Interview Commerzbank-Vorstand Michael Reuther: Wer seine Daten nutzt, macht mehr Umsatz

Interview mit Michael Reuther, Vorstand Firmenkunden bei der Commerzbank, über die mittelständischen Unternehmen und die Tatsache, dass die meisten ihre Daten nicht auswerten – obwohl sie dann viel zielgerichteter produzieren und verkaufen, also Umsätze steigern könnten. Fortsetzung zu Big-Data-Studie von der Commerzbank. https://blog.wiwo.de/management/2018/04/18/umfrage-big-data-im-mittelstand-warum-unternehmen-ihre-daten-weder-sammeln-noch-analysieren/ https://blog.wiwo.de/management/2018/04/18/umfrage-big-data-im-mittelstand-warum-unternehmen-ihre-daten-weder-sammeln-noch-analysieren/

Michael Reuther, Vorstand Firmenkunden (Foto: Commerzbank)

Herr Reuther, Ihre Studie belegt, dass nur acht Prozent der mittelständischen Unternehmen Daten ihrer Kunden sammeln und unternehmerisch nutzen. Will die große Mehrheit – die 80 Prozent – nicht mehr verkaufen?

 
Reuther:  Dafür gibt es gleich drei Gründe. Der erste ist Zeit, und zwar warten viele Unternehmen immer noch ab und wollen sich dreieinhalb Jahre oder noch länger Zeit lassen. Das halte ich für fahrlässig. Der Markt und der Wettbewerb sind schließlich in Bewegung. Ein großes Potenzial von Big Data liegt ganz klar in der Weiterentwicklung oder Neuentwicklung von Geschäftsmodellen, aber das braucht Zeit und Know-how – das ist dann der zweite Faktor. Es reicht nicht, nur Experten für kurze Zeit von außen einfliegen zu lassen. Auch ein Mittelständler muss Spezialisten nach der Kick-off-Phase ins Unternehmen integrieren. Denn Big Data ist keine Phase, die vorübergeht.
 
Also Aussitzen funktioniert nicht –  dennoch bremsen die Führungskräfte, haben Sie herausbekommen?
 
Die Manager sind der dritte Faktor, die Unternehmenskultur. Das mangelnde Commitment der Führungkräfte ist ein echtes Hindernis für Big Data. Klar, Big Data muss strategisch von der Unternehmensleitung gewollt und unterstützt werden. Entscheidend für den Erfolg sind die Führungskräfte, die bereit sind, abteilungsübergreifend zusammen zu arbeiten, aber auch ganz neue Fach- und Führungskräfte. Da passiert häufig ein echter Kulturwechsel im Unternehmen. Wie erfolgskritisch das ist, bestätigen 38 Prozent derjenigen, die Big Data bereits erfolgreich umsetzen und damit sehr weit sind.
 
 
 
Die Umfrage ergibt, dass die Führungskräfte zu wenig Bereitschaft für Big Data an den Tag legen, inwiefern?
Es braucht den unternehmerischen Willen von ganz oben, um Big Data im Unternehmen zu verankern. Aber langjährige Führungskräfte sind ja nicht automatisch diejenigen mit dem besten Verständnis und Gespür für die Nutzung der Unternehmensdaten. Zum einen erkennen sie das oft nicht. Und zum anderen ist es für jeden schwierig, ein Stück Macht und Verantwortung an Experten abzugeben und Mitarbeitern neue Freiräume zu gewähren. So lange nur Daten gesammelt werden, kann man die Experten extern einkaufen und neue Prozesse parallel laufen lassen. Wenn aber die bereichsübergreifende Analyse und Nutzung großer Datenmengen zum Normalfall wird, müssen sich Innovationsmanagement, Abläufe und Strukturen ändern.
 
 
 
 
Was entgeht der großen Mehrheit der Unternehmen konkret, die ihre Daten nicht nutzen?
 
Die wenigen Datenkünstler – das sind grade mal acht Prozent – sind auch insgesamt erfolgreichere Unternehmen. Die Beschäftigung mit den Daten soll ja nicht nur Effizienzpotenziale heben – auch wenn das für die Kundenorientierung und Absatzsteigerung eine gute Sache ist. Es geht darum, neue Geschäftsmodelle in Chancen am Markt zu verwandeln und sich zur Not teilweise selbst Konkurrenz machen. Auch wenn das Bisherige gut funktioniert. Nehmen Sie Gisbert Rühl, den Vorstand von Klöckner, der eine Online-Stahlhandelsplattform ins Leben gerufen hat. Auf der verkauft er nicht nur den eigenen Stahl, sondern auch den der Konkurrenz.
 
Also ist es eine Milchmädchenrechnung der Unternehmen, zu wenig Personal fürs Datensammeln und die Ausrichtung auf Kundenorientierung einzustellen oder sonst auch selbst heranzuziehen, wenn die Zielgruppe am Ende damit ausgeweitet würde?
 
Ja, stimmt. Erfolgsgeheimnisse sind: Eigene Digital- und Big-Data-Spezialisten an Bord zu haben. Wem die fehlen, der sollte sie sich selbst ausbilden. Es gibt ja entsprechende Unterstützung von Hochschulen und IHKs und dann auch die passenden Berufsbilder. Zudem fehlt in vielen Unternehmen der Mut beispielsweise in Pilotprojekten einfach mal etwas auszuprobieren. Die Unternehmen in Deutschland brauchen eine Fehlerkultur und ebenso den Mut, Projekte auch wieder zu beenden.
 
 
Fürchten Unternehmen die zu komplizierten Datenschutzregeln? Die Strafen für Verstöße wurden ja gerade  massiv erhöht.
 
Big Data kann nicht an zu komplizierten Datenschutzregeln scheitern. Im Gegenteil, die Reglementierung ist wichtig, um Sicherheit zu erzeugen und damit den Mut zum Handeln auch zu belohnen. Das zeigen ja gerade die aktuellen Fälle, wie eben Facebook. 30 Prozent der Unternehmen sagen sogar umgekehrt, dass eher mangelnder Datenschutz bei ihnen das Datensammeln  und -auswerten erschwert. 81 Prozent der Mittelständler sagen, sie wünschen sich internationale, einheitliche Datenschutzgesetze.
 
 
Unfähig sind die Unternehmen jedenfalls nicht: Finanzen, Lagerbestände und Absatzschwerpunkte erfassen sie sehr wohl – was sie ja auch müssen, fürs Finanzamt, für Investoren undsoweiter.
 
Mir scheint es plausibel zu sein, dass diese internen Daten viel einfacher zu erheben sind als Daten aus dem Markt oder aus der Kundschaft. Lagerbestände, Finanzdaten oder Personaldaten gibt es ja bereits, sie müssen nur systematisch erfasst, systematisiert und analysiert werden. Sicherlich spielen hier auch Berichtspflichten eine Rolle, aber die Erfassung ist wohl vor allem eine Frage der Zugänglichkeit.
 

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