Schnittstellen zwischen Kunden, Herstellern und Händlern funktionieren nicht
Mit der Digitalisierung im Automarkt ist es nicht so weit her. An den digitalen Schnittstellen zwischen Kunden, Hersteller und Händlern hapert es gewaltig. Da reden die Digitalchefs der Autohersteller von digitalen Mobilitätskonzernen, künstlicher Intelligenz und vom autonomen Fahren, doch einstweilen haben die meisten nicht mal ihr digitales Kundenangebot in Griff: die Fahrzeugkonfiguration samt Übergabe an die Händler und Vereinbaren einer Probefahrt.
Ein selbstverständlicher Vorgang, der an sich unkompliziert ist, doch tatsächlich ein „steiniger, holpriger Weg und alles andere als reibungslos“, so das Ergebnis einer Untersuchung der Unternehmensberatung Benchex mit der Pricingberatung Roll & Pastuch, die spezialisiert ist auf Preis- und Vertriebsmanagement. Die Beratungen untersuchten 23 Top-Automarken aus dem Premiumsegment – beispielsweise Porsche, Tesla, BMW oder Audi – sowie Volumenhersteller wie Dacia, Fiat oder Kia und zwar im Januar und Februar 2018.
Bei Audi, Mercedes, VW und Opel klappt das Online-Konfigurieren und die Händler-Koordinierung am besten

Gregor Buchwald, Geschäftsführer bei Roll & Pastuch (Foto: Roll & Pastuch)
Untersucht wurde konkret, wie gut Kunden beim Zusammenstellung Ihres Wunschautos durch die Online-Fahrzeugkonfiguratoren unterstützt werden und wie reibungslos die Übergabe der Wunschkonfiguration an die Autohäuser verläuft. Am besten schnitt Audi gefolgt von Mercedes, VW und Opel ab.
Überprüft wurde, ob die Wunsch-Konfiguration an Händler übergeben wurde und ob der den Kaufprozess dann – mit dem Wissen um das genaue Wunschfahrzeug – vorantreibt. Denn er erhält die Kontaktdaten des Interessenten samt genauem Fahrzeugwunsch und kann den Verkaufsprozess professionell übernehmen von der Probefahrt über die Beratung bis zum Finanzierungsangebot.
Nur zehn von 23 Automarken schaffen den Service einigermaßen
Kann, wohlgemerkt, denn nur zehn der 23 Automarken schaffen diesen Service tatsächlich mehr oder weniger reibungslos. In den anderen 13 Fällen müssen Kaufinteressenten erneut die Informationen zu ihrem Wunschfahrzeug angeben. Der Händler muss bei seinem Verkaufsgespräch bei Null anfangen.
Drei Marken interessieren sich gar nicht für Kunden
Alarmierend: Bei drei Marken nahm kein Händler mit dem Kaufinteressenten auch nur Kontakt auf. In einem Fall versickerte die Anfrage schlicht, im zweiten Fall hakte die Zentrale nach Wochen nach und erkundigt sich nach dem Stand der Dinge. Im dritten Fall dauert es zwei Monate, bis sich jemand um die Kontaktanfrage kümmerte. Aus Kundensicht unverständlich angesichts der hohen Investitionssumme und dem handfesten Kaufinteresse.

Christoph Krauss, Geschäftsführer bei Benchex (Foto: Benchex)
Chatfunktionen Fehlanzeige
Die Untersuchung weiter: Wo Chat-Funktionen – zum Beispiel beim Fashion-Onlinehandel – sofort Fragen klären oder Hilfe geben bei der Auswahl mit Funktionen wie „Andere Kunden haben gekauft“, sind diese bei der Auto-Auswahl die Ausnahme. Nur vier von 23 Marken bieten solche Funktionen.
Die Mängelliste der Konfigurationen ist lang:
– teilweise komplizierte Bedienung, bei der man erst einmal Zusatzsoftware installieren muss
– fehlende und fehlerhafte Funktionen wie:
* keine Rundumsicht des Autos mit der Wunschkonfiguration und Farbe,
* fehlende Chat-Funktion mit Kundenservice,
* keine Ansicht über Virtual Reality
* keine Speicherfunktion der erstellten Konfiguration
– Probleme beim Übertragen / Versand der Wunschkonfiguration an einen Händler nach Wahl
– Nach Übermittlung der Konfiguration kommt das Angebot einer Probefahrt bei vielen Automarken erst nach einer Woche – oder bei manchen nie
– Kunden verlieren viel Zeit: Bis zu 40 Minuten kann die Konfiguration und der Bestellprozess dauern
Die Untersuchungs-Methode: Die vier Erfolgsfaktoren Visualisierung und Emotionalisierung, Technische Funktionalität, Services und Usability und nahtlose Übergabe an den Händler wurden mit 31 Einzelkriterien erhoben und zu einem gewichteten Index verdichtet. Untersucht wurden 23 Top Automarken, sowohl aus dem Premiumsegment beispielsweise Porsche, Tesla, BMW oder Audi als auch Volumenhersteller wie Dacia, Fiat oder Kia. Der Untersuchungszeitraum war Januar bis Februar 2018.
Und was hat das mit Digitalisierung zu tun?
Konfiguratoren gibt es seit knapp 20 Jahren…der Prozess von analog zu digital ist somit seit 2 Jahrzehnten abgeschlossen.
Wir fassen die Digitalisierung als kontinuierlichen Prozess und nicht als einmaliges Projekt auf – gerade die Banken können ein Lied davon singen, da digitale Prozesse zwar früh eingeführt, aber nicht konsequent modernisiert wurden (siehe zum Beispiel https://www.wiwo.de/unternehmen/banken/dick-und-analog-warum-sich-die-commerzbank-mit-der-digitalisierung-schwertut/21099588.html).
Auch nach initialer Einführung digitaler Fahrzeugkonfiguratoren vor 20 Jahren sollten diese Schritt halten mit den Erwartungen und Erfahrungen der Konsumenten sowie den technischen Möglichkeiten. Sonst würde man zum Beispiel keinen einzigen mobilefähigen Konfigurator finden, da es diese Technologie damals noch nicht gab.
Das gilt insbesondere dann, wenn ein digitaler Prozess (wie die Konfiguration eines Wunschautos) bei der Übergabe an den Handel abbricht oder nur durch Work-Arounds fortgesetzt werden kann – zu Lasten der Kunden. Aus Sicht der Konsumenten ist das nicht wünschenswert.
Die Innovationsgeschwindigkeit wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich erhöhen, die Erfahrungen der Kunden und somit ihre Erwartungen an das digitale Angebot von Marken ändern sich entsprechend, so dass wir nicht sehen, dass die Digitalisierung in irgendeinem Bereich in absehbarer Zukunft tatsächlich abgeschlossen sein wird.