Wenn giftige Chefs die Mitarbeiter traktieren – und das ganze Unternehmen anstecken. Jeder fünfte Mitarbeiter leidet, ist ein Poor dog, belegt ein Studie.

Gestandene, verdiente Mitarbeiterinnen, die von Weinkrämpfen geschüttelt werden. Kollegen, die zu Betriebsfesten erst gar nicht mehr hingehen. Angestellte, die sich nach über zehn Jahren im Job coachen lassen müssen von Psychologen, um den Alltag in ihrer Company bloß noch zu überstehen – und um ihren Job nicht zu verlieren. Wo sie lernen, die Anfeindungen und Bloßstellungen ihrer Chefs zumindest hinzunehmen. Irgendwie an sich abperlen zu lassen. Von Abwehren oder Gegenhalten kann dann noch keine Rede sein. Das ist heute eher Normalität als Ausnahme, allen modischen Trends von New Work & Co. zum Trotz.

Andere Mitarbeiter nehmen Tabletten oder Drogen – von Alkohol mal ganz zu schweigen -, die Dunkelziffern sind hoch. Dass Depressionen auf einem neuen Höchststand sind, dreimal so viele wie vor 23 Jahren, vermeldete jetzt gerade die DAK: „2019 sei die Zahl der Fehltage von Arbeitnehmern wegen Depressionen, Angst- oder Belastungsstörungen im Vergleich zum Vorjahr um 24 auf 260 Tage pro 100 Versicherte gestiegen. Das sei der höchste Stand seit Beginn der Untersuchung 1997. Seitdem habe sich die Zahl mehr als verdreifacht.“ 

 

Wenn das Lachen erstorben ist und Respektlosigkeit normal ist

Ein raues Betriebsklima und respektlose Behandlung dürften ihren Gutteil dazu beitragen. Wie man mieses Betriebsklima erkennt, ruckzuck und fast von außen: Etwa wenn auf Konferenzen nicht mehr gelacht wird. Wenn da nur noch einer redet, bestenfalls abfragt und die anderen sind zu seinem Publikum degradiert. Oder wenn zu Geburtstagen und Weihnachten keine gute Wünsche ausgetauscht werden.  Wenn nach dem Urlaub keiner fragt, „wie war´s?“. Wenn ein Kollege operiert werden muss und von den Teams keine Genesungswünsche und Blumen mehr geschickt werden. Wenn stattdessen alle sauer sind auf den Betroffenen, weil sie nun dessen Arbeit auch noch mit auffangen müssen.

Oder: Wenn der Chef selbst auf engen Fluren grußlos an seinen eigenen Leuten vorbei geht. Und wenn der Chef kein spontanes Glas Sekt mehr ausgibt, weil es einen Erfolg zu feiern gibt. Oder schlimmer noch, der Belegschaft einen Tropfen spendiert, sich aber nach fünf Anstandsminuten ins Chefbüro verzieht oder aus dem Haus stiehlt.

Öffentlich bloßstellen, kränken und ignorieren

Christina Hoon, BWL-Professorin an der Uni Bielefeld für Wirtschaft und Recht zusammen mit der Uni Trier und der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu in den vergangenen zwei Jahren Stimmen von Arbeitnehmern gesammelt, was sie über ihre Chefs denken. Exklusiv in der „Berliner Morgenpost“ berichtete Hoon darüber: „Gemessen wurde schlechte oder destruktive Führung: also etwa, ob Führungskräfte ihre Mitarbeiter öffentlich bloßstellen, ob sie sie kränken oder ignorieren.“ Das Ergebnis schockiert: In 85 Prozent der deutschen Unternehmen berichten Mitarbeiter von solchem des­truktivem Führungsverhalten.

 

Manche Chefs sollten vielleicht so einen Stempel anschaffen – und einsetzen. Wenn es ihnen sonst so schwer fällt, Respekt zu zollen.

 

Ein fauler Apfel steckt die anderen an

Jeder Fünfte schildert solches üble Benehmen von seinem direktem Chef. In den anderen Fällen läge es an anderen Hierarchieebenen: Und schon eine destruktive Führungskraft wirke sich im ganzen Unternehmen aus, sagt Hoon in der „Morgenpost“: “ Es ist nicht egal, ob es eine schlechte Führungskraft in einem Unternehmen gibt. Schlechte Führung führt dazu, dass das Führungsklima insgesamt toxisch wird. Es überträgt sich auf andere Führungsebenen und kostet die Unternehmen Geld.“

 

Arme Hunde unter giftige Chefs in jedem fünften Unternehmen

In nur jedem dritten dritten Unternehmen herrsche eine gesunde Führungskultur und auch ein gesundes Zufriedenheitsklima. Und dann gebe es noch die Kategorie, die die Wissenschaftler die “ poor dogs“ , die “ armen Hunde“  nennen: In rund jedem fünften Unternehmen sei das Führungsklima schlecht, die Unzufriedenheit hoch.

 

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Wie wahr….. ich kann das nur bestätigen. Wir waren ein eigespieltes kaufmännisches Team in einer deutschlandweit agierenden Wirtschaftskanzlei. 2016 ging der kaufmännische Leiter in den Ruhestand und es kam ein COO. Dieser hatte Kompetenzen in Strategie und Change Management. Das bekamen wir zu spüren. Plötzlich wurden neue Leute eingestellt und die Verbliebenen traktiert. Informationen wurden gesiebt unter dem Deckmantel Transparenz schaffen durch Kommunikationskaskaden. Ein Jahr lang schauten sich die Kollegen das an, dann ging es schneller als man denken konnte. Innerhalb der nächsten 12 Monate hatten 80% der einstigen Kollegen gekündigt, über alle Abteilungen inkl. Führungskräfte. Auch ein Neuzuschnitt der Arbeitsbereiche des COO änderte nicht, denn der Mensch ändert sich ja nicht. Als langjährige Führungskraft Anfang 50 tat ich mich noch schwer. Als die Nadelstiche immer persönlicher wurden, ich öffentlich vorgeführt wurde und unser COO mich immer fröhlich angrinste dabei, als dadurch mein Körper krank wurde, zog ich die Reißleine. Heute arbeite ich in einem freundlichen, kollegialen Umfeld. Bei meinem ehemaligen Arbeitgeber herrscht nun offiziell ein tolles Betriebsklima, denn es gibt nur Neueinsteiger und Jasager. Aber die Neuen schauen auch langsam hinter die Vorhänge und es gibt wieder Abgänge. Ein Großteil des einst vorhandenen Humankapitals und der Erfahrung dieses Unternehmens wurde in kurzer Zeit zerstört – in Geld gar nicht zu beziffern. Die Verantwortlichen sahen wahrscheinlich den Auslöser, trauten sich aber nicht, entsprechende Schritte einzuleiten. Die Ausgeschiedenen sind alle noch herzlich miteinander verbunden, schreiben und sehen sich regelmäßig. Für mich immer noch unbegreiflich, wie so ein intrinsisch motiviertes Konstrukt unterschiedlicher Abteilungs-Teams geopfert werden konnte