Die Empathie zu Unrecht in Misskredit – Gastbeitrag von Managementberaterin Sabine Hübner

Empathie ist nicht gefährlich, sondern hält Menschen zusammen. Sie gut und richtig zu leben, ist allerdings eine Kunst, sagt Sabine Hübner, Chefin der Managementberatung Richtigrichtig und Spezialistin für Kundenorientierung. Ein Gastbeitrag.

 
Wer im Zirkus der öffentlichen Aufmerksamkeit wahrgenommen werden will, muss NEIN! Rufen, wenn alle JA! sagen. Ein altes Spiel. Oft finde ich es belustigend – im Moment ärgert es mich. Weil es ein Thema trifft, das mir sehr am Herzen liegt: Empathie.

 

Sabine Hübner

 

Empathie galt lange Zeit ganz selbstverständlich als JA-Thema. Jetzt gilt es schick, Empathie auf die dunkle Seite der Macht zu stellen und einen großen NEIN-Aufkleber draufzupappen. Geradezu gefährlich soll Empathie auf einmal sein. Oha.

Wer kommt auf solchen Unfug? „Professor Fritz Breithaupt“, könnte man hastig rufen. Der Autor von „Kulturen der Empathie“ (2009) und „Die dunklen Seiten der Empathie“ (2017). Er ist es, der jetzt in den Medien herumgereicht wird als intellektueller Warner vor allzu viel Gefühl und der damit für gute Quoten und Klickraten sorgt.

Dabei ist er ursprünglich nicht dazu angetreten, die Empathie in Misskredit zu bringen. Er wollte sie lediglich besser verstehen und hat dazu sehr kluge Gedanken entwickelt – von denen nun leider immer nur die „dunkle Seite“ kolportiert wird. Also die halbe Sache. Mit geradezu absurden Ergebnissen.

Empathie ist per se natürlich nicht gefährlich, sondern genau das, was uns Menschen zusammen hält. Sie gut und richtig zu leben, ist allerdings eine Kunst – gerade im Service. Weil zur Empathie immer noch eine Zutat dazu kommen muss, damit die Sache rund wird:

 

1. Empathie braucht Abstand
Natürlich gibt es Menschen, die sich im anderen verlieren. Wir alle wissen von Krankenpflegern, Lehrerinnen, Flüchtlingshelfern oder Sportvereins-Ehrenämtlern, die sich verausgaben, bis sie in die Burnout-Klinik gebracht werden. Das ist die pathologische Seite der Empathie – nicht die gute. Gute Service-Empathie gerade blüht dann auf, wenn Mitarbeiter einfühlsam sind und professionellen Abstand wahren.

 

2. Empathie braucht Bescheidenheit
Ja, es mag Menschen geben, die mit ihrer Hilfsbereitschaft nur ihr eigenes Ego aufblähen. Doch zu behaupten, dies sei bei jedem Akt der Service-Empathie der Fall, ist ein Schlag ins Gesicht für die unzähligen Mitarbeiter und Ehrenämtler, die sich aus Gründen für andere einsetzen, die weit über ihr Ego hinausgehen: Menschlichkeit. Sinn für Gerechtigkeit. Haltung. Vielleicht ist das das Geheimnis echter Bescheidenheit.

 

3. Empathie braucht Klugheit
Wir alle kennen Fans, die ihr Herz verschenkt haben: an Bayern oder Schalke. Beatles oder Stones. Links oder Rechts. Diese Religion oder jene. Kippt die Empathie mit einer Gruppierung um in Fanatismus – ist das dann der Empathie anzukreiden? Oder nicht vielmehr der fehlenden Klugheit derer, die sich zu hirnlosem Verhalten hinreißen lassen?

 

4. Empathie braucht Selbstreflexion
Es ist natürlich nicht so, dass Empathie automatisch zu „sozialem Vampirismus“ führt – so war es neulich zu lesen. Dass Stalker und Helikopter-Eltern auch empathisch sein können, das mag ja sein. Vor allem aber agieren sie egozentrisch bis narzisstisch – und merken es nicht. Das Problem dabei ist aber gerade nicht die Empathie, sondern die mangelnde Fähigkeit zur Selbstreflexion. Die mangelnde Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu spüren und von denen anderer Menschen zu unterscheiden. Und vielleicht mehr noch: Die fehlende Selbst-Empathie.

 

5. Empathie braucht Haltung
Das ist das erstaunlichste Argument, das derzeit gegen Empathie ins Feld geführt wird: Empathie mache sadistisch. Nun, die Abgründe der menschlichen Psyche mögen tief sein – aber auch das können wir doch nicht der Empathie selbst anlasten. Insbesondere zu Service-Empathie sind aus meiner Erfahrung nur diejenigen Mitarbeiter in der Lage, die psychisch gesund sind und eine starke Haltung entwickelt haben. Das heißt: Menschen, die den anderen Menschen aufrichtig mögen. Sein Bestes wollen. Immer.

Gut und richtig Handeln braucht eben mehr als nur ein Gefühl. Es braucht Haltung, einen hellen Kopf und Abstand. Abstand von denjenigen, die so gerne laut nach Aufmerksamkeit brüllen. Und nicht zuletzt … Abstand von sich selbst.

Empathie hat eine sehr attraktive, „helle Seite“, die wir bei allem Gerede über ihre Kehrseiten nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Der Dalai Lama sagt sogar „Empathie ist eine globale Notwendigkeit.“

 

 

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [2]

  1. Hallo Frau Tödtmann, hallo Frau Hübner,
    Empathie ist für mich als Coach einer der Schlüssel für eine erfolgreiche Arbeit. Durch diese klientenzentrierte, wertschätzende Haltung öffnen sich die Klienten viel eher und man bekommt einen besseren Zugang. Dies alles kommt am Ende dem Klienten zu Gute, der auf diese Art viel besser Hilfe zur Selbshilfe erfahren kann.
    Herzliche Grüße,

    Susanne Volkert
    https://www.susannevolkert.de