Gastbeitrag Arno Frings: Diskriminierungsvorwürfe als Bumerang

Falscher Diskriminierungsvorwürfe können für Mitarbeiter zum Bumerang werden – und die fristlose Kündigung nach sich ziehen. Gastbeitrag von Arbeitsrechtler Arno Frings, Partner bei Orrick, Herrington & Sutcliffe.

Arno Frings, Arbeitsrechtler bei Orrick Herrington & Sutcliffe

Arno Frings, Arbeitsrechtler bei Orrick Herrington & Sutcliffe

Die Situation ist viele Arbeitgebern schon passiert: Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung, etwa im Streit um eine Kündigung und vor Gericht, führt der Mitarbeiter plötzlich Mobbing- oder Diskriminierungsvorwürfe zu Felde.

In einigen Fällen mögen solche Vorwürfe gerechtfertigt sein, oft sind derlei Behauptungen jedoch ersichtlich übertrieben oder gar konstruiert. Die Vergleichsbereitschaft mancher Arbeitgeber nimmt merklich zu, wenn aufgrund der Vorwürfe langwierige interne Ermittlungen und sonstige Compliance-Probleme drohen.

 

Bemerkenswertes Urteil aus Berlin

Doch eine kürzlich ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin (Aktenzeichen 54 Ca 3515/13) zeigt nunmehr, dass unberechtigte Diskriminierungsvorwürfe der Mitarbeiter auch zum Bumerang werden können. Das Gericht hat in einem bemerkenswerten Urteil entschieden, dass ein Arbeitnehmer fristlos gekündigt werden durfte, nachdem er vor Gericht offensichtlich unbegründete Diskriminierungsvorwürfe gemacht hatte.

Eins vorweg: Es mag in der Praxis Fälle unangemessener Behandlung von Mitarbeitern geben, die den Tatbestand des Mobbings beziehungsweise der Diskriminierung erfüllen. In solchen Fällen darf und muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber haftbar machen und kann selbstverständlich per Arbeitsgericht gegen das Unternehmen vorgehen. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Arbeitgeber unberechtigten Mobbing- oder Diskriminierungsvorwürfen ausgesetzt sind.

Ausschließlich diesen Fall meine ich hier:

 

Auslöser: Eine unwillkommene Versetzung

Im konkreten Fall in Berlin hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits in einer längeren gerichtlichen Auseinandersetzung verhakelt. Der Fall escalierte auf eine geradezu typische Weise:

Eigentlich war war eine Versetzung des Mitarbeiters von Berlin ins Rheinland, gegen die er sich vor dem Arbeitsgericht wehren wollte, der Auslöser. Der Versuch des Mitarbeiters, dem Unternehmen – die im Arbeitsvertraglich eigentlich vorgesehene – Versetzung per einstweiligem Rechtschutz verbieten zu lassen, mißlang. Der Mitarbeiter musste also seinen Job im fernen Rheinland antreten.

Doch die Auseinandersetzung vor den Arbeitsgerichten war noch längst nicht beendet: Zunächst meldete sich der Mitarbeiter immer häufiger krank, bis der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung schließlich stoppte. Hiergegen zog der Arbeitnehmer wiederum vors Gericht. Hinzukam: Sie stritten sich noch über Bonuszahlungen, die steuerliche Berücksichtigung des Dienstwagens und die Frage, ob dem Mitarbeiter ein Einzelbüro zustand. Die Gerichtsakten wuchsen von von Woche zu Woche.

Schließlich kündigte das Unternehmen dem Mitarbeiter aus betriebsbedingten Gründen, da er dessen Aufgabenbereich restrukturiert hatte und die Position wegfiel. Auch dagegen ging der Arbeitnehmer vor – mit einer Kündigungsschutzklage.

 

Überraschende Diskriminierungsvorwürfe

Zur großen Überraschung des Arbeitgebers beschränkte sich die Argumentation des Arbeitnehmers gegen die Wirksamkeit der Kündigung jedoch nicht auf die üblichen Unwirksamkeitsgründe wie fehlerhafte Sozialauswahl oder dass seine früheren Tätigkeiten tatsächlich gar nicht weggefallen sind.

Stattdessen behauptete der Mitarbeiter: die Kündigung habe das Ziel, ihn als Homosexuellen zu diskriminieren – und sei daher aufgrund eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) unwirksam.

Gleichzeitig sagte, er wäre auch durch weitere Handlungen des Arbeitgebers gezielt diskriminiert worden: Die Gesellschaft hätte ihm bewusst einen verdreckten und schlecht gelegenen Schreibtisch im Großraumbüro zugewiesen, ihm in diskriminierender Weise Kunden entzogen und ihm einen neuen Dienstwagen bewusst verweigert, um ihn dadurch aufgrund seiner sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Zuguterletzt verlangte er dafür über 100 000 Euro Entschädigung.

 

Konstruierte Diskriminierungsvorwürfe

Den Arbeitgeber trafen diese Vorwürfe wie aus heiterem Himmel und er kündigte den mann daraufhin fristlos wegen dessen verleumderischer Aussagen und des Versuchs, durch konstruierte Diskriminierungsvorwürfe mehr als 100.000 Euro Entschädigung zu erschleichen.

Das Arbeitsgericht Berlin musste sich also weiter – mit dem bereits mehrere Aktenordner füllenden – Fall beschäftigen und entschied: Die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers war wirksam.

Denn die Richter hatten zunächst in der mündlichen Verhandlung den Arbeitnehmer vergeblich aufgefordert, Indizien dafür zu liefern, dass die Kündigung und die übrigen vermeintlich diskriminierenden Maßnahmen tatsächlich aufgrund seiner Homosexualität erfolgten. Dies gelang dem Kläger jedoch nicht. Er stütze seine Behauptungen lediglich auf eine Email, die er selbst an einen größeren Verteiler im Unternehmen geschickt hatte, und aus der hervorging, dass er in einer homosexuellen Partnerschaft lebte. Der Mitarbeiter behauptete, nach dieser Email habe sich das Verhalten seines Arbeitgebers grundlegend geändert und er sei nach diesem unternehmensinternen Coming-Out gezielt diskriminiert worden.

 

In Wiedersprüche verwickelt

Diese Argumentation lieferte dem Arbeitgeber jedoch eine Steilvorlage. Der Kläger hatte nämlich übersehen, dass er einem Vorgesetztem bereits Jahre zuvor in bierseliger Laune seine Homosexualität offenbart hatte und dass sein eigener Anwalt Monate vor der besagten Email das Gericht und den Arbeitgeber auf die bestehende Lebenspartnerschaft hingewiesen hatte. Der Arbeitnehmer behauptete daraufhin, die Diskriminierung habe bereits vor der besagten Email angefangen. An dieser Stelle wurde es dem Richter jedoch zuviel: Die schriftliche Urteilsbegründung zeigt eindeutig, dass der Arbeitnehmer mit seiner Argumentation den Bogen klar überspannt hatte.

 

Keine Enthüllung von längst Bekanntem

Dem Gericht kam insbesondere krude vor, dass der Arbeitnehmer in einer ansonsten belanglosen Mail an einen bemerkenswert großen Verteiler plötzlich explizit seine Homosexualität erwähnte und im Gerichtsverfahren behauptete, eben diese Mail sei der Auslöser der Diskriminierungen gewesen. Das Gericht sah die Vorwürfe daher als haltlos an und bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung wegen leichtfertigen verleumderischen Behauptungen zulasten des Unternehmens und der Geschäftsführung.

Was können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun aus diesem Urteil lernen? Bei arbeitsrechtlicher Differenzen sind harten Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern an der Tagesordnung. Dabei gehen Arbeitgeber manchmal zwar nicht mit Samthandschuhen vor. Die rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen einer Diskriminierung oder eines Mobbingsachverhalts sind jedoch erheblich. Ein Arbeitgeber, der jemanden versetzt oder Aufgaben entzieht, begeht damit im Regelfall weder eine Diskriminierung noch mobbt er.

Dennoch machen in mündlichen Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten etliche Arbeitnehmer leichtfertig der Vorwurf des Mobbings oder der Diskriminierung. Manche Arbeitgeber lassen sich durch unberechtigte Mobbingvorwürfe einschüchtern und willigen in teure Vergleiche ein. So mancher Geschäftsführer zahlt lieber einige tausend Euro Abfindung mehr, um sich nicht im Rahmen von internen Compliance-Ermittlungen gegen mitunter haltlose Mobbingvorwürfe verteidigen zu müssen.

 

Das Fazit der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin ist: Der Arbeitgeber kann den Spieß auch umdrehen. Haltlose oder leichtfertige Mobbing- oder Diskriminierungsvorwürfe können ihn berechtigten, dem Mitarbeiter fristlos erneut zu kündigen.

Der Arbeitgeber muss nicht sehenden Auges hinnehmen, dass ihm wahrheitswidrig rechtswidrige Handlungen unterstellt werden.

Vor allem:

1) Die unwahre Unterstellung diskriminierender Handlungen kann sogar strafrechtlich eine Verleumdung oder eine Beleidigung darstellen.

2) Gleichzeitig riskiert der Arbeitnehmer, dass er die Grenze zum Prozessbetrug überschreitet.

 

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