vor den Behörden müssen Arbeitgeber die Hosen runter lassen und erst wenn alles nackt sei, hat man die Chance, rauszukommen. Erst wenn alle Sachverhalte bis zum Bodensatz geklärt und keine Fragen mehr offen sind. Das dauere dann bis zu zwei Jahren – unter einem Jahr war noch nie ein Fall erledigt. Und dann würden Bußgeldbescheide auch immer mal aufgehoben und jeder dritte bis vierte wird nach unten korrigiert, beobachtet der Anwalt. Immerhin. Denn ein Bußgeld nochmal erhöhen, das kann eine Behörde ja auch tun.

Der oben erwähnte Arzt konnte übrigens beweisen, dass er keineswegs die Videoaufnahmen der Arzthelferin auf seinem Handy gespeichert hatte. Dazu hatte er auch viel zu wenig Ahnung von der Technik und Videofunktionen seines Handys: „Wie soll ich das schaffen, wenn ich nicht mal weiß, wie man das Kameradings bedient?“ Das nahmen ihm die Richter ab.

 

 

 

Lese-Tipp zum Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern: https://blog.wiwo.de/management/tag/anspruch-auf-auskunft-dsgvo/

 

 

 

 

 

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