Fidar-Analyse: Frauen-Zahlen in Aufsichtsräten der öffentlichen Unternehmen stagnieren, viele wollen auch nicht. Die komplette Liste

Bei den 262 größten öffentlichen Unternehmen in Deutschland geht es mit der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen nicht wirklich weiter voran, hat die Organisation Fidar analysiert. Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien stieg im Vergleich zum Vorjahr nur um 1,4 Prozentpunkte auf 32,2 Prozent (2019: 30,8 Prozent) und ist nicht höher als in der Privatwirtschaft.

Immerhin stieg der Frauenanteil in Top-Managementorganen zum Vorjahr um vier Prozentpunkte auf 22 Prozent (2019: 18 Prozent).

Blamabel ist diese Erkenntnis: 14 Unternehmen (5,3 Prozent) haben immer noch eine komplett frauenfreie Führungsetage. Unten steht die komplette Liste.

Mangelhaft ist bei 49 öffentlichen Unternehmen auch die Transparenz bei ihrer Festlegung und Veröffentlichung von Zielgrößen: Von den 123 zielgrößenpflichtigen öffentlichen Unternehmen legen 39,8 Prozent keine Planungen für die Erhöhung des Frauenanteils vor. Das sind die Ergebnisse des Public Women-on-Board-Index von FidAR mit Stand Januar 2020.

 

Ziel der Bundesregierung: Parität in Leitungspositionen

„Die Unternehmen des öffentlichen Sektors müssen mit gutem Beispiel vorangehen“, mahnt Bundesfrauenministerin Franziska Giffey. „Unser Ziel ist es, in den wichtigsten Bundesbeteiligungen bis Ende 2025 einen Frauenanteil von 50 Prozent in den Leitungspositionen zu erreichen. Dafür ist aber deutlich mehr Engagement notwendig. Es ist nicht hinnehmbar, dass so viele öffentliche Unternehmen keine oder kaum ambitionierte Zielgrößen veröffentlichen. Die Verschärfung von Sanktionen bei Nichtvorlage von Zielgrößen ist ein Baustein, mit dem wir hier den Druck erhöhen werden. Wir müssen das Potenzial der Frauen endlich nutzen – das gilt für privatwirtschaftliche Unternehmen und öffentliche gleichermaßen.“

 

Öffentliche Unternehmen sind Vorbilder – aber sie sind nicht mal einsichtig

Fidar-Chefin Monika Schulz-Strelow wird deutlich: „Bund und Länder müssen endlich handeln. Es ist ein Armutszeugnis, wenn Unternehmen mit staatlicher Beteiligung nicht mal in Aufsichtsgremien einen Frauenanteil von einem Drittel erreichen. Hier sollten bei den Verantwortlichen längst die Alarmglocken läuten. Die öffentliche Hand hat bei der Gleichberechtigung eine Vorbildfunktion, entsprechend liegt die Messlatte höher.“Und weiter: „Wenn fünf Jahre nach Inkrafttreten des FüPo-Gesetzes fast die Hälfte der zielgrößenpflichtigen Unternehmen keine Zielgrößen veröffentlicht, ist das ein Alarmsignal. Das Instrument der Zielgrößen sollte eine Chance für die strategische, unternehmensangepasste Steigerung des Frauenanteils sein. Dies wurde in weiten Teilen nicht angenommen. Da offensichtlich die Einsicht fehlt, müssen daher leider der Druck erhöht und die Sanktionen verschärft werden.“

Monika Schulz-Strelow
(Foto: PR/Doris Spiekermann-Klaas)

 

Bundes- und Landesbeteiligungen nutzen Zielgrößen kaum

Da nur eines der untersuchten öffentlichen Unternehmen – die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) – unter die Quote fällt, spielen die Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, das Top-Managementorgan und die obersten zwei Managementebenen im Public Sector eine bedeutende Rolle, so Fidar. 123 – also weniger als die Hälfte der untersuchten Unternehmen – unterliegen der Pflicht, Zielgrößen zu nennen.  Aber nur 74 Unternehmen (60,1 Prozent) haben mindestens eine Zielgröße festgelegt und benannt.

Mehr noch: Die wenigen veröffentlichten Planziele sind kaum ambitioniert, so Schulz-Strelow. 13 öffentliche Unternehmen – also ein Drittel (33,3 Prozent) der 39 öffentlichen Unternehmen geben die Zielgröße Null für Frauen in ihrem Top-Management an.

Von den 54 zielgrößenpflichtigen Bundesbeteiligungen legen laut Fidar zehn – und damit fast jedes fünfte – Unternehmen keine Zielgrößen vor (18,5 Prozent. Für das Top-Managementorgan haben von den 104 untersuchten Bundesbeteiligungen nur 29 eine Zielgröße veröffentlicht (27,9 Prozent). 15 – und damit die Hälfte davon – planen mit Zielgröße Null.

Jedes dritte Unternehmen schämt sich auch nicht, Gleichstellung nicht mal anzustreben 

Schulz-Strelow: „Dass ein Drittel der öffentlichen Unternehmen mit Zielgröße Null für das Top-Managementorgan plant, ist nicht akzeptabel.“ Die Idee, dass Zielgrößenangaben helfen sollen, Geschlechtergleichstellung zu erreichen, ist gescheitert. Die Sorge um das Ansehen ist nicht so hoch wie vom Gesetzgeber erwartet: Auch die öffentlichen Unternehmen schämen sich kein bisschen, wenn sie zugeben, dass sie es auch nicht vorhaben, Frauen in ihr Topmanagement zu lassen.

 

