Nach Medienberichten soll die Finanzvorständin des Hamburger Hafens HHLA, Tanja Dreilich, „gefeuert“ worden sein, „weil sie in der Dienstzeit shoppen ging“ im „Luxuskaufhaus Alsterhaus“ – und dabei sei sie „angeblich von einem Beschatter angetroffen worden“. Im „Hamburger Abendblatt“ heißt es später, der „Aufsichtsrat des Hamburger Hafenkonzerns beschließt Trennung und stärkt Vorstandschefin Angela Titzrath den Rücken“. Erst im Januar hatte Dreilich (53) den Job bei HHLA angetreten, nachdem sie es zuvor schon auf eine ganze Latte von Stellen gebracht hat.
Arbeitsrechtler Thomas Müller von LutzAbel im Interview mit dem ManagementBlog über Detektive im Einsatz für Arbeitgeber, Arbeitszeiten der Vorstände, Einträge im Outlookkalender und wann man Vorstände überhaupt kündigen kann.

Thomas Müller (Foto: PR/Lutz Abel)
Herr Müller, die Finanzvorständin vom Hamburger Hafen wurde wohl gefeuert, weil sie am helllichten Tag im Alsterkaufhaus etwas einkaufte. Zur gleichen Zeit soll in ihrem Kalender ein Geschäftstermin gestanden haben. Haben Vorstände im Arbeitsvertrag definierte Arbeitszeiten und Wochenstundenzahlen?
Für Vorstände gilt das Aktiengesetz, das nennt keine Mindestarbeitszeit für Vorstände. In Anstellungsverträgen mit Vorständen stehen grundsätzlich keine festgelegten Arbeitszeiten und Wochenstundenzahlen. Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz gelten für sie nicht. Die Zeit, die ein Vorstand für seine Arbeit aufwendet, richtet sich – ganz allgemein – nach den Aufgaben, die er für das Unternehmen erfüllen muss. Letztlich entscheidend ist nur, dass er die Zeit aufwendet, die er für die Erfüllung seiner Pflichten braucht.
… dann kann man ihr insbesondere in Homeoffice-Zeiten auch keinen Vorwurf machen? Es könnte doch auch einfach die 30-minütige Pause gewesen sein? Ihr Geschäftstermin könnte auch ausgefallen sein? Ist so ein Outlookkalender, der freigeschaltet ist für Kollegen, irgendein Beweismittel?
Jedenfalls dann nicht, wenn sie dadurch keine Pflicht verletzt hat. Der Vorstand kann sich, wenn es keine gegenläufigen Unternehmensinteressen gibt, seine Zeit frei einteilen. Es ist jedenfalls nicht zielführend, zu argumentieren, der Vorstand habe während seiner Arbeitszeit in einem Alsterkaufhaus eingekauft. Die Frage müsste vielmehr lauten: Hat der Vorstand in der Zeit, in der er beim Einkaufen war, seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen grob vernachlässigt oder gar schwerwiegend verletzt? Was sich der Vorstand an Terminen in seinen Outlookkalender schreibt, ist seine Sache. Zumal sich Termine und Kalendereintragungen auch mal ändern können. Insofern gibt es keine Pflicht für den Vorstand, dass sein Outlookkalender stets alle Termine umfassend und richtig ausweist. Outlook ist schließlich nur ein Hilfsmittel für die Tagesplanung. Aus diesen Gründen ist es auch kaum vorstellbar, dass der Beweis einer groben Pflichtverletzung über – vielleicht unzutreffende – Einträgen in seinem Outlookkalender geführt werden kann.
In welchen Fällen erleben Sie sonst Arbeitgeber, die Privatdetektive beauftragen? Beim Wirtschaftswoche-Ranking der beliebtesten Dienstleister des Mittelstands stand diese Berufsgruppe immerhin schon mal auf Rang eins.
Typische Fälle für die Beauftragung von Privatdetektiven sind begründete Zweifel daran, ob ein krank gemeldeter Mitarbeiter wirklich arbeitsunfähig ist. Oder wenn es einen handfesten Verdacht gibt, dass ein Arbeitnehmer eine verbotene Konkurrenztätigkeit ausübt. Entscheidend ist für den Arbeitgeber dabei, dass die begründeten Verdachtsmomente schon vor der Überwachung des Arbeitnehmers bestehen müssen. Andernfalls riskiert er, dass er genau diese Beweise, die der Privatdetektiv liefert, nicht gegen den Arbeitnehmer verwerten darf. Außerdem würden ihm Schadenersatzansprüche drohen: Einerseits wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers. Andererseits wegen eines datenschutzrechtlichen Verstoßes.
Was machen Arbeitgeber dann mit welchen Ergebnissen?
Die rechtmäßig gewonnen Ergebnisse einer solchen Überwachung werden für eine Verwertung als Beweis gegen den Arbeitnehmer aufbereitet und – wenn die Sache vor dem Gericht endet – als Beleg für die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorgelegt.
Also beauftragt man Privatdetektive normalerweise nicht gegenüber Vorständen und Führungskräften?
Doch, durchaus. Wenn der Verdacht auf eine grobe Pflichtverletzung besteht, ist das ein gangbarer Weg, um an Beweise für eine Pflichtverletzung zu kommen. In meiner Praxis habe ich einen Fall erlebt, in dem ein Vorstand Mitarbeiter des Unternehmens für die private Gartenarbeit in seiner Villa eingesetzt hat. Eine grobe Pflichtverletzung. Um den Hinweisen von Mitarbeitern nachzugehen, wurde in diesem Fall auch eine Detektei eingesetzt.
… und wie sieht es arbeitsrechtlich aus?
Zumal die Trennung von einem unliebsamen Vorstand als Organ nicht jederzeit und auch nicht ohne weiteres möglich ist. Um ihn abzuberufen, braucht der Aufsichtsrat einen wichtigen Grund wie eine grobe Pflichtverletzung, grobe Unfähigkeit oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.
Eine dieser Systematik widersprechende Abberufung – also eine grundlose Abberufung – ist unzulässig und unwirksam. Daneben besteht übrigens noch der Anstellungsvertrag des Vorstands, der auch erst gekündigt oder aufgehoben werden muss. Der ist in der Regel befristet auf drei oder fünf Jahre und sieht keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit vor. Auch hierfür ist wieder ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nötig. Die Messlatte für Abberufung und Kündigung des Vorstands liegt also ziemlich hoch.
Was wäre schlauer gewesen? Sich vor dem Abschluss des Vorstandsvertrags in der Branche umzuhören?
Definitiv, zumal die Hafen-Vorständin schon zuvor ungewöhnlich viele Positionen in einem relativ kurzen Zeitraum innehatte. Das deutet auf Probleme hin. Solche Toppositionen werden ja mit dem Einsatz von Headhuntern besetzt, deren Job genau das ist: Den Kandidaten vorher zu checken. Auch die haben einen Ruf zu verlieren.
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Hamburger Top-Managerin gefeuert, weil sie in der Dienstzeit shoppen ging? | Regional | BILD.de
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