Die Schauspieltricks, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter bluffen – Gastbeitrag Arbeitsrechtler Alexander Haasler

Wenn die Manager Mitarbeiter zum Weggehen bewegen wollen, um ihre eigenen Prämien zu steigern, ist die moderne Strategie der Bluff. Arbeitsrechtler Alexander Haasler von der Kanzlei Abeln zeigt, wie´s geht.  

 

Haasler

 

Man sagt Restrukturierung und meint Mitarbeiter-Rauskegeln

Restrukturierungen heißen oft nur so. Tatsächlich meinen die Unternehmen damit meist Mitarbeiter-Rauskegeln: Offen samt betriebsbedingten Kündigungen und Sozialplan samt Addieren von Sozialpunkten für Unterhaltspflichten und Angehörigkeit. Oder verdeckt und ohne soziale Rücksichten, bestenfalls mit einer Abfindung. Deutsche Bank, Berliner Bank, Ergo oder Generali-Versicherung sind nur einige der Unternehmen, die gerade Mitarbeiter abschütteln und deren Akten sich bei mir stapeln.

Traditionell arbeiten Unternehmen – und allen voran die Banken – in solchen Phasen mit Kniffen und echten Taschenspieler-Tricks. Von denen sollten betroffene Mitarbeiter sich aber keinesfalls bluffen lassen.

Auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers können Mitarbeiter in dieser Situation nicht zählen.

 

Gelernte Bluffs

Vorgesetzte und Personaler lernen diese Methoden auf Seminaren und wenden sie dann in Serie an. Dem einzelnen Mitarbeiter widerfahren diese demütigenden Vorgehensweisen aber zum ersten Mal, die Situation ist für ihn neu. Zumal: Er steht meist alleine da, durchschaut die Bluffs nicht und macht sich Sorgen um seine Existenz. Er nimmt die Aussagen des Unternehmens ernst, glaubt seinen Vorgesetzten und verliert über die gezielten Erniedrigungen sein Selbstbewusstsein. Was er gar nicht bräuchte, wenn er klaren Kopf bewahrt.

Die Klaviatur des Mitarbeiter-Vergraulens ist variantenreich und zum Einsatz kommen meistens mehrere Vorgehensweisen gleichzeitig – oder bei manchen Mitarbeitern auch nacheinander.

 

Dies sind die typischen Verhaltensweisen:

– Das Unternehmen bietet Mitarbeitern Aufhebungsverträge mit Abfindungen an, in der Hoffnung, sie gehen – gelockt vom schnellen Geld – selbst.

– Die Firma versetzt Mitarbeiter in Projekte ohne Zukunft oder auf Stellen, die dann einige Monate später wegrationalisiert werden.

– Die Taktik: Im Personalgespräch, in dem eine Abfindung angeboten wird, reden die Vorgesetzten die Vorjahresergebnisse schlecht. Desillusioniert – und womöglich gezielt getäuscht – unterschreiben viele Mitarbeiter dann schnell einen Aufhebungsvertrag oder suchen sich selbst etwas Neues.

– Die Unternehmensleitung wie die Führungskräfte kommunizieren fast gar nicht. Dann verteilen sie die zukünftigen Stellen nach Gutdünken und auf einmal stehen Mitarbeiter ohne konkrete Aufgabe und Perspektive da. Auch die unterschreiben aus Frust schnell Aufhebungsvereinbarungen.

– In der Praxis stellen Unternehmen einzelne Mitarbeiter auch öfter einseitig frei: Dann schicken sie die Angestellten beispielsweise für drei Wochen nach Hause, damit er alles in Ruhe überdenken könne. Und ohne ihm zu sagen, wie es weiter gehen soll, wenn er nicht weichen will. Das Ziel ist: er soll zermürbt werden, vereinzelt, von seinem Team schon mal isoliert, vom Markt genommen und entwöhnt werden von seinem Schreibtisch sowie den Kollegen. Diese Freistellungen sind ein Indiz für Schikane, sind meist unwirksam und couragierte Arbeitsrechtsanwälte bekämpfen sie unverzüglich mit einer einstweiligen Verfügung. Denn für solche Freistellungen brauchen Unternehmer sehr gute Gründe. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Beschäftigung.

 

Zu den Tricks zum Täuschen, die Führungskräfte für diese Situation lernen, gehören diese:

Der Bewerben-Sie-sich-nochmal-um-Ihre-eigene-Stelle-Trick

Die Hilferufe unserer Mandanten gehen in dem Fall so: „Gestern habe ich einen Anruf von meinem Chef bekommen. Er sagte, dass meine Stelle neu ausgeschrieben wird und ich mich darauf bewerben müsste.“

 

Schmierenkomödie I.Akt: Für den eigenen Job angeblich ungeeignet?

Doch die Lage ist glasklar: Es gibt keine Pflicht, sich auf seinen bisherigen Job neu zu bewerben. Auch dann nicht, wenn der Chef es verlangt.

Eine andere Frage ist, ob man sich aus strategischen Gründen bewerben sollte. Die Antwort hängt davon ab, ob der Mitarbeiter schon auf der internen Abschussliste steht. Wenn ja, hat eine Bewerbung keinen Sinn. Allenfalls bekommt man eine schriftliche Ablehnung mit der überraschenden Auskunft, dass man für den Job, den man vielleicht fünf bis zehn Jahre gemacht hat, nun plötzlich nicht mehr geeignet sei.

 

Schmierenkomödie II.Akt: Aufgaben entziehen, ganz andere zuweisen

Entzieht der Chef dann – das ist der zweite Akt der Schmierenkomödie – später Aufgaben oder weist ganz andere Aufgaben zu, die vielleicht nicht mehr zum Arbeitsvertrag passen oder nicht mehr gleichwertig sind, kann es sich – juristisch eingeordnet – tatsächlich um eine rechtswidrige Versetzung handeln.

Gegen diese sollte sich ein Mitarbeiter immer zur Wehr setzen.

Die gute Nachricht lautet hier: Diese Situation bietet auch Chancen. Denn in der Zwischenzeit kann er erstens gute Verhandlungen über andere Jobs, formal Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten genannt, in anderen Abteilungen führen. Oder er verhandelt einen Aufhebungsvertrag – auch dabei ist gute Taktik am Ende bares Geld wert.

 

Schmierenkomödie III.Akt: Der Mitarbeiter-zu-Schlechteistern-abstempeln-Trick

Ähnlich sieht es bei angeblichen Schlechtleistungen aus. Wirft der Vorgesetzte dem Mitarbeiter diese bei Umstrukturierungen plötzlich vor, sollte er nicht so schnell aufgeben.

Erste Gegenwehr-Strategie: Er sollte die Begründung für den Schlechtleistungs-Vorwurf schriftlich einfordern. Dann bekommt er die Chance, selbst eine Gegen-Stellungnahme abzugeben.

Das Problem: Oft hat ein Mitarbeiter keinen Einblick in die Unternehmenszahlen oder die Bewertungskriterien. Dann kann er auf eine konkrete Begründung und einen Berechnungsnachweis bestehen.

Oft geben die Vorgesetzten aber auch sogenannte weiche Ziele wie das Erhöhen der Kommunikation oder mehr Teamarbeit vor, deren Bestätigung allein vom guten Willen des Vorgesetzten abhängen.

Tipp:  Auch die subjektive Bewertung von weichen Zielen muss in sich schlüssig sein. Je nachdem, wie die Zielvereinbarung formuliert ist, kann der Mitarbeiter sogar einen echten Auskunftsanspruch haben.

 

Am besten mit Kollegen vergleichen

Wer sich mit Kollegen vergleichen kann, hat Vorteile: Es kommt vor, dass der Arbeitgeber behauptet, dass vergleichbare Mitarbeiter mit gleichen Zielvorgaben unterschiedliche Ergebnisse erreicht haben sollen. Wer in den Vorjahren aber seine Ziele stets erfüllt oder gar übererfüllt hat, dann spricht viel dafür, dass an der vorgeblichen Ziel-Berechnung des Unternehmens etwas nicht stimmt.

Was man Unternehmen gar nicht durchgehen lassen sollte, ist diese Dreistigkeit, die sich eine Versicherung mit einem Arbeitnehmer erlaubte: Sie hatte ihm in die Zielvereinbarung hinein geschrieben: „Suchen Sie sich einen neuen Job.“

 

Schmierenkomödie IV.Akt: Die Abfindungssumme runterrechnen

Manche Unternehmen versuchen zu tricksen, wenn es ans Auszahlen der Abfindung geht. Dann berücksichtigen sie plötzlich die Kündigungsfristen und ziehen mehrere Monatsgehälter wieder ab. Das sollte man sich ebenso keinesfalls gefallen lassen und auf Auszahlung der vollen Abfindung bestehen. Denn die Abfindung ist die eine Sache und hat mit der Lohnzahlungspflicht nichts zu tun. Wer nicht aufpasst, dem gehen schnell erkleckliche Summen durch die Lappen.

 

Auf die Redlichkeit des Arbeitgebers kann ein Mitarbeiter jetzt nicht vertrauen

Wichtig ist, in dieser Extremsituation nicht arbeitgebergläubig zu sein, sondern alles kritisch zu prüfen. Nur so können die Betroffenen sicher sein, dass sie sich nicht unter Wert verkaufen.

 

Alexander Haasler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Kanzlei Abeln und vertritt bundesweit Leitenden Angestellten, Geschäftsführern und Vorständen. Er ist Mitautor des „Handbuchs für Führungskräfte“.

 

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Alle Kommentare [5]

  1. Wirklich sehr gut zusammengefasst! Häufig kommt noch eine “ Kopfprämie“ für erreichte Einsparziele als Bonus für die Vorgesetztenlinie ähnlich eines Schneeballsystems dazu. Hierbei sind persönliche Ziele und Bereichsziele mit entsprechenden wirtschl.Kennzahlen vereinbart.

  2. Sehr gute Auflistung von Unternehmenstricks. Aus 20 Jahren Abfindungsberatung könnte ich auch noch einige beisteuern: Beispielsweise Kündigung mit „Regelabfindung“ (0,5 Monatsgehälter je Jahr der Betriebszugehörigkeit) oder Abfindung nach Sozialplan anbieten – kurz vor Ende des Entscheidungstermins ein „lukratives Angebot“ für eine Weiterbeschäftigung in einem „anspruchsvollen Projekt“, „leider“ allerdings mit neuem Vertrag und „Chance“ auf spätere Übernahme nach der Krise – nach Auslaufen des befristeten Vertrages von wenigen Monaten ordentliche Kündigung mit „Regelabfindung“ bezogen auf die Laufzeit des Projektes und ohne Anspruch auf Sozialplanabfindung – die gab es ja nur im ursprünglichen Fall…

  3. Wow! Ein interessanter Einblick in Unternehmens- und Manager-Strategien. Ich habe schonmal über dieses Thema mit meinem Vorgesetzten (bin Teil eines Bahnunternehmens) gesprochen. Es ging um Manipulation von Angestellten in alltäglichen Situationen, um sie für das Wohl der Firma auszunutzen. Man versicherte mir aber, dass dies von der Chefetage strikt abgelehnt und nicht als Strategie vermittelt wird.

  4. Unser Betrieb wird derzeit umstrukturiert und es läuft ein freiwilliges Abfindungsprogramm um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Da die Qualität leidet wurde eine neue Stelle ausgeschrieben. Kann der Arbeitgeber kurzfristig diese stelle wieder streichen um damit den Neuen Mitarbeiter loszuwerden und was kann man dagegen unternehmen oder dem vorbeugen oder wäre es besser sich nicht darauf zu bewerben? Mfg

  5. @Mathias:
    Ein freiwilliges Abfindungsprogramm ist schon einmal besser als ein „aufgezwungenes“. Das heißt, man ist in Ihrem Unternehmen an der nachhaltigen Fortführung interessiert. Bei aller Euphorie wird aber gern vergessen, dass wahrscheinlich Leistungsträger oder gut ausgebildete Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter von diesen Programmen Gebrauch machen, was dann wiederum langfristig schädlich sein kann.
    Der AG kann eine neu geschaffene Stelle natürlich wieder streichen. Es fragt sich dann, wie er eine solche Kündigung begründen wird, wenn Kündigungsschutz besteht. Das heißt aber nicht, dass eine Bewerbung nicht lohnen kann. Gegebenenfalls kann mit dem Arbeitgeber verhandelt werden, dass die Stelle solange übernommen wird, wie die Qualitätssicherung gebraucht wird, also zeitweise. Danach kehrt man wieder auf die alte Stelle zurück. Es gibt hier sicherlich viele Möglichkeiten, etwas Sicherheit zu erhalten.