Public Women-on-Board-Index I Bund
Frauenanteil in Aufsichtsgremien der 104 Bundesbeteiligungen (Stand 1.1.2020)
Rang Unternehmen Personen im Aufsichtsgremium Frauen im Aufsichtsgremium Frauenanteil in %
1 Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland 9 7 77,78
2 GESA Gesellschaft zur Entwicklung und Sanierung von Altstandorten 3 2 66,67
2 Toll Collect 3 2 66,67
2 TRANSIT Film Gesellschaft 3 2 66,67
2 WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste 6 4 66,67
6 NOW Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie 5 3 60,00
7 Deutsches Primatenzentrum Leibniz-Institut für Primatenforschung 9 5 55,56
7 Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau- Verwaltungsgesellschaft 9 5 55,56
9 Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ 11 6 54,55
10 Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung 13 7 53,85
11 Berliner Zentrum für Internationale Friedenseinsätze 10 5 50,00
11 BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs 6 3 50,00
11 Bw Bekleidungsmanagement 6 3 50,00
11 DB Engineering & Consulting 20 10 50,00
11 DB Services 20 10 50,00
11 DB Systemtechnik 6 3 50,00
11 DFS Deutsche Flugsicherung 12 6 50,00
11 FMS Wertmanagement AöR 8 4 50,00
11 Forschungszentrum Jülich 12 6 50,00
11 Omnibusverkehr Franken 4 2 50,00
11 VEBEG 6 3 50,00
22 Bundes-Gesellschaft für Endlagerung (BGE) 15 7 46,67
23 Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 20 9 45,00
24 EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen 9 4 44,44
24 Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie 9 4 44,44
24 PD – Berater der öffentlichen Hand 9 4 44,44
27 Deutsches Institut für Entwicklungspolitik 14 6 42,86
27 Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing 14 6 42,86
29 DB Kommunikationstechnik 12 5 41,67
29 DB Station & Service AG 12 5 41,67
29 DB Zeitarbeit 12 5 41,67
29 Helmholtz-Zentrum Geesthacht Zentrum für Material- und Küstenforschung 12 5 41,67
33 CISPA – Helmholtz-Zentrum (i.G.) 10 4 40,00
33 DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum 5 2 40,00
33 DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft („DEG“) 15 6 40,00
33 GEKA Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten 5 2 40,00
37 Futurium 8 3 37,50
37 Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 16 6 37,50
39 Facility for Antiproton and Ion Research in Europe (FAIR) 30 11 36,67
40 Autokraft 6 2 33,33
40 BwFuhrparkService 6 2 33,33
40 DB Bahnbau Gruppe 12 4 33,33
40 DB Energie 6 2 33,33
40 DB Fahrwegdienste 12 4 33,33
40 DB Fahrzeuginstandhaltung 12 4 33,33
40 DB RegioNetz Verkehrs 3 1 33,33
40 Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS) 9 3 33,33
40 Die Autobahn des Bundes 12 4 33,33
40 DVA Deutsche Verkehrs-Assekuranz-Vermittlungs 3 1 33,33
40 eurotrade Flughafen München Handels-GmbH 6 2 33,33
40 Fernleitungs-Betriebsgesellschaft 6 2 33,33
40 Flughafen Köln/Bonn 15 5 33,33
40 GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung 9 3 33,33
40 HIL Heeresinstandsetzungslogistik 12 4 33,33
40 Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin 12 4 33,33
40 RBH Logistics 6 2 33,33
40 RMV Rhein-Mosel Verkehrsgesellschaft 6 2 33,33
40 S-Bahn Berlin 12 4 33,33
40 S-Bahn Hamburg 6 2 33,33
40 Wismut 9 3 33,33
61 DB Fernverkehr AG 16 5 31,25
62 DB Cargo Aktiengesellschaft 20 6 30,00
62 DB Netz Aktiengesellschaft 20 6 30,00
62 FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur 10 3 30,00
65 Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) 11 3 27,27
66 Allresto Flughafen München Hotel und Gaststätten 15 4 26,67
67 Bayreuther Festspiele 8 2 25,00
67 Bundesdruckerei 12 3 25,00
67 BWI 12 3 25,00
67 DB Regio AG 20 5 25,00
67 Deutsche Bahn AG 20 5 25,00
67 FMS Wertmanagement Service 4 1 25,00
67 Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt 8 2 25,00
67 High-Tech Gründerfonds I 4 1 25,00
67 High-Tech Gründerfonds II 4 1 25,00
67 High-Tech Gründerfonds III 4 1 25,00
77 Deutsche Akkreditierungsstelle 9 2 22,22
78 Kreditanstalt für Wiederaufbau 37 8 21,62
79 Rundfunk-Orchester und -chöre 14 3 21,43
80 Flughafen Berlin Brandenburg 20 4 20,00
80 juris Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland 5 1 20,00
80 Zentrale Stelle zur Abrechnung von Arzneimittelrabatten 10 2 20,00
83 Flughafen München 16 3 18,75
84 CAP Flughafen München Sicherheits-GmbH 6 1 16,67
84 Deutsche Energie-Agentur 6 1 16,67
84 Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe 6 1 16,67
84 TWINCORE 6 1 16,67
88 Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) 7 1 14,29
88 JEN Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen 7 1 14,29
90 DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau 16 2 12,50
90 Deutsche Bahn Stiftung 8 1 12,50
90 Endlager Konrad Stiftungsgesellschaft 8 1 12,50
90 Kombiverkehr Deutsche Gesellschaft für kombinierten Güterverkehr 8 1 12,50
94 KfW IPEX-Bank 9 1 11,11
94 Regionalverkehr Dresden 9 1 11,11
96 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben 10 1 10,00
97 DB RegioNetz Infrastruktur 3 0 0,00
97 DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) 3 0 0,00
97 FCS Flight Calibration Services 4 0 0,00
97 Mitteldeutsche Eisenbahn 5 0 0,00
97 Regionalverkehr Oberbayern 3 0 0,00
97 SBG Südbadenbus 3 0 0,00
97 Schenker AG 20 0 0,00
97 Station Food 4 0 0,00
Summe/Durchschnitt alle 104 Bundesunternehmen: 1038 340 32,76

Quelle: Fidar 9.9.2020

Die Studie im Detail: „Der Public Women-on-Board-Index von FidAR ist die bedeutendste repräsentative Studie zur Diversity im öffentlichen Sektor. Für die vorliegende siebte Studie mit Stand 1.1.2020 wurden 262 Beteiligungen von Bund und Ländern untersucht. 123 davon unterliegen der Pflicht, Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, das Top-Managementorgan und die obersten zwei Managementebenen festzulegen und zu veröffentlichen. Von den 104 untersuchten Bundesbeteiligungen sind 54 zielgrößenpflichtig. Bei 46 der untersuchten Unternehmen entscheidet der Bund über mindestens drei Sitze im Aufsichtsgremium. Hier sollten nach dem Bundesgremienbesetzungsgesetz 50 Prozent der in die Aufsichtsgremien entsendeten Vertretenden Frauen sein.“

Blogger-Relevanz-Index 2019

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