Wissen Sie, was Ihre Mitarbeiter antreibt? Was ihre Geschichte ist? Sie sollten es besser

Laut Uni St. Gallen gibt es vier verschiedene Antriebsfedern für Mitarbeiter – Arbeitsorientierungen genannt. Sicher ist es eine Frage der Empathie, als Vorgesetzte so viel über seine Leute zu wissen. Wenn sich Kollegen und Teams untereinander nur die kalte Schulter zeigen, tut das dem ganzen Unternehmen nicht gut, schreibt  Marketingexpertin Sabine Hübner unten. Und wenn die Angestellten von Angst beherrscht werden, sowieso nicht.

 

So manche Chefs denken insgeheim, Mitarbeiter bekommen doch ihren Lohn, das muss doch reichen? Und: Wozu sollten Sie sich die Mühe machen, jeden Einzelnen zu ergründen und sich über dessen Arbeitshaltung, seine Motivation Gedanken machen? Der Haltung ist: Der Mitarbeiter soll funktionieren und die Klappe halten.

Das gibt´s doch heute gar nicht mehr, denken Sie? Die Haltung sei altmodisch und die habe doch heute keiner mehr? Weil doch New Work nicht nur für allgemeines Duzen sorgt, sondern aus der Company eine Familie macht. By the way: Also spätestens wenn Entlassungen fällig sind (per Du, versteht sich), wissen alle – und eben nicht nur die Betroffenen – was die Parolen tatsächlich wert sind.

 

Freiwilligkeit zweiten Grades: verschenkte Überstunden

Die Angst um Job und Existenz ist keine Ausnahme. Es gibt ein handfestes Indiz, das belegt, wie viele Menschen große Angst vor Entlassung und dem sozialen Abstieg haben. Sie verschenken deshalb sogar Jahr um Jahr – überplanmäßig – Einsatz und Leistung an ihre Arbeitgeber: Jedes Jahr leisten Angestellte in Deutschland eine riesige Zahl unbezahlter Überstunden ab, analysiert das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB): Jede zweite von 1,67 Milliarden Überstunden in 2020. Ein Geschenk an die Unternehmen in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags errechnete der Deutsche Gewerkschaftsbund. Ganz ohne Schenkungsteuer oder Sozialabgaben.

 

 

(Foto: C.Tödtmann)

 

Die Mitarbeiter verschenken also das, wofür sie sonst üblicherweise Geld bekommen. Tut man das begeistert und freiwillig? Kaum. Sie würden vermutlich die Überstunden machen, weil Deutsche auch besonders pflichtbewusst sind – aber auf die Gegenleistung großzügig zu verzichten, das ist dann doch unplausibel.

 

Die Angst der werdenden Mütter vor ihrem Arbeitgeber

Es kommt übrigens noch dicker: Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet heute, dass jede zweite werdenden Mutter unfreiwillig länger als die erlaubten 8,5 Stunden am Tag arbeitet – weil ihr Arbeitgeber das einfach von ihnen erwarte. Mehrarbeit sei die Regel – und diese Verstöße könnten Unternehmen bis zu 30.000 Euro Strafe kosten, so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Doch wo kein Kläger da kein Richter, Angst vor den Aufsichtsbehörden braucht kein Unternehmen zu haben laut DGB. Und weil sowieso die Karriere von jeder zweiten werdenden Mutter allein deshalb ausgesetzt wurde und bei zwei Drittel blockiert oder verzögert wurde.

Dass die jungen, ungebundenen Mitarbeiter ohne Unterhaltspflichten derlei Sorgen nicht plagen ist klar – sie sind ja die Begehrten und Gesuchten, die den Joker der Kündigung jederzeit spielen können. Bis sie sich das eines Tages eben doch nicht mehr leisten können.

 

Kennen sie Ihre Mitarbeiter? Deren Trigger? Sie sollten es …

Doch zurück zu den Motiven, die Mitarbeiter ansonsten antreiben – denn die sollten Vorgesetzte kennen und damit umgehen. Denn bei dem Fachkräftemangel und der Great Resignation – der neuen Kündigungslust in Deutschland –  nach den Lockdowns spielen sie mit dem Feuer: Wenn Mitarbeiter denken, schlecht behandeln lassen kann ich mich woanders auch – wenn ich da wenigstens mehr Geld bekomme. Dann wird´s jedenfalls teurer für Unternehmen.

 

Also sollten sich Unternehmen besser rechtzeitig für ihre Mitarbeiter interessieren und ausloten, findet Sabine Hübner, Marketingexpertin und Buchautorin: Denn an der Universität St. Gallen hat ein interdisziplinäres Forschungsteam vier unterschiedliche Arbeitsorientierungen definiert, schreibt sie im folgenden Gastbeitrag:

 

Ein Unternehmen, das nur um seine eigenen Geschichten kreist, kann seine Kunden nicht begeistern – und seine Teams auch nicht. Was braucht es?

 

Marketingexpertin Sabine Hübner (Foto: PR)

 

Die Service-Haltung der Unternehmen, die sich mehr für den eigenen Gründungsmythos, für die eigenen Awards, die eigenen Befindlichkeiten interessieren als für ihre Kunden, finde ich anstrengend und ignorant.

 

Empathie gegenüber Kunden ist das eine…

Denn auch hinter jedem Kunden steckt eine Geschichte. Empathie im Kundenkontakt heißt, dass Mitarbeitende die besondere Geschichte ihres Gegenübers kennenlernen und verstehen wollen – und dass sie sie nachfühlen können. Die Hilflosigkeit des älteren Herrn, wenn er ohne Onlineticket am Einlass steht. Die Trauer der Kundin an der Versicherungshotline, die nicht nur eine Schadenssumme meldet, sondern auch einen lieben Menschen verloren hat. Die Freude des jungen Kunden, wenn das lang herbeigesehnte, ganz besondere T-Shirt endlich ankommt – mit einem Überraschungsgeschenk als Entschuldigung fürs lange Warten. So weit, so klar.

… aber die Geschichte jedes einzelnen Mitarbeiters ist ebenso relevant

Was vielen Unternehmen weniger klar ist: Auch hinter jedem Mitarbeitenden steht eine Geschichte. Und diese Geschichte wirkt sich entscheidend auf das aus, was wir jetzt überall erleben: Back in the Office! Wer zu Hause niemanden hat, der freut sich jetzt auf sein Team. Wer daheim vor lauter Trotzkindertrubel keinen klaren Gedanken fasst, der braucht das Office als Oase der Ruhe.

 

Vier typische Arbeitsorientierungen

Die Geschichte hinter jedem Mitarbeitenden ist aber noch viel mehr. Oft ist sie der Schlüssel für die persönliche Motivation. Am „Institut für Customer Insight“ der Universität St. Gallen hat ein interdisziplinäres Forschungsteam vier unterschiedliche Arbeitsorientierungen definiert, die Sie sicherlich auch in Ihrem Unternehmen finden:

  • Nutzenorientierte Teammitglieder arbeiten, um ihr Leben zu finanzieren. Wissen Sie, für wie viele Menschen Ihre Mitarbeiter zu Hause die (finanzielle) Verantwortung trägt?
  • Statusorientierte Teammitglieder streben nach Anerkennung, Titeln, Macht. Haben Sie eine Idee, wie viele Generationen in der Familie Ihres Mitarbeiters genau das nicht hatten?
  • Beitragsorientierte Teammitglieder wollen Mehrwert für andere schaffen. Kennen Sie das Thema, das Ihrer Projektleiter besonders am Herzen liegt? Kennen Sie die Story dahinter?
  • Gemeinschaftsorientierte Mitarbeitende lieben das Miteinander im Team. Wissen Sie, wie viele Ihrer Mitarbeitenden zu Hause keinen Ansprechpartner haben? Oder viel zu viele?

Höchste Zeit für gegenseitiges Verständnis, Empathie und sich Freuden zu machen unter Kollegen

Wir leben in einer Krisenzeit, in der sich viele Mitarbeitende umorientieren – freiwillig oder unfreiwillig. Wir leben in einer Zeit, in der Fachkräfte vor allem in den kundennahen Bereichen fehlen. Und wir leben in einer Zeit, in der viele Mitarbeitende seit Anfang 2020 erstmals wieder in die Büros zurückkommen. Höchste Zeit, vor Ort zusammenzurücken. Service-Haltung und Empathie im Team zu leben. Sich gegenseitig zuzuhören, Verständnis füreinander zu zeigen, den Kollegen am Nachbartisch eine Freude zu machen. Es geht nicht immer nur um die Kunden. Es geht auch darum, uns selbst in einen guten Zustand zu bringen.

 

 

Lese-Tipp: Wenn Aldi plumpvertraulich duzt und Wirecard seine Mitarbeiter per Du feuert – ist das eine tolerabel, das andere nicht | Management-Blog (wiwo.de)

 

 

 

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