Die DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) hat die DAX30-Aufsichtsratsvergütungen analysiert und kritisiert die hohen Honorare der Vize-Aufsichtsratschefs von der Arbeitnehmerseite. Wie viele Sitzungen die Top-drei-Chefkontrolleure absolvieren, wie es um die Gleichstellung steht und dass die Macht immer noch klar bei Männern liegt.
Paul Achleitner liegt vorn – mit großem Abstand
Die bestbezahlten Einzelmandate im DAX
Aufsichtsrat Vergütung 2017 Unternehmen
Paul Achleitner 800.000 € Deutsche Bank
Norbert Reithofer 640.000 € BMW
Gerhard Cromme 617.000 € Siemens
Gerd Krick 612.000 € Fresenius
Wolfgang Reitzle 566.000 € Continental
Jürgen Hambrecht 550.000 € BASF
Manfred Bischoff 536.000 € Daimler
Rolf Nonnenmacher 472.000 € Continental
Birgit Steinborn 468.000 € Siemens
Wolfgang Reitzle 463.000 € Linde
Paul Dieckmann hat die meisten Aufsichtsratsmandate: Gleich vier
Top-Verdiener im DAX30 in 2017 (Aufaddierte, diverse Mandate)
Aufsichtsrat Vergütung 2017 Unternehmen
Michael Diekmann 1.327.463 € Allianz, BASF, Fresenius, Linde, Siemens
Paul Achleitner 1.180.800 € Bayer, Daimler, Deutsche Bank
Karl-Ludwig Kley 1.058.000 € BMW, Deutsche Lufthansa, E.ON
Wolfgang Reitzle 1.029.000 € Continental, Linde
Gerd Krick 877.000 € Fresenius, Fresenius Medical Care
Ulrich Lehner 871.000 € Deutsche Telekom, E.ON, ThyssenKrupp
Norbert Reithofer 827.928 € BMW, Siemens
Werner Wenning 796.000 € Bayer, Siemens
Jürgen Hambrecht 765.900 € BASF, Daimler
Klaus-Peter Müller 699.500 € Commerzbank, Fresenius
Quelle: DSW 2018
Unter den Top-Ten-Aufsichtsräten nur eine Frau
Gleich vier Neue haben es in die Top-Ten der mächtigsten Aufsichtsräte in Deutschlands geschafft. Zum ersten Mal eine Frau: BWL-Professorin Ann-Kristin Achleitner, die die einträglichen wie haftungsgeneigten Nebenjobs bei der Deutschen Börse, Linde und der Münchener Rück hat (2017: Rang elf). Trotzdem sind unter den Top 50 der Aufsichtsräte erst fünf Frauen – übrigens genauso viele beziehungsweise wenige wie im Vorjahr.
Den größten Sprung nach vorn machte der neue Chef des Siemens-Aufsichtsrats, Jim Hagemann Snabe, der dänische Ex-SAP-Manager und -Aufsichtsrat, der im vergangenen Jahr noch auf Rang 28 war. Paul Achleiter, Chef-Kontrolleur bei der Deutschen Bank, arbeitet sich von Platz fünf auf Platz drei vor
Ulrich Lehner ist nicht mehr unter den Top-Ten, sondern auf Platz 20, seit er seinen Nebenjob bei Thyssenkrupp quittiert hat.
Insgesamt zahlten die DAX30-Konzerne 2017 rund 88,4 Millionen Euro (Vorjahresvergleich: Plus 6,2 Prozent) 2016: an ihre Aufsichtsräte – so viel wie nie (bisheriges Rekordjahr 2014: vier Prozent oder knapp 3,5 Millionen Euro weniger als 2017).
BMW, Siemens und Continental zahlen Aufsichtsräten für ihre Beraterverträge am meisten
Am besten bezahlte BMW seine 20 Aufsichtsräte: rund 5,6 Millionen Euro (4,6 Prozent mehr als 2016). Zweitgrößter Zahler im DAX30 ist Siemens mit 5,2 Millionen Euro. Auf Platz drei liegt Continental mit knapp 5,2 Millionen Euro (5,7 Prozent Plus gegenüber 2016).
Die größten Sprünge gab es bei der Aufsichtsrätevergütung bei Adidas mit einem Plus von 43,3 Prozent sowie Fresenius Medical Care mit einem Plus von 48,2 Prozent. Bei Adidas wurden allerdings auch vier Aufsichtsräte zusätzlich mandatiert. Auch bei E.on gab es 24,4 Prozent Plus, Fresenius 19,8 Prozent Plus und Daimler 19,7 Prozent Plus.
Demgegenüber ist das größte Minus ziemlich klein: 6,6 Prozent büßten die Volkswagen-Aufsichtsräte ein – und landete trotz Dieselskandal mit insgesamt rund 3,8 Millionen Euro immer noch auf Rang acht.
378.000 Euro kassieren DAX30-Aufsichtsratschefs im Durchschnitt
Das bestbezahlte Mandat hat mit 800.000 Euro Paul Achleitner als Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der BMW-Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Reithofer und der – mittlerweile Ex- – Siemens-Chefkontrolleur Gerhard Cromme. Alle drei waren schon 2016 die Top-drei.
DAX30-Aufsichtsratschefs bekamen 2017 im Durchschnitt rund 378.000 Euro (4,9 Prozent über Vorjahresschnitt).
Warum werden Vize-Aufsichtsratschefs überdurchschnittlich bezahlt? Weil sie von der Arbeitnehmerbank kommen?

Jella Benner-Heinacher (Foto: DSW)
Kritik übt Jella Benner-Heinacher von der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) an den überhöhten Vergütungen der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Job hat keine besonderen Anforderungen – wird aber trotzdem – also grundlos – oft um das eineinhalb- bis zweifache über den der normalen Aufsichtsräte bezahlt.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Den Aufsichtsrats-Vize stellt traditionell die Arbeitnehmerbank, so Personalberaterin Sabine Hansen von Kienbaum.

Sabine Hansen
Mehr Rechte oder Pflichten bedeutet er aber nicht: „Der Vize hat nämlich rechtlich keine besonderen Rechte oder herausgehobene Stellung. Er ist regelmäßig – aber nicht zwingend – Mitglied des Präsidiums und – ebenso wie der Vorsitzende – Pflichtmitglied im Vermittlungsausschuss mitbestimmter Aufsichtsräte.“

Hans-Ulrich Wilsing
Vor allem: „Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass dem Stellvertreter nicht das Doppelstimmrecht des Vorsitzenden zusteht“, so Hans-Ulrich Wilsing, der Spezialist ist für die Beratung von Vorständen und Aufsichtsräten.
Wie viele Termine die Top-drei-Aufsichtsräte so haben
Die meisten Sitzungen absolvierte Paul Achleitner: 70 Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen (2016: 104) den Vorsitz hatte er bei 35 Terminen hatte (2016: 40). Karl-Ludwig Kley hatte insgesamt 55 Sitzungstermine und 27 mal den Vorsitz. Michael Diekmann, der „Führende in der Einflussliga der DAX-Aufsichtsräte“ laut DSW, hatte insgesamt 45 Sitzungstermine und hatte in neun Terminen den Vorsitz.
Ein Risiko: Betriebsblindheit wegen zu langer Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat
Ein Problem kann eine zu lange Zugehörigkeitsdauer zu einem Gremium sein. Doch mit der unternehmensspezifischen Expertise wächst gleichzeitig die Gefahr, dass ein zu langes Aufsichtsratsmandat zu einer gewissen Betriebsblindheit führt laut DSW. Die meisten, also 26 der 30 DAX-Unternehmen haben eine Begrenzung der Zugehörigkeitsdauer für Aufsichtsräte – meist sind es 15 Jahre. Ausnahmen: Adidas, Commerzbank, Fresenius und FMC.
In der Realität ist die durchschnittliche Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat eines DAX30-Unternehmens von der 15-Jahres-Grenze noch weit entfernt: Aufsichtsräte – egal ob auf der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerbank – sind im Schnitt gut fünf Jahre dabei. Die Aufsichtsratsvorsitzenden sind im Schnitt 7,9 Jahre dabei.
Wer am längsten dabei ist? Interessanterweise sind es zwei Arbeitnehmervertreter: Manfred Schoch von BMW und Heidi Thaler-Veh von Adidas sind seit 1988 beziehungsweise 1994 in ihren Aufsichtsräten.
Gleichstellung klappt auf Druck – zumindest beim Besetzen
Die Bilanz der Geschlechtergleichstellung der vergangenen Jahre: Betrug der Frauenanteil in den DAX30-Aufsichtsräten 11,6 Prozent, so liegt er jetzt, 2018, bei knapp 34 Prozent. Allerdings betrug der Frauenanteil 2006 auf der Arbeitnehmerbank bereits 18,2 Prozent – und heute 35,7 Prozent.
Die Frauenquote sorgte für Handlungsdruck bei der Arbeitgeberbank. Der Sprung von fünf Prozent auf 32 Prozent gelang durchaus. „Insgesamt wird das 30-Prozent-Ziel erfüllt“, so die DSW. Jedoch: Dies träfe allerdings nach wie vor besonders auf die Gesellschaften zu, deren Aufsichtsrat paritätisch besetzt ist. Nur diese sind gesetzlich zur Einhaltung verpflichtet.
Im Detail: Von den DAX30 haben drei Konzerne weniger als 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. Bei Beiersdorf fehlt auf der Arbeitnehmerseite eine Frau.
Die Macht liegt nach wie vor bei den Männern
Insgesamt liegt die Macht aber klar bei den Männern: Selbst bei den Aufsichtsräten, die das 30-Prozent-Ziel schaffen, ballt sich die Machtverteilung noch deutlich bei den männlichen Aufsichtsratsmitgliedern. Gut 78 Prozent der Ausschusssitze besetzen Männer, nur knapp 22 Prozent Frauen. Den Aufsichtsratsposten hat im DAX mit Simone Bagel-Trah bei Henkel nur eine Frau inne.
Die Frauen-Bilanz in DAX, MDAX, TecDAx und SDAX
In allen vier DAX-Indizes sind es insgesamt nur sieben Frauen, die die Aufsichtsräte der 160 größten deutschen Unternehmen führen. Im einzelnen:
DAX: Henkel
MDAX: Aareal Bank
TecDAX: Pfeiffer Vacuum, Telefonica Deutschland
SDAX: Hamborner Reit, SGL Carbon und Steinhoff
Transparenz für alle im MDAX, TecDax und SDAX erst in zwei Jahren
Dank der EU-Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) wird es künftig zu einigen Veränderungen kommen: Zukünftig wird die Vergütung des Aufsichtsrats, genau wie die des Vorstands, Teil der Vergütungspolitik des Unternehmens sein. Das bedeutet, dass darüber bei jeder Änderung, mindestens aber alle vier Jahre auf der Hauptversammlung abzustimmen ist. Und: die Transparenz der Vergütung wird, genau wie bei den Vorständen, massiv erhöht. DSW: Denn künftig müssen die Unternehmen auch die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder individualisiert offenlegen, spätestens im Jahre 2020.
Unter der Vergütungs-Tarnkappe: Fielmann, Axel Springer, Hugo Boss, Jungheinrich und Wacker Chemie
Bei den DAX30 gibt es keine Transparenzverweigerer beim Veröffentlichen individualisierter Aufsichtsratshonorare mehr. Doch anders sieht es bei vielen kleineren Gesellschaften aus: Im MDAX beispielsweise nutzen etwa der Medienkonzern Axel Springer, die Optikerkette Fielmann, der Modekonzern Hugo Boss, der Maschinenbauer Jungheinrich und Wacker Chemie die sogenannte Tarnkappenregelung und benennen nur die Gesamtsumme für all ihre Aufsichtsräte.

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