Deutsche sollten sich nicht als Chef in Frankreich versuchen

Gerade mal 17 Prozent der deutschen Arbeitnehmer benoten ihren direkten Chef mit „sehr gut“ – das sind elf Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Da fanden noch 28 Prozent der Befragten ihren eigenen Vorgesetzten ganz prima. Noch kritischer sehen nur noch die Amerikaner und die Polen (- 20 Prozentpunkte jeweils) sowie die Briten (- 15 Prozentpunkte) ihre Führungskräfte. Insgesamt befragte die Outplacement-und Personalberatung von Rundstedt aus Düsseldorf 6.800 Arbeitnehmer in elf Ländern (Deutschland, Belgien, England, Frankreich, Italien, Kanada, Polen, Rumänien, Russland, Spanien und  USA).

Diese Ergebnisse sind – jedenfalls was Deutschland angeht – im Hinblick auf die Demographie bedrohlich. Sollten die Betreffenden ihren Unmut umsetzen und ihren ungeliebten Chefs für das erstbeste Angebot der Konkurrenz den Rücken drehen, wird es womöglich eng. Nehmen die Menschen doch nicht nur ihr fachliches Branchen-Know-how mit, sondern oft auch wertvolle Verbindungen und Kontakte ausserhalb der Firma. Und am Ende ist eben doch nicht jeder ersetzbar.

Was die Deutschen insbesondere stört? Dass ihre Chefs nicht entscheidungsfreudig sind. 41 Prozent der Befragten finden diese Schwäche „völlig inakzeptabel“, so die von-Rundstedt-Studie. Bei den Italienern stört dieselbe Unart dagegen nur 26 Prozent der Befragten. So gesehen bleibt deutschen Chefs ja immer noch der Gang nach Italien, wenn sie hierzulande wegen Entscheidungsschwäche gefeuert werden.

Wer dagegen – wie so viele deutsche Führungskräfte – mit wenig Manieren und gutem Umgangston gesegnet ist, sollte tunlichst hier bleiben und ja nicht nach Franreich gehen. 52 Prozent der Franzosen missbilligen es nämlich, wenn zum Beispiel der Chef grußlos an ihnen vorbeigeht. Solch ein respektloser Chef kann anscheinend in den USA mit seiner Tour durchkommen: da stören mangelnde Manieren nur 19 Prozent der Beschäftigten. Das dürfte aber in dem Zusammenhang zu sehen sein, dass etliche Umgangsformen dort ohnehin sehr unique sind durch eine ausgerägte Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrechtsprechung. Deutsche führungskräfte, die in die Vereinigten Staaten gehen, werden meist erst mal in entsprechende Schulungen geschickt – damit sie dem Unternehmen keine Millionen-Klage wegen Diskriminierung oder sonstwas einhandeln

Wendehälse dagegen ärgern besonders die Franzosen mit 60 Pozent sowie die Belgier mit 54 Prozent. den Italienern ist solche Meinungswechselei je nach Windrichtung mit 33 Prozent nicht ganz so wichtig.

Was Mitarbeiter des weiteren nervt: Wenn Chefs sich emotional nicht in Griff haben, ärgert die 48 Prozent der Russen. Bei den Kanadiern sind dies 41 Prozent und den Amerikanern 44 Prozent.rundstedt_2304101

Warum Chefs schlechtere Noten bekommen als früher? Die Studie begründet das ganz allgemein mit der Wirtschafts- und Finanzkrise, beantwortet die Frage aber letztlich nicht. Sophia von Rundstedt glaubt:“Die Anforderungen an Führungskräfte sind immens gestiegen. Wegen der hohen Innovationsgeschwindigkeit, der Globalisierung, des demographischen Wandels und des fortschreitenden Fachkräftemangels sind Kommunikation, Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung extrem wichtig geworden. Ein Vorgesetzter muss viele Rollen gleichzeitig ausfüllen: Weniger die des Fachvorgesetzten, sondern eher als Vorbild und Ideenstifter, Integrationsfigur, Coach und Talent- oder Performance-Manager. Und den Anforderungen werden viele Chefs noch nicht gerecht.“

Ein interessantes Ergebnis der Untersuchung aber ist dies: Je größer das Unternehmen, umso unzufriedener die Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten. Ob es daran liegt, dass sich Führungskräfte mit Unarten und Defiziten in solchen Hierarchien auch heute noch gut verstecken können? Oder dass man sich in großen Unternehmen ab einer bestimmten Hierarchieebene gegenseitig besser schützt? Der geschlossenen Reihe zuliebe? Die Frage sollte man mal untersuchen.

Personalexpertin Sophia von Rundstedt gibt der Anzahl der Hierarchieebenen die Schuld. Je mehr Ebenen, umso schwieriger wird Kommunikation und Motivation: Bei der Weitergabe von Informationen kommen jene oft nicht mehr eins zu eins an, Teilinformationen gehen verloren. Mit der Folge: „Durch diesen mangelnden Informationsfluß kann Unzufriedenheit entstehen – und das fokussiert sich oft auf den direkten Vorgesetzten.“

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Alle Kommentare [3]

  1. Den Punkt „je größer das Unternehmen, desto unzufriedener die Mitarbeiter mit dem Chef“ kann ich nur bestätigen. Habe selbst jahrelang in einem Kleinbetrieb gearbeitet – man war dort aber natürlich auch perdu. In meiner jetzigen Anstellung, einem Großunternehmen in der Pfalz habe ich selbst nur wenig, bis gar keinen Kontakt zum großen Chef. Dementsprechend lässt sich auch leicht über ihn reden…

  2. 17% der deutschen Angestellten bewerten ihren Chef mit „sehr gut“. Das ist ein erschreckendes Ergebnis – allerdings kein überraschendes. Ich sehe ein großes Defizit bei der Ausbildung von Führungskräften. Viele sind fachlich sehr versiert und haben sich durch gute Leistung für eine Führungsposition empfohlen. Leider gibt es selten ein gut durchdachtes, konzeptionell unterlegtes Führungstraining.
    Viele Führungskräfte werden ins kalte Wasser geworfen und tun ihr Bestes – die wenigsten sind jedoch geborene Führer. Die Personalentwicklung ist hier gefordert. Führungskraft wird man nicht dadurch, dass man auf einer entsprechenden Stelle sitzt – sondern durch eine Ausbildung, die neben Führungsprinzipien und Management-Kompetenzen vor allen Dingen auch charakterlich prägen muss.

    Stephan Reimann
    http://www.fuehren-im-oeffentlichen-dienst.de

  3. Da haben Sie recht, Herr Reimann: Führungskraft ist man nicht, nur weil man gerade auf dem Posten sitzt. Aber das ist genau das Dilemma. Wenn der Schraubendreher zum Chef befördert wird, ist er tatsächlich der Oberschraubendreher, aber leider noch keine gute Führungskraft.