Die Angst der mittelständischen Unternehmer vor ihren Kunden – oder wie die Firmen ihr Geld fehlinvestieren und sich auf ihrem Digitaltrip verzetteln. Gastbeitrag von Ben Broshi, Digital-Chef bei Deutsche Tele Medien.

Ben Broshi (Foto: Presse)
Eine Untersuchung der Förderbank KfW wartet mit Fakten auf, die zeigen, dass die Mittelständler in Deutschland ordentlich ins Digitale investieren – dumm nur, dass die eigentlichen Adressaten, die Verbraucher, davon nichts haben. Zwar haben bislang 25 Prozent der mittelständischen Unternehmen in digitale Technologien investiert –Tendenz steigend. Aber: Dieses Geld steckten die Unternehmen primär in die Verbesserung ihrer eigenen Produktion und ihre eigene Verwaltung. Nützt das dem Kunden? Nein.
Das ist schon ein Phänomen: Landauf landab klagen Mittelständler, wie sehr sie sehr sie Amazon & Co. als Konkurrenten fürchten. Sie selbst blenden aber dennoch genau deren Stärken aus: den digital aufgerüsteten Kundenservice. So sucht man individualisierte Produkt-Angebote fürs Smartphone, digitale Terminvereinbarung, den digitalen Angebots- und Warenkatalog bei mittelständischen Unternehmen zumeist noch vergeblich.
Im Sinne der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit, frage ich mich: Warum? Ignoranz – oder einfach nur #Digitalisierungsangst? Die Angst vor dem Neuen, dem Unbestimmten, der Reise mit ungewissem Ziel. Der Angst, sich einmal zu verlaufen. Denn klar ist, an Geld mangelt es nicht im Mittelstand.
Unsicher im Digitalen Spielzeugladen – ohne Wissen und Experten
Zugegeben, die Digitalisierung stellt gerade kleine und mittelständische Unternehmen vor riesige Herausforderungen. Die Vielfalt der Angebote im Digitalen Spielzeugladen überfordert offensichtlich noch die meisten Unternehmen. Ihnen fehlen das Wissen und die richtigen Leute, um aus dem Sammelsurium an Möglichkeiten, die wirklich relevanten Themen und Tools erst einmal zu identifizieren. Schließlich geht es nicht darum, die Rezepte der Großen einfach zu kopieren und durch die Amazonisierung die gewachsenen, eigenen Stärken und gleich noch das alte Personal loszuwerden. Im Gegenteil, beides muss bewahrt und verteidigt werden – eisern.
Digitalisierung ist keine Personaleinsparungsmethode
Ganz klar: Unternehmen, die Digitalisierung als Personaleinsparungsmethode angesehen und auch noch intern so verkauft haben, sind auf dem Holzweg. Schlimmer noch: Sie haben selbst die Anti-Haltung ihrer Belegschaft erzeugt.
Die Digitalisierung soll im Mittelstand nur eins, die Mitarbeiter unterstützen um die Kunden bei Laune zu halten – und deren Kauffreudigkeit zu steigern. Denn von Amazon lernen heißt nicht mehr und nicht weniger als sehr erfolgreich Verkaufen lernen. Schließlich produzieren die Onlineriesen nichts selbst – und hängen trotzdem den Mittelstand ab.
Der Wettkampf um die gleichen Kunden
Der findet sich nun in einem massiven Verdrängungswettbewerb wieder. Mittelständler müssen bestehen gegen Großunternehmen, Filialketten und Online-Händlern, die mit großer digitaler Expertise und einem riesigen Schatz an Daten agieren. Und sie konkurrieren um die gleichen Kunden.
Dabei ist dem Kunden ja eigentlich seine Werkstatt um die Ecke, der Friseur, die Parfümerie, der Schlüsseldienst wichtig und er will sie gar nicht missen. Er will erkannt werden. Er will gewarnt und beraten werden – auch ungefragt, und das in seiner Stadt, in seinem direkten Umfeld.91 Prozent der Verbraucher sehen das so und halten laut einer Repräsentativbefragung der „Initiative für das Gewerbe nebenan“ ein vielfältiges Angebot an Dienstleistungen und Services in ihrer Stadt für äußerst wichtig und sehen den Niedergang der mittelständischen Gewerbestruktur als massives Problem an.
Dumm nur, wenn der Verdrängungswettbewerb von Amazon & Co. exklusive Infrastruktur auf dem Land und in kleinen Städten ruiniert und Werkstätten und Läden verschwinden und letztlich nur Tristesse bleibt.
Die Gretchenfrage ist: Wie lassen sich für Mittelständler mit digitaler Hilfe mehr Kunden gewinnen, mehr Umsatz machen? Nun, es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie sich Kundenservice digital verbessern lässt. Da wäre zum Beispiel das große Feld der Terminvereinbarung und Planung. Hier bietet sich für den Mittelständler um die Ecke die Chance, mit den Großen mitzuhalten. Dies lässt sich auch erreichen, wenn Kunden beispielsweise regelmäßig per Push-Benachrichtigung oder per Newsletter über neue Angebote oder Sonderaktionen schnell und direkt informiert werden. Auch die sozialen Medien bieten jede Menge Möglichkeiten, mit Kunden in Kontakt zu kommen. Und dazu sind weder aufwändige IT-Strukturen noch viel Geld notwendig.
Digitale Aufrüstung ist machbar
Gerade Dienste wie zum Beispiel Online-Terminservices oder die sich gerade anbahnende Verhaltensänderung der Nutzer Richtung Sprachassistenten bieten neue Chancen: Man muss dabei gar nichts Neues erfinden – es genügt vielmehr, ein paar relevante und erprobte digitale Tools – die es bereits für kleines Geld gibt – zu setzen und seriöse Beratungsangebote von verlässlichen, regional ansässigen Partnern wahrzunehmen und so den Schritt in die Optimierung des Kundenservices zu machen.
Es gibt keinen Grund dafür, dass sich Mittelständler von den Amazon‘s und Zalando‘s einschüchtern lassen müssen. Es gilt, die richtigen Prioritäten zu setzen und Digitalisierung als Chance zu begreifen, um die eigenen Mitarbeiter dabei zu unterstützen, optimalen und wettbewerbsfähigen Service für die Kunden zu bieten.
Dann entstehen endlich wieder erfolgreiche regionale und lokale Geschäftskonzepte, die mit digitaler Unterstützung die traditionell starke Verbindung zwischen Kunde und Mittelständler nutzen, um im Wettbewerb mit den Großen zu bestehen. Die emotionale Unterstützung der Kunden hätte man allemal.
Durch die „Großen“, wie Amazon und Zalando, hat sich auch die konkrete Gegenbewegung gebildet. Immer mehr Kunden suchen genau deshalb kleine Unternehmen mit hoher Qualität im lokalen Umfeld und akzeptieren diesbezüglich sogar höhere Preise.
Die Medaille hat wie immer zwei Seiten.
Ich bin dem sehr einig: Digitalisierung ist nicht nur was für die Großen, sondern können gerade kleinere Unternehmen konkurrenzfähig machen. Ihr Vorteil ist, dass Sie digitale Projekte schneller umsetzen können, weil die Komplexität bei der Implementierung im Vergleich geringer ist. Was fehlt, ist aber oft intern das nötige Knowhow um die richtigen Prioritäten zu setzten und das Projekt so zu gestalten und voranzutreiben dass auch letztendlich der Mehrwert erzeugt wird. Hier könen externe Berater und Freiberufler helfen und eine sehr gute Investition sein.