Sechs Fragen an Headhunterin Ulrike Wieduwilt von Russell Reynolds: Bekämen Manager Boni, wenn sie Frauen in die Vorstände befördern, ginge es viel fixer mit der Gleichstellung

Sechs Fragen an Headhunterin Ulrike Wieduwilt von Russell Reynolds, die den Unternehmen rät, sich an den viel fortschrittlicheren, anderen Ländern ein Vorbild zu nehmen. Nur mit Boni würden Manager dazu gebracht, die Geschlechtergleichstellung in der Top-Ebene zu realisieren.  

 

Ulrike Wieduwilt (Foto: C.Tödtmann)

 

Frau Wieduwilt, Sie haben einen Tipp für Unternehmen, wenn sie es ernst meinen mit der Gleichstellung der Frauen: Sie sollten den Männern Boni dafür geben, damit sie Frauen befördern.

Die Methode hat sich jedenfalls im Ausland schon bewährt. Dann geht es mit der Gleichstellung fixer – und Deutschland steht ja im Vergleich zu anderen Ländern ganz weit hinten. Bislang ist dieser Anreiz hierzulande unüblich, aber er würde vermutlich wirken.

 

Das wirft kein besonders gutes Licht auf die Top-Manager. Unternehmen hatten schließlich 20 Jahre lang – seit ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung zur Gleichstellung – lange Zeit ausreichend Gelegenheit, genügend Frauen in ihre Vorstände zu holen. An gut ausgebildeten Frauen mangelt es jedenfalls nicht. Sie sagen, die Unternehmen haben die Latte vielleicht selbst zu hoch gelegt. Wie meinen Sie das genau?

Wenn Unternehmen ihre Personalberater beauftragen, legen sie ein Briefing fest mit den Voraussetzungen, die die Kandidaten erfüllen sollen. In 90 Prozent der Fälle verlangen Auftraggeber auch weibliche Kandidaten für die Short List. Fordern sie dabei aber gleichzeitig, dass nur Frauen in die Endrunde kommen, die bereits Vorstand in Deutschland woanders sind, verkleinert man damit die Auswahl von 100 auf fünf. Dabei gibt es in der Ebene darunter genug kompetente Frauen. Hätten die Unternehmen die gesuchten Kompetenzen vorgegeben, hätten sie immer genug Frauen zur Auswahl haben können. Die Kompetenzen wären Führungsfähigkeit, strategisches Geschick, Ergebnisorientierung oder Kommunikationsfähigkeit über alle Ebenen. Wer danach sucht, findet genug Managerinnen. Aber selbst Frauen hoch zu befördern, dazu fehlte der Mut, sie wollten kein Risiko eingehen. Kein Mann will seine bis dahin erfolgreiche Karriere beschädigen mit einem Missgriff, einer misslungenen Beförderung einer Frau.

 

Würden Sie bitte den Vergleich, eine Schätzung, wagen: In wieviel Fällen werden Männer in den Vorstand hoch befördert und wie oft sind sie bereits bei einem anderen Arbeitgeber auf dieser Ebene angekommen? Oder andersherum: Geben Unternehmen männlichen Vorstandskandidaten viel öfter und leichteren Herzens die Chance, sich auf der nächsten Karrierestufe im Vorstand zu bewähren? Befördern ihn also aus dem Prinzip Hoffnung heraus, ohne zu wissen, ob er es kann? Wo sie dieselbe Chance Frauen nicht geben, sondern gleich nur die nehmen, der andere bereits den Aufstieg auf die Vorstandsebene ermöglicht haben?

Es ist paradoxerweise der Wunsch, alles richtig zu machen, der das Richtige in vielen Fällen verhindern kann. Meist geben Unternehmen den männlichen Vorstandskandidaten mehr oder weniger automatisch den Vorzug. Leider. Das hat ganz unterschiedliche Gründe, aber sehr oft ist ein solcher Automatismus eine sichere Entscheidung. Damit liegt man richtig, weil es schon immer so war. Und Sicherheit steht in Deutschland nun mal sehr hoch im Kurs. Doch diese Art individuellen Absicherungsdenkens verhindert definitiv den unternehmerischen und gesellschaftlichen Fortschritt: Gemischte Teams sind erwiesenermaßen deutlich erfolgreicher, und in einer modernen und freiheitlichen Gesellschaft lässt es sich nicht begründen, dass Männer gegenüber Frauen zu bevorzugen sind. Wir brauchen den – vorurteilsfreien – Blick auf die Potenziale der Menschen – von Männern wie von Frauen.

 

…. ganz abgesehen vom Scheidungsrecht, dass davon ausgeht, dass Frauen ihren eigenen Unterhalt selbst verdienen müssen. Wie begründen es die Unternehmen Ihnen gegenüber, wenn sie Kandidatinnen ablehnen?

Wie oft habe ich schon gehört, dass eine Kandidatin erst „in drei bis vier Jahren“ reif sei für den Vorstand. Ich frage dann immer: „Wann ist denn in drei bis vier Jahren“? Schließlich muss man ja auch niemand ins kalte Wasser schmeißen, dafür gibt es spezielle Vorstands-Coachings. Aber eine einzelne Frau in einem Vorstand unter lauter Männern, bringt noch nichts. Die wird als Exot gesehen und im Zweifel von den wichtigsten Entscheidungen ferngehalten. Eine Frau alleine muss schwer kämpfen, die zweite sieht man sofort im Vergleich: Der Exotenstatus ist auch bei zwei Frauen im Vorstand oder in der Geschäftsführung noch nicht automatisch aufgehoben. Erst, wenn es drei Frauen werden, normalisiert sich sehr vieles.

 

Erklären Sie das bitte genauer.

Es gibt wissenschaftliche Studien, die belegen, dass erst ab einem Drittel Frauen in so einem Gremium oder auf einer Karriereebene Frauen als normal angesehen und so behandelt werden. Noch bei 25 Prozent werden sie stigmatisiert. Drei Vorständinnen gibt es aber erst in einem einzigen Dax-Unternehmen, bei der Allianz.

 

Was können Frauen auf dem Karrierepfad jetzt besser machen?

Sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie entdeckt werden. Nicht mehr zu glauben, dass sie bei guter Arbeit eines Tages belohnt werden mit einer Beförderung. Viele Frauen sind superfleißig, haben aber nie gelernt, sich selbst zu vermarkten. Aber das lässt sich lernen – und viele Frauen, die ich kenne, lernen sehr schnell.

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Ulrike Widuwilt hat absolut recht!
    Und eines sei noch angemerkt: auch Frauen, die schon jahrelang Vorstandspositionen innehaben oder hatten, werden, anders als ihre männlichen Kollegen, nicht priorisiert auf die Shortlist mit potentiellen Vorstandskandidaten gesetzt. Auch das ist ein Phänomen: sie müssen sich erneut ins Spiel bringen bzw beweisen.
    Ein “ Willkommen im Club“ ist vorwiegend den männlichen Kollegen vorbehalten.