Personalprofi Matthias Scheiff von Russell Reynolds über den Druck der Bankmanager und warum sie nicht autoritär führen sollten

Eine großangelegte, langfristige Studie von Russell Reynolds Associates zeigt, dass sich Top-Banker von ihren Kollegen in der Software- oder Pharmabranche in puncto Führung eine Scheibe abschneiden können. Und welche Fähigkeiten sie heute mitbringen müssen. Die Risikobereitschaft und der Mut zur Zeit des Wirtschaftswunders vor 70 Jahren  würde ihnen auch heute gut anstehen, rät Personalberater Matthias Scheiff von Russell Reynolds.

 

Matthias Scheiff (Foto: Russell Reynolds Associates/Martin Joppen)

 

 

Herr Scheiff, in Ihrer Studie von Russell Reynolds Associates kommt heraus,  dass Banker nicht gewinnorientiert genug sind und risikoscheu. Beides überrascht. Welche Banker meinen Sie genau?

Scheiff: Die obersten Führungsebenen, also Vorstände und persönlich haftende Gesellschafter. Unsere Leadership Studie hat in über vier Jahren Arbeit die Führungskompetenz von mehr als 6.100 Führungskräfte aus 15 Branchen analysiert. Das Resultat: Diejenigen Führungskräfte haben sich als besonders fähig erwiesen, deren Führungsstil innovativ und integrativ ist. Diese Kombination findet man oft in der Softwareindustrie, der Pharma- und Biotechbranche und in der Luft- und Raumfahrt. Die Banken landeten im unteren Drittel.

 

Was sollen die Ideal-Kandidaten genau tun – was jetzt nicht passiert?

Der ideale Kandidat muss innovativ, entschlossen und mutig sein, und zwar insbesondere bei Personal-Entscheidungen: Er soll Talente früh erkennen und fördern. Und er soll auch erklären können, warum eine Führungskraft welche Entscheidungen trifft und wie er im Interesse des Klienten handelt.

 

… also keine typische Banker-Eigenschaft, was Sie als unerreichtes Ziel beschreiben, trifft auf alle Branchen zu.

Wichtig ist die Fähigkeit, Signale aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld wahrzunehmen und auf das eigene Geschäft, sofern notwendig, zu übertragen. Führungskräfte mit diesen Fähigkeiten können den für Banken relevanten Markt und das Geschäftsmodell ihrer Bank treffsicher analysieren, Risiken richtig einschätzen und Wachstumsstrategien entwickeln. Sie erkennen Marktnischen, wo Geld verdient werden kann, schneller als andere. Sie verbinden Reflexion mit Empathie, nehmen andere in die Verantwortung und fördern einen offenen Dialog in ihrer Bank. Bei Innovationen haben es Bank-Manager schwerer als andere, da sie in ihrer Branche weniger Handlungsfreiheit haben. Banken sind stark reguliert und müssen sehr viele Vorschriften beachten.

 

Sie meinen bei Ihrer Studie nur die oberste Hierarchieebenen?  

Topbanker, also die Vorstände und persönlich haftenden Gesellschafter, bestimmen die unternehmerische Ausrichtung ihrer Organisation. Sie entscheiden, wofür heute Geld investiert werden muss, um morgen genügend Geld für Anteilseigner und Mitarbeitende zu erwirtschaften. Diese Manager brauchen ein sehr gutes Geschäftsverständnis.

 

Und davon haben die Banker, die sie analysiert haben, zu wenig?

Sie müssen ermitteln, wie erfolgreich ihre Bank im Vergleich zur Konkurrenz dasteht. Erfolgskriterien sind zentrale Kennziffern der Gewinn- und Verlustrechnung wie etwa Erträge nach Geschäftsbereichen, wozu Kredite, Wertpapiere oder Beteiligungen zählen, das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit oder die einzelnen Kostenpositionen. Oder die Zahl von Neukunden in Relation zum Aufwand, um sie zu gewinnen. Messgrößen sind auch Kundenzufriedenheit, Marktkapitalisierung, Bonität, Eigenkapitalquote oder Rücklagen im Langzeitvergleich.

Zum Kerngeschäft der großen Banken zählen das Investmentbanking mit den Bereichen Corporate Finance, Mergers & Acquisitions und Börsengängen, das Kapitalmarktgeschäft insbesondere mit dem Handel mit Anleihen und Aktien zu, das Firmenkundengeschäft mit dem Kreditgeschäft oder das Transaktionsbanking, dem Abwickeln von Zahlungsverkehrs-, Kreditkarten-, Wertpapier- oder Kreditvorgängen.

 

Das klingt wie ein Lehrbuch. Was genau liefern die Kandidaten oder amtierende Top-Manager denn heute nicht?

Sie ermutigen ihre Mitarbeiter zu selten, sie sind neuen technischen Entwicklungen gegenüber zu verschlossen, ihr Teamgeist ist unterentwickelt gegenüber anderen Branchen. Das sind drei wesentliche Erkenntnisse unserer Studie.

 

Und welche Eigenschaften geben Ihnen Ihre Klienten für die Kandidatensuche vor?

Exzellente Führungskräfte bei Banken sollen transparent, serviceorientiert und nicht autoritär führen. Ein stabiles Wertegerüst ist genauso wichtig wie die Handlungsmaxime des Schneller – Höher – Weiter. Sie sollen fachlich kompetent, lösungsorientiert und innovativ sein, als Vorbilder agieren, um ihre Mitarbeitenden zu motivieren – und sie sollen führen können. Neben dem Intelligenzquotienten ist emotionale Intelligenz nötig.

 

Lassen sich die Eigenschaften Risikobereitschaft, Lernbereitschaft und Mut nicht auch noch lernen, können sie es antrainieren?

Lernen lässt sich fast alles – insbesondere mit Training. Nur haben einige schon diese Eigenschaften, denen fällt es leichter.

 

Zum Vergleich: Wann gab es diesen Idealtypus in der Vergangenheit?

In der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders in den 1950er und 1960er Jahren. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte Deutschland fast alles verloren, selbst Werke und Fabriken hatten die Siegermächten demontiert und in ihren eigenen Ländern wieder aufgestellt. Deutschland und seine Menschen mussten ganz von vorne beginnen, praktisch mit nichts. Das hat Mut, aber auch Risikobereitschaft erfordert. Beides steigt, wenn man nichts oder wenig zu verlieren hat – also etwa nach großen Rezessionen, Wirtschaftskrisen oder Kriegen.

 

Gibt es eine Bank, die Sie vorbildlich finden?

Einige: ING Diba, Comdirect, 360T – sie alle starteten mit einem neuen Geschäftsmodell. Transparenz, Schnelligkeit und Service sind ihre Erfolgsrezepte. Die größte Herausforderung für Banken ist die rasante technologische Entwicklung. Heute sprechen wir noch über die Cloud, also Programme, die im Internet liegen, morgen über die Blockchain, eine öffentliche Datenbank.

Traditionelle Banken stehen unter dem Druck, sich den technischen Gegebenheiten anzupassen und schleppen noch alte Systeme mit. ING Diba, Comdirect, 360T sind als digitale Banken auf neuestem technologischen Stand mit neuer Software und neuesten IT-Systemen. Ältere Kreditinstitute laufen noch auf älteren IT-Systemen, die nicht mal eben abgeschaltet oder umprogrammiert werden können; sie müssen aufwändig überholt und gepflegt werden. Sie können nicht die Kundendaten einfach auf neue Systeme übertragen und werden schneller Opfer von Cyber-Kriminalität.

 

Oder liegt es daran, dass die angestellten Bankmanager Angst vor persönlicher Haftung haben?

Den Eindruck habe ich nicht. Die Vorstände börsennotierter Unternehmen unterliegen einer großen persönlichen Haftung, auch Banken. Warnendes Beispiel ist sicher VW, wo der Aufsichtsrat vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden wegen der Diesel-Affäre Schadensersatz in Millionenhöhe fordert. Wer heute Bankvorstand wird, weiß sehr genau, welche Haftungsrisiken und Herausforderungen er eingeht.

 

Woran liegt es, dass so mehr Bankmanager als Manager in anderen Branchen nach ihrer Studie autoritär sind und für eine Angstkultur im Unternehmen sorgen?

Die Politik ist eine Ursache mit ihren zunehmenden Beschränkungen, Verbote und Regulierungen. Sie spricht zu oft Verbote aus, statt lösungsorientiert gegenzusteuern und Alternativen aufzuzeigen. Und inzwischen sind die Herausforderungen für Banken-Vorstandsvorsitzende noch komplexer geworden: Ein CEO hat oft auch Aktivisten und Private-Equity-Gesellschaften als Investoren, die ihn ganz schön auf Trab halten und in sehr kurzer Zeit hohe Renditen verlangen.

 

 

 

 

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