Wenn Arbeitszeugnisse nichtssagend sind, könnten Referenzen die Lösung sein

Nichtssagende Arbeitszeugnisse sind eine Plage – und nutzen Mitarbeitern am Ende doch nichts. Sie sind eine lästige Pflicht für Führungskräfte, keiner glaubt ihnen noch. Die Lösung wären Referenzen, findet Personalprofi Jochen Eckhold, der nach vielen Jahren Industrieerfahrung nun selbst ein Unternehmen gegründet hat, um die Misere zu beenden und Arbeitgebern wie Angestellten zu helfen.

 

Jochen Eckhold (Foto: Jochen Eckhold)

Herr Eckhold, Sie waren 14 Jahre in der Personalleitung von Adidas, zuletzt vier Jahre Personalchef von Tchibo – und Sie ärgern sich über das Zeugnis-Unwesen hierzulande. Dass Arbeitszeugnisse so wohlwollend formuliert sein müssen, dass sie am Ende nichts mehr aussagen. Was drin steht, muss berufsfördernd sein und Unternehmen dürfen nichts Negatives hineinschreiben. Irgendwann sehen alle gleich aus, jedem ist am wichtigsten, dass darin steht, dass er „stets zur vollsten Zufriedenheit“ gearbeitet hat. Geht´s nicht auch anders?

Eckhold: Quasi überall auf der Welt, geht es auch anders. Arbeitszeugnisse sind ein sehr deutsches Instrument. In den USA zum Beispiel gibt es gar keine Arbeitszeugnisse. Ich werde nie verstehen, warum man hier den Zeugnissen immer noch so viel Wert beimisst, obwohl die mangelnder Aussagekraft bekannt ist.

 

Jedenfalls in den Unternehmen. Zumal sie sogar oft gleich vom Mitarbeiter selbst verfasst sind. Wer macht es besser?

In den USA fügt man als Bewerber dann und wann selbstverfasste Referenzschreiben eines Referenzgebers bei. Diese sind deutlich weniger formal als ein deutsches Arbeitszeugnis und haben den Charakter eines Empfehlungsschreibens. Arbeitgeber holen auch aktiv Referenzen ein, telefonisch oder online. Zumindest nutzen sie  Background-Checks, um herauszufinden, ob der Bewerber im Hinsicht auf Kriminalität, Drogenkonsum und seine finanzielle Situation auffällig geworden ist. Die sind in etwa vergleichbar mit Schufa-Auskünften und Führungszeugnissen hierzulande. Bei uns sind diese Auskünfte nur dann erlaubt, wenn sie berufsrelevant sind wie bei Mitarbeitern von Sicherheitsdiensten oder für Positionen mit hoher Bestechungsgefahr.

 

Zeitraubende Recherchen können Personaler oder Fachvorgesetzte kaum leisten. Sie investieren laut Umfrage von Kienbaum pro Bewerber maximal fünf Minuten – wenn überhaupt. Sie haben jetzt ein Referenzen-Tool namens Queference  entwickelt, das US-Tools zum Vorbild hat und mit dem Unternehmen Infos über Bewerber aus früheren Jobs mittels einer eine Online-Plattform bekommen. Wie läuft das?

Personaler können Referenzen selbst bestenfalls für ranghohe Manager erheben, es bedeutet viel Aufwand. Queference digitalisiert den Vorgang, Arbeitgeber bekommen dann einen Report über Kandidaten mit den Auskünften mehrerer Referenzgeber, die aber anonym bleiben. Der Kandidat gibt den Personalern Namen und Mailadressen von Referenzgebern, also Ex-Vorgesetzten und Ex-Kollegen. Die bekommen dann einen strukturierten Fragebogen, der verschiedenste Kompetenzdimensionen wie Verhalten, Leistung, Fachwissen oder soziale Kompetenzen abfragt.

 

Den haben Sie aber nicht aus dem Ärmel geschüttelt.

Der Fragebogen entstand in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Uni Nürnberg-Erlangen, die Kosten betragen je nach Report 40 bis 100 Euro.

 

Und dann dürfte es schon mal so ehrlich werden wie beim Arbeitgeberbewertungsportal Kununu. Statements dort sind auch für manche Unternehmen eine Hypothek – und man erfährt Dinge, die man sonst nicht erführe. Jetzt also ein Risiko, das Bewerber eingehen …

….vor allem wenn ein Ex-Chef schreibt, dass der Kandidat „eine Katastrophe war“ oder eine Führungskraft „einen sehr eigenen Führungsstil praktiziert“ habe, so etwas kann vorkommen.

 

 

 

 

 

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Alle Kommentare [3]

  1. Man sollte sich hier eher Fragen, warum Zeugnisse eine solcher hochtragende Rolle habe. Ein 1er Kandidat kann der schlechteste Arbeitnehmer sein…und ein 4er der zuverlässigste.

  2. Ich glaube nicht, dass Arbeitszeugnisse heute keinen Wert mehr haben. Natürlich sind diese nicht wörtlich zu nehmen. Aber ein Personaler weiß natürlich, dass ein Arbeitnehmer, mit dem seine bisherigen Chefs stets (nur) „zufrieden“ waren, eben bisher noch keinen tollen Job gemacht hat. In Kombination mit dem Lebenslauf, dem die Verweildauer bei den früheren Arbeitgebern zu entnehmen ist, bekommt man schon wertvolle Einschätzungen.

  3. Wenn man die Noteninflation in vielen Studiengängen betrachtet, geben die Noten nicht wirklich einen zuverlässigen Eindruck der Arbeitsweise, es sei denn, sie sind sehr schlecht.
    Daher finde ich den Ansatz mit den Referenzen sehr gut, vor allem, weil es der direkteste ist. Wer kann besser die Arbeitsweise bewerten als frühere Chefs?

    Hier stellt sich mir folgende Frage: Welchen Ansporn haben Ex-Chefs, einen ausführlichen Fragebogen auszufüllen?