Fachkräfterekrutierung: Wozu horten Unternehmen hunderte von Bewerbungen statt gleich den richtigen Kandidaten zu suchen? (Gastbeitrag)

Fachkräfte-Rekrutierung:

Welche Bewerber brauchen wir – statt möglichst viele und dann schaun wir mal, fordert Frank Schabel vom Personaldienstleister Hays

Frank Schabel, Hays

Frank Schabel, Hays

 

 

Dass es der deutschen Volkswirtschaft an Fachkräften mangelt, wird seit Jahren gejammert. Nur leider viel zu selten differenziert.

 

Denn dann  würde man schneller eine Ahnung davon bekommen, warum das Schrotflintenprinzip, also die hochglänzenden Stellenbeschreibungen über möglichst viele Medienkanäle zu verbreiten  – in der Hoffnung, jemand könnte sich dafür interessieren – immer weniger greifen.

Immer neue Zahlen mit vielen Nullen zum Fachkräftemangel lassen die Not der Unternehmen offenbar so groß werden, dass die Schrotflinte das Mittel der Wahl zu sein scheint. Den idealen Mitarbeiter über Printanzeigen, Jobportale, Facebook und Personaldienstleister parallel suchen, irgendwo wird er schon zu finden sein.

 

Nur: Die Unternehmen merken nicht, dass sie damit alles nur noch schlimmer machen, für sich und den Bewerber.

 

 

Allgemeinplätze statt Arbeitsplatz-Charme

 

Das zeigt sich auf zwei Ebenen:  Viele Unternehmen setzen ihre Positionsbeschreibungen – bewusst oder unbewusst – sehr unpräzise und vage auf. Und verfolgen damit das Ziel, möglichst viele potenzielle Bewerber anzusprechen, um dann genügend Auswahl vorrätig zu haben, um den Besten der Besten herauszufischen. Schrotflinte eben. Die gesamte Klaviatur erfolgversprechender Rekrutierungskanäle wird dann gespielt – rauf und runter.

 

Die Folge: erhöhte Administration, denn irgendjemand muss sich schließlich um die ganzen Absagen und Anschreiben für den Initiativpool kümmern. Ganz zu schweigen von der Investition in die Medienkanäle ohne nennenswerte Ausbeute des richtigen Kandidaten.

 

 

Die Qual der Auswahl – hausgemacht und unnütz

 

Spätestens dann sollten die suchenden Unternehmen doch die Reißleine ziehen und sich fragen: Masse statt Klasse? Oder doch besser die Individualansprache? Schließlich geht es doch um das Auffinden des einen, der genau zur Position und zur Unternehmenskultur passt. Jemand, der sich gut ins Team integriert und Persönlichkeit hat. Kein Unternehmen möchte Fachkräfte, die jederzeit austauschbar sind. Warum also nicht genau mit dieser Einstellung auch rekrutieren?

 

 

Klare Ansagen statt vager Formulierungen

 

Das geht damit los, die Stellenanzeige gleich mit einer klaren Ansage zu versehen, wer genau gefragt ist. Danach geht es dann um die Frage, wie diese Wunsch-Kandidaten überhaupt zu finden sind.

 

 

Zürcher Verkehrsbetriebe: Videos vom konkreten Job

 

Ein tolles Beispiel dazu liefert Jörg Buckmann von den Zürcher Verkehrsbetrieben. Er arbeitet mit Videos, um Interessenten möglichst anschaulich zu demonstrieren, wie ihr möglicher Arbeitsplatz konkret aussieht und wer der direkte Vorgesetzte ist. Das ist viel informativer und emotionaler, als jeder Stellenanzeigen-Text es je sein könnte. Auch die Eigenwerbung, die Kandidaten per Anzeige meist gleich ins Auge springt, wird bei diesem Beispiel durch Authentizität abgelöst.

 

 

Unerlässliche Analyse: Wen erreicht man am besten wie und wo?

 

Kommen wir zum Medienkanal: auch hier gilt, wer den richtigen Weg einschlagen will, muss zunächst analysieren, wo der Wunschkandidat am ehesten zu finden sein könnte. Über die regionale Tageszeitung, weil Finanzspezialisten noch auf Print setzen? Oder über Facebook, weil der gesuchte Marketer eine hohe Affinität zu Social Media haben sollte? Oder über Empfehlungen von Kollegen, weil viele von ihnen über die Unternehmensgrenzen hinweg vernetzt sind und passende Kandidaten direkt ansprechen können. Im Kampf um die klügsten Köpfe und geschicktesten Hände wird es schon bald keine Auswahl mehr geben.

 

 

Sie sind Bittsteller und wir geben Arbeit – die Haltung ist bald passe´

 

Umdenken auf ganzer Linie ist angesagt: Unternehmen müssen lernen, auf die Fachkräfte zuzugehen und ihnen in ihren Arbeitsbedürfnissen entgegenkommen. Sie können es sich nicht mehr lange leisten, eine Rekrutierungs-Haltung an den Tag zu legen, die auf Auswahl und Bittstellertum basiert.

 

Damit nicht viele, aber die passenden Bewerbungen ins Haus flattern, heißt es künftig: was will der Bewerber?

 

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Alle Kommentare [3]

  1. Nicht länger hinnehmen, dass es so lange dauert, eine Stelle mit dem Richtigen / der Richtigen zu besetzen und in der Zwischenzeit Projekte nicht realisieren können somit Umsätze nicht realisieren können und die Kernbelegschaft sich überarbeiten lassen – sondern einfach das Hybridmodell nutzen: Feste Mitarbeiter als Kernbelegschaft + Freelancer für zeitlich befristeten Einsatz auf Top-Niveau“. Wer mehr Infos zu unserem neu erschienen Whitepaper möchte, schaue gerne hier: https://bit.ly/fachkraeftemangel-ade-projektwerk

  2. Toller Artikel! Um dem demografisch bedingten Rückgang der Erwerbsbevölkerung entgegenzuwirken, sind mehrere Lösungsansätze denkbar: Der frühere Eintritt in das Erwerbsleben, der spätere Austritt aus der Erwerbsphase, eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit sowie der Zuzug von ausländischen Arbeitskräften.

  3. Deutschland leidet aufgrund des demographischen Wandels an Fachkräftemangel und benötigt mehr Migration und Inklusion qualifizierter Zuwanderer.