Buchauszug: „Zündstoff für Andersdenker“

Buchauszug Anja Förster/Peter Kreuz: „Zündstoff für Andersdenker“ 

 

Autoren-Duo Peter Kreuz und Anja Förster  (Foto: Sebastian Weindel)

 

Teil 3. Was Personