Wenn die Postzustellung nicht funktioniert, aber der Gesetzgeber so tut als ob und Adressaten damit um ihr gutes Recht bringt – drei Fragen an Anwalt Gunter Mühlhaus

Wenn die Postzustellung nicht funktioniert, aber der Gesetzgeber so tut als ob und Adressaten damit um ihr gutes Recht bringt – drei Fragen an Anwalt Gunter Mühlhaus von Heuking

 

Einzelne Briefträger, die einen Burnout hatten oder unter Überforderung litten und säckeweise Post zuhause liegen ließen, gab´s immer mal wieder. Doch jetzt muss man als normaler Postkunde, vor allem aber auch als Empfänger von wichtigen Schreiben per Post bangen: „Die Zahl der Beschwerden über die Deutsche Post schießt in die Höhe. Gründe für unpünktliche Brief- und Paketauslieferungen sehen Beobachter in neu zugeschnittenen Zustellbezirken und fehlendem Personal“, schreibt wiwo.de

 

 

(Foto: C.Tödtmann)

 

Wenn Werbebriefe, Einladungen zu Veranstaltungen und Feiern oder Liebespost zu spät ankommen, ist das ärgerlich. Geht es aber um Schreiben, in denen der Empfänger eine wichtige Frist gesetzt bekommt, gibt es richtige Probleme – und er hat richtig schlechte Karten. Im Klartext: Die Post hat zu viel Personal eingespart, trotzdem laufend das Porto erhöht, doch kann sich nicht mehr auf eine normalen Postlauf von drei Tagen innerhalb Deutschlands verlassen.

 

Ganz abgesehen davon, dass viele Briefkästen abgebaut wurden oder die Leerungszeiten so begrenzt, dass ein Brief, der in einer Großstadt in den Briefkasten eingeworfen wird, beispielsweise Samstags um 11.10 Uhr vormittags, erst Montagsnachmittags 16.30 Uhr überhaupt auf die Reise geht. Der kommt in derselben Stadt erst Mittwoch an.

 

Und nun hat sich die Zahl der Beschwerden über die Post fast verdoppelt: es sind schon jetzt 30.000 bis Oktober gegenüber 15.000 im ganzen Jahr 2021, wie die „WirtschaftsWoche“ erfuhr.

Was das für massive Probleme geben kann, wenn man beispielsweise Post vom Gericht bekommt, erklärt Anwalt Gunter Mülhaus von Kanzlei Heuking. (auf Twitter: @GunterMuehlhaus )

 

 

Gunter Mühlhaus (Foto: PR/Heuking)

 

Herr Mühlhaus, jetzt hat auch die Post Personalnotstand und die ausbleibenden oder zu spät ankommenden Briefe können massive Folgen haben. Schließlich laufen Fristen gnadenlos ab – und zwar schon dann, wenn der Absender seine Briefe abgeschickt hat. Kommt die Post erst mit sechs Wochen Verspätung kann, kann zum Beispiel die Sechs-Wochen-Frist für Erben verstrichen sein – oder es jedenfalls zu spät sein, um herauszufinden, ob sie nur Schulden erben und das Erbe ausschlagen sollten. Dem glaubt doch niemand, dass er den Brief innerhalb einer Stadt auf dem Postweg erst mit vier oder gar mehr Wochen Verspätung im Briefkasten vorfand?

 

Mühlhaus: Stimmt, der Gesetzgeber unterstellt, jeder Brief komme In Deutschland in drei Tagen an – und zwar zuverlässig. Ein Schreiben gilt drei Tage später als zugestellt, nachdem die Behörde das Schreiben zur Post aufgegeben hat. Genau diese schlichte Fiktion haut jetzt nicht mehr hin, wo es zu wenig Personal bei der Post gibt, Es können ja auch Rechnungen verloren gehen und die Empfänger bekommen Mahngebühren aufgebrummt oder werden von Inkassounternehmen verfolgt.

Das eigentliche Dilemma: Gerichte und Finanzämter schicken ihre Post an Steuerzahler, Zeugen, Erben, mutmaßliche Erben,  Nachlassverwalter oder auch an Betreuer auf dem normalem Postweg – wo der Absender nicht nachvollziehen kann, wo sich aktuell jede Sendung befindet und der Empfänger nicht mal ahnt, dass er Post bekommen wird.

 

(Foto: C.Tödtmann)

 

…mit gravierenden Folgen, manchmal einer Entrechtung, die für den einzelnen sehr teuer werden kann? Was raten Sie Post-Opfern?

Der Zugangstag eines Schreibens ist der Startpunkt für Beschwerde-,Einspruchs-, Annahme oder Ausschlagungsfristen, innerhalb derer der Empfänger solcher Post reagieren muss, um seine Rechte wahrnehmen zu können. Diese Fristen sind zum Beispiel bei der Ausschlagung einer Erbschaft mit sechs Wochen häufig schon so zu knapp bemessen. Kommt das Schreiben nun auch noch später als nach drei Tagen, womöglich mit wochenlanger Verzögerung an – das habe ich gerade schon bei Mandanten miterlebt – , muss der Betroffene diesen verspäteten Empfang glaubhaft machen durch einen schlüssigen Vortrag. Das sorgt nicht nur für zusätzlichen Zeitaufwand, sondern vor allem für Rechtsunsicherheit. Wenn´s dicke kommt, muss der Adressat später behördliche oder gerichtliche Verfahren führen, damit er nicht wegen angeblicher  `Fristversäumnis` zurückgewiesen wird.

 

Das, obwohl er nicht mal eine Handlungsalternative hatte – dank der Post und ihren Sparmaßnahmen. Wie stehen dann die Chancen auf Gegenwehr?

Der Weg wird länger und steiniger. Es kommt Unsicherheit und Stress für die Betroffenen zu ihrem eigentlichen Thema hinzu. Am Ende streiten sie um die Frage, ob überhaupt rechtzeitig rechtliche Schritte eingeleitet worden sind. Am besten nimmt man Kontakt zu der Behörde auf. Möglicherweise kann man in manchen Fällen Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen – aber das ist kein sicherer Weg, nur eine Chance. Und das Ganze im 21. Jahrhundert, wo es dank Computer und Smartphone längst zuverlässige und einfache Möglichkeiten für eine sichere und schnelle Zustellung von Schreiben gibt. Der Postweg hat in vielerlei Hinsicht ausgedient. Die neue Unzuverlässigkeit ist nur das Tüpfelchen auf dem „i“.

 

Lese-Tipp wiwo.de: https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/deutsche-post-die-brief-katastrophe-des-bonner-logistikkonzerns/28792708.html

 

 

 

 

 

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Vielen Dank für den Post zur Post 🙂

    Leider auch hier sehr aktuell, hoffe, dass alles wieder professioneller und zustell-sicherer wird