WiWo-Topkanzlei Ranking Medizinrecht 2023: Wieso der Personalmangel in Kliniken für hohe Schadenersatzklagen sorgen kann

Die renommiertesten Ärzte für Medizinrecht für Patienten sowie für Ärzte, Kliniken, Pharmaunternehmen und Versicherer

 

(Foto: C.Tödtmann)Großes Ranking: Die besten Medizinrechtsanwälte (wiwo.de)

DIE RENOMMIERTESTEN KANZLEIEN UND ANWÄLTE FÜR PATIENTEN*

 
Arens Simone Staab
Brocks Johannes Brocks, Uwe Brocks
Corinth & Henkel Thomas Henkel
Döscher-Schmalfuß & Partner Nadja Döscher-Schmalfuss
Dubitscher Sven Dubitscher
Fischer & Hellbardt Klaus Fischer
Gaidzik Peter Gaidzik
Gellner & Collegen Peter Gellner
Gilsbach Marius Gilsbach
Graf Johannes Gabriela Johannes
Haack Böttger Lutz Böttger, Hansjörg Haack
Hassert Selbitz Esther Hassert, Andreas Selbitz
Heynemann Jörg Heynemann
Holl Nicuta Luiza Nicuta
Konradt Britta Konradt
Laux Joachim Laux
Lüken und Stebhane Christian Lüken
Meinecke & Meinecke Boris Meinecke
MPK Melzer Penteridis Kampe Nikolaos Penteridis
Näther Krüger Partner Axel Näther

 

DIE RENOMMIERTESTEN KANZLEIEN UND ANWÄLTE FÜR ÄRZTE, KLINIKEN, PHARMAUNTERNEHMEN UND VERSICHERER*

 
Armedis Tilman Clausen
BergmannPartner Max Middendorf, Carolin Wever
BLD Bernd Schwarze, Cornelius Thora
Causa Consilio Christian Gerdts
D+B Thomas Bohle, Ulrich Grau, Martin Stellpflug, Thomas Willaschek
Ehlers, Ehlers & Partner Alexander Ehlers
Frehse Mack Vogelsang Michael Frehse, Sven Rothfuss Tobias Scholl-Eickmann
GND Geiger Nitz Daunderer Johannes Daunderer
Halbe Bernd Halbe, Helge Rust
Halm Wenzel & Collegen Frank Wenzel
Hammer & Partner Rudolf Gläser
Hantke & Partner Till Hantke
Jorzig Dirk Benson, Alexandra Jorzig
Kunz Carsten Fuchs, Arnold Neuhaus
Meyer-Köring Wolf Bartha
Michels.pmks Jens-Peter Jahn, Kerrin Schillhorn
Möller & Partner Kyrill Makoski, Andreas Meschke, Karl-Heinz Möller
Plagemann Ole Ziegler
PWK & Partner Jörg Müssig
Ratajczak & Partner Helge Hölzer, Thomas Ratajczak
Ratzel Rudolf Ratzel
Rehborn Martin Rehborn
SOH Schmidt, von der Osten & Huber Stefan Bäune, Regine Cramer, Franz-Josef Dahm, Roland Flasbarth

Vogeler / Marcus Vogeler

* alphabetische Sortierung  Quelle: WirtschaftsWoche/HRI 2023

 

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Ein Hammerschlag zu viel

Der Personalmangel in den Kliniken beschert Medizinrechtsanwälten immer mehr Streitfälle, in denen Pflegefehler üble Folgen haben und für hohe Schäden sorgen. Öffentlich werden sie fast nie. Betroffene und ihre Angehörigen verkennen oft die wahren Ursachen.

Text: Claudia Tödtmann

Kein Klingeln half dem Frischoperierten. Ganze 27 Minuten lang wartete er auf die Nachtschwester, um mit ihrer Hilfe zur Toilette zu kommen – vergeblich. Denn der Arzt, der seine Hüfte operiert hatte, hatte den Mann angewiesen, nicht alleine aufzustehen. Er solle klingeln. Doch als niemand kam und seine Verzweiflung wuchs, stand der 69-Jährige in seiner Not schließlich doch auf, stürzte im WC, brach sich das Kreuzbein und musste erneut operiert werden. Sein Allgemeinzustand verschlechterte sich rapide, auf die Beine kam er nicht mehr. „Für ihn war das ein Hammerschlag zu viel, drei Wochen später verstarb er“, erzählt Medizinrechtler Lutz Böttger von der Kanzlei Haack Böttger. Er vertritt die Witwe und fordert von der Klinik rund 40 000 Euro Schmerzensgeld plus den Beerdigungskosten. Ohne die zweite Operation wäre der Mann noch am Leben, stellt der Anwalt klar.

 

Fehlende Krankenschwestern und Pfleger in Kliniken, aber auch in Heimen sind ein immer größeres Problem und das Ausmaß der Folgen ist unerkannt, sagt Böttger. Die Krankenkassen erfassen Pflegefehler-Fälle nicht gesondert und so kommen auch keine Zahlen an die Öffentlichkeit.

 

Fakt ist: Immer weniger Pfleger haben immer weniger Zeit für den einzelnen Patienten und die eigentlich nötigen Maßnahmen. Sie arbeiten unter enormen Zeitdruck, Leidtragende sind die Patienten. Jetzt fehlen in Deutschland schon 200 000 Pflegekräfte laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Wissenschaftler prognostizieren, dass diese Zahl in den nächsten Jahren auf eine halbe Million klettert.

 

Insbesondere unter dem Druck von Corona haben etliche Pfleger ihre Branche verlassen. Zu viele Überstunden, Schichtarbeit, die nicht zum Familienleben passt und die gängige Praxis, sie aus der Freizeit mit moralischem Druck in die Klinik zu rufen, wenn plötzlich Not am Mann ist, sind die Gründe. Der Personalnotstand hat längst Folgen: Krankenhäuser jagen sich mit Kopfprämien gegenseitig Pflegekräfte ab, Zeitarbeitsverleiher für Pflegekräfte sprießen aus dem Boden.

 

Klar ist jedenfalls: Wer ständig unter Zeitdruck arbeitet, macht auch mehr Fehler. Zumal: „Streitigkeiten wegen Pflegefehlern werden angesichts der steigenden Lebenserwartung zunehmen,“ ist Cornelius Thora, Medizinrechtler bei der Kanzlei BLD überzeugt. „Die häufigsten Pflegefehler sind Dekubitus-Fälle durch zu seltenes Wenden, Stürze und Hygienefehler, berichtet Anke Warlich, Spezialistin für Medizinstreitigkeiten beim Prozeßfinanzierer Foris. Lebensgefährlich wird es, wenn Patienten die falschen Medikamente ausgeteilt bekommen oder Pfleger sich bei der Dosierung verrechnen.

 

Rasend schnell entstehen selbst Dekubitus-Fälle. Böttger berichtet von einer Klientin, die in nur 48 Stunden – so lange dauerte die Geburt ihres Kindes – offene Wunden davontrug. Drei Monate dauerte die Heilung. Die Versicherung kostete der Lagerungsfehler 30 000 Euro Schmerzensgeld, erzählt der Medizinrechtler.

 

Kliniken scheuen die Öffentlichkeit

Oft gehen solche Fälle auch gar nicht bis vor den Kadi, weil Versicherungen – wenn die Lage eindeutig ist – sich mit den Klägern lieber rasch einigen, ergänzt Böttger. Keine Klinik wolle mit so einem öffentlichen Gerichtsprozess in der Lokalpresse landen.

 

Jedoch: Oft genug erkennen die Betroffenen oder ihre Angehörigen nicht, dass Pflegefehler die Ursache für Gesundheitsschäden waren. Denn „das Ausmaß des Personalnotstands und den Zusammenhang mit Pflegefehlern in der Folge stellen Betroffene bisher noch selten her“, beobachtet Thora. Und kein Klinikbetreiber wird zugeben, wenn nur eine einzige Nachtschwester eine ganze Station mit 60 Patienten betreuen muss und allenfalls noch einen Praktikanten an die Seite bekommt, ergänzt Böttger. „Unterbesetzung als Ursache von Schäden ist in den juristischen Auseinandersetzungen nie das Thema, denn da geht es immer nur um den konkreten Einzelfall und die konkrete Folge“, so Böttger.

 

Siebenstellige Schadenersatzforderungen

„Pflegefehler können riesige Schadenersatzforderungen auslösen“, berichtet der Frankfurter Anwalt Thora. Er vertritt Kliniken sowie Heime und berichtet von einem Patient, der einen Heimbetreiber auf 1,2 Millionen Euro Schadenersatz für aufgelaufene Behandlungskosten verklagt. Der Auslöser: Ein Salatblatt. Ein Patient, der zur Kurzzeitpflege zum Aufpeppeln für einige Tage in einem Seniorenheim war, litt unter Schluckstörungen. Er musste gefüttert werden und hätte nur püriertes Essen bekommen dürfen. Als sich erbrach und akute Luftnot bekam, brachte ihn der Notarzt ins Krankenhaus und man fand als Ursache in seiner Lunge ein Salatblatt. Wie das Blatt und wann in die Lunge kam, ist unklar und beschäftigt nun die Sachverständigen. Denn Salat stand an dem Tag nicht auf dem Speiseplan, erzählt Thora.

Wertvoll: Zeugen und Handyfotos

Unklar ist auch, warum zu dem frisch operierten Patienten kein Pfleger kam, doch das wird im Gerichtsprozess auch nicht aufgedeckt, erzählt Böttger. Entscheidend ist, ob ein Sachverständiger sagt, dass 27 Minuten Wartezeit auf die Nachtschwester zu viel war. Und ob die Kläger Beweise haben. Die wenigsten sind so clever, noch in der Situation Handyfotos zu machen. Zeugenaussagen waren gerade durch das Besuchsverbot im Lockdown schwer zu bekommen, erlebt Jurist Böttger.

 

Doch in diesem Fall hatte der Patient nicht nur seiner Tochter am Telefon sehr genau den Vorfall erzählt. Es gab vor allem einen Zimmernachbarn, der alles mitbekommen hatte und auch eine Zeugenaussage machte. Denn „oft kennen Betroffene gar nicht die Namen ihrer Bettnachbarn und haben dann schlechte Karten“, weiß Böttger. Die Klinik nämlich rückt den Namen im Streitfall nicht heraus – allein schon aus Datenschutzgründen.

 

Die Ranking-Methode: Das Handelsblatt Research Institute (HRI) fragte mehr als 500 Juristen aus 333 Kanzleien nach ihren renommiertesten Kollegen für Sportrecht. Nach der Bewertung durch die Jury setzten sich 24 Kanzleien und 34 Anwälte durch. Für Medizinrecht wurden 670 Medizinrechtler aus 186 Kanzleien befragt. 24 Kanzleien und 41 Anwälte setzten sich für die Behandlerseite – Ärzte, Kliniken, Versicherer – und 29 Kanzleien mit 36 Anwälten für die Patientenseite durch.

Die Jury: Jörg Englisch (DFB), Maximilian Rosenberg (Adidas), Achim Schunder (C.H. Beck), Inka Müller-Schmäh (Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter). Sandra Peters (Omni Bridgeway), Christian Katzenmeier (Institut für Medizinrecht Köln), Frederick Iwans (Foris), Johannes Woelk (Ergo)

 

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