Coronavirus: Wenn Kollegen weiter in die Gegend niesen. Rechtstipps von Arbeitsrechtler Jacob Keyl von Baker Tilly.

Das erste Arbeitsgericht beschäftigte sich schon mit dem Coronavrus: Wegen eines Antrags auf einstweilige Verfügung. Aktiv geworden war der Betriebsrat der Berliner Duty-Free-Shops in den Flughäfen Tegel und Schönefeld. Die Mitarbeiter wollten sich vor Ansteckung im Flughafen schützen mit Handschuhen und Mundschutz – was dem Arbeitgeber gegen den Strich ging. Der Betriebsrat war jedenfalls gar nicht erst gefragt worden und das der Fehler, so die Berliner Richter. Das Ende vom Lied: Die Duty-Free-Shop-Mitarbeiter dürfen sich jetzt durchaus mit Mundschutz und Handschuhen schützen.

Gerade die Detailfragen sind im Arbeitsalltag völlig ungeklärt. Deshalb beantwortet Arbeitsrechtler Jacob Keyl von der Kanzlei Baker Tilly einige praxisrelevante Fragen:

 

Jacob Keyl (Foto: Baker Tilly)

 

Der Chef darf und sollte fragen – hat aber kein Recht auf Antwort

Ein Geschäftsführer beziehungsweise der jeweilige Vorgesetzte kann seine Angestellten bitten, ihn zu informieren, ob sie gerade eine Reise in ein Risikogebiet wie Norditalien oder China hinter sich haben. Schweigt der Mitarbeiter darüber und besteht ein begründeter Verdacht (entweder dahingehend, dass der Mitarbeiter in einem Risikogebiet war oder dass er Krankheitssymptome zeigt), kann der Arbeitgeber ihn freistellen, muss aber den Lohn weiter zahlen.

 

Mobiles Arbeiten oder Home Office darf die Company nicht einfach anordnen 

Gibt es eine Betriebsvereinbarung oder eine Regelung dazu im Arbeitsvertrag, dass der Mitarbeiter auch im Homeoffice arbeitet, kann der Chef den Arbeitnehmer dorthin schicken und so die Inkubationszeit überbrücken. Gibt es keine Vereinbarung, kann er den Arbeitnehmer nur freistellen. Dann hat derjenige quasi Betretungsverbot seiner Firma, bekommt aber sein Gehalt weiter.

 

Unternehmen müssen Fürsorge für Mitarbeiter betreiben: Mit Verboten und Desinfektionsmitteln

Unternehmen müssen jetzt wegen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern präventive Gesundheitsvorsorge betreiben: Dies kann vom Verbot, Hände zu schütteln, über Bereitstellen von Desinfektionsmittel bis zur Anordnung gehen, statt der Bahn oder dem Flugzeug den Dienstwagen oder einen Leihwagen zu nutzen. Schließlich kann der Chef auch Pausenräume oder die Betriebskantine schließen.

Wenn nun ein Kollege im Großraumbüro renitent ist und nicht mal in die Armbeuge hineinniesen möchte, können die anderen Mitarbeiter den Chef auf seine Pflicht zur Gesundheitsvorsorge hinweisen. Die Kollegen können aber nicht verlangen, dass der Chef dem rücksichtslosen Niesenden eine Abmahnung erteilt.

 

Was ist, wenn sich der Abteilungsleiter in einem internationalen  Beratungsunternehmen nicht traut, eine chinesische Mitarbeiterin – die grade in ihrer Heimat war – zu bitten, ob sie vorsichtshalber mobil oder im Home Office arbeiten kann? Wenn er einfach aussitzt? Und die Kollegen fassungslos zuschauen?

Die Kollegen können ihn darauf hinweisen, dass er die Pflicht zur präventiven Gesundheitsvorsorge hat und dass er klären solle, ob mit der Frau eine Vereinbarung über mobiles Arbeiten oder Home Office besteht, um sie sicherheitshalber heim zu schicken.

 

Wenn der Unternehmenslenker alle nötigen Hygiene-Maßnahmen ergriffen hat, darf er dann seine Mitarbeiter zwingen, an Konferenzen in dicht besetzten oder gar überfüllten Räumen teilzunehmen?

Nicht, wenn ein Arbeitnehmer besonders gefährdet ist und er das auch bekanntgegeben hat. Das betrifft beispielsweise Menschen mit Lungenproblemen oder schwachem Immunsystem nach einer Chemotherapie. Die wird der Arbeitgeber nicht verpflichten können, teilzunehmen.

 

Eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat laut Regionalpresse seinen Mitarbeitern am Empfang ein Redeverbot über den Corona-Fall in ihrem Haus erteilt. Ist das zulässig?

Ich rate Unternehmensmandanten zu Transparenz gegenüber Arbeitnehmern und dem Betriebsrat, um Vertrauen für die getroffenen und geplanten Maßnahmen zu schaffen. Aber im Grundsatz kann ein Krankheitsfall in einem Unternehmen kein Geschäftsgeheimnis sein, worüber Mitarbeiter schweigen müssen.

 

Kann man sich als besonders Gefährdeter weigern, sich in ein Großraumbüro zu setzen und auf mobiles Arbeiten oder ein Einzelzimmer zu bestehen?

Wer als sehr gefährdeter Mensch seinen Arbeitgeber auf seine besonderen Gefahren hinweist, den muss die Firma auch besonders schützen. Sie muss diese Gefahren ernst nehmen und nach machbaren Wegen suchen und mindestens einen größeren Abstand untereinander im Großraumbüro ermöglichen.

 

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