„Was Vorgesetzte nicht tun, wiegt schwerer als das, was sie tun“- Gastbeitrag von Ulrich Hemel

Kollusion – über das Zusammenspiel der Macht. Gastbeitrag von Ulrich Hemel, Direktor, Institut für Sozialstrategie, Manager und Unternehmer.

 

Ulrich Hemel

 

Was tun, wenn Sie das Gefühl haben, Ihre Kollegen und Kolleginnen tuscheln hinter Ihrem Rücken über Sie?

So ging es Mariella B., einer gut aussehenden, sehr gepflegten Mitarbeiterin im Kundenservice eines mittelständischen Betriebs. Sie war neu, und eine ihrer Kolleginnen machte ihr das Leben schwer. Die Kollegin, Claudia P., war stämmig, resolut und laut. „So wird das nie etwas!“ tönte sie vor allen anderen Kolleginnen, und Mariella zuckte zusammen. Warum, verstand Mariella B. nicht. Ihre Kollegin äußerte später einmal, sie sei einfach zu langsam gewesen.

 

Was Vorgesetzte nicht tun, wiegt schwerer als das, was sie tun

Mariella B. entschloss sich, zum Personalleiter zu gehen. „Wie lange sind Sie schon dabei?“ fragte der. „Ach so, dann sind Sie ja noch in der Probezeit!“ Mariella fühlte sich nicht gerade erleichtert, auch wenn ihr der Personalleiter aufmerksam zugehört hatte. Er lud sie auch ein, erneut das Gespräch zu suchen. Was er nicht tat, wog schwerer: Weder bot er an, ein persönliches Gespräch mit der Kollegin zu führen noch brachte er das Thema vor die Geschäftsleitung. Anders gesagt: Mariella fühlte sich alleine gelassen.

 

Danach erkundigte sie sich: Der Personalleiter, Holger K., ging Konflikten eher aus dem Weg. Seine Wohlfühlzone war im wichtig. Mit der Geschäftsführung konnte er gut, aber Initiative ging von ihm nicht aus. Bei schwierigen Fragen versuchte er, jede Festlegung zu vermeiden. Gab es eine wirklich unmissverständliche Entscheidung der Geschäftsführung, setzte er sie ohne größere Gefühlsregung um. Fachlich war er auf der Höhe der Zeit, doch aufwändige Themen wie etwa ein „betriebliches Gesundheitsmanagement“ wusste er zu verhindern. „Für einen Betrieb unserer Größe ist das nicht zu leisten“, meinte er. Auf Intervention eines der Geschäftsführer wurden dann aber doch ergonomische Bürostühle angeschafft. Das war es dann auch.

 

Mit Fachlichkeit alleine ist es nicht getan

Dies alles klingt wie eine Karikatur, ist es aber nicht. Gerade im Bereich Human Resources gibt es nach wie vor Menschen, die meinen, mit ihrer Fachlichkeit alleine sei es getan. Sie verstehen, dass es gelegentlich unterschiedliche Interessen zwischen Geschäftsleitung und einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gibt, aber sie wissen auch, wie man Eskalationen vermeidet.

 

Ohnmächtige Personalchefs – willfährige Trittbrettfahrer der Macht

Der Preis dafür ist hoch. Denn für viele Angestellte bedeutet dies: „Es lohnt sich gar nicht, eigene Anliegen deutlich und klar vorzubringen.“ Denn es kommt nur das Gefühl zurück, warum man nun die heilige Betriebsruhe stören wolle. Solche Personalchefs wirken entweder ohnmächtig oder eben als bequeme und willfährige Trittbrettfahrer der Macht. Ihnen misslingt der mutige Spagat der ehrlichen Interessenvertretung im Spannungsfeld zwischen Fürsorge und Leistungsmotivation. Ihre Neigung zur Konfliktvermeidung hemmt die langfristige Organisationsentwicklung, besonders dann, wenn aus der Geschäftsführung selbst keine anderen Signale kommen. „Kollusion“ könnte man das nennen, das unselige Zusammenspiel zum Schaden aller.

 

Das-Feld-Verlassen als sinnvoller Ausweg

Was kann man tun? Als einzelner sind Handlungsspielräume naturgemäß begrenzt. Mariella B. suchte sich eine andere Aufgabe und kündigte – denn die Probezeit ist ja eine beidseitige Angelegenheit. Und genau darin liegt auch der Schlüssel bei Situationen, die zu stark von „Kollusion“ geprägt sind: Wenn der offene oder verborgene Konflikt nicht gelöst werden kann, ist das „Verlassen des Feldes“ ein sinnvoller Ausweg.

Für die „Employer’s Attractiveness“ ist das keine gute Nachricht. Denn ein eher stagnierendes Umfeld spricht sich auf dem Arbeitsmarkt herum. Und es ist ansprechend für Menschen, die ihr Auskommen suchen, aber nicht gestalten möchten. Was das langfristig für den Erfolg eines Unternehmens bedeutet, liegt auf der Hand.

 

Viele wollen sich nicht unbeliebt machen, gegen Unternehmenskultur verstossen

Und die Eskalation des Konflikts? Sie ist überall dort eine Lösung, wo der „Abkehrwille“ des einzelnen schon ausgeprägt ist und Alternativen verfügbar sind. Andernfalls schätzen viele Mitarbeitende das Risiko als für sie zu hoch ein: Man macht sich unbeliebt und „passt“ irgendwie nicht zur Unternehmenskultur!

Dabei gilt auch hier: Der Fisch stinkt vom Kopf. Denn wenn ein Mitglied der Geschäftsleitung auf der Ebene jenseits der Personalleitung ansprechbar ist, lassen sich auch Themen wie Kollusion und Mobbing sehr wohl so adressieren, dass nicht gleich das ganze Betriebsklima leidet.

 

Geschäftsführer, die zulassen, dass Konflikte ausgesprochen werden, profitieren langfristig 

Und das ist dann auch die gute Nachricht zum Schluss: Wer als Geschäftsführer darauf achtet, dass Konflikte klar, aber in einer menschlich akzeptablen Art und Weise an- und ausgesprochen werden, profitiert langfristig. Denn ein solcher Betrieb wird ein besseres Betriebsklima genießen als andere und ist attraktiv auch für die Außenwelt.

In Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels bedeutet dies, dass sich  die Investition in eine Personalführung lohnt, die bereit und in der Lage ist, mit Konflikten konstruktiv umzugehen.

 

 

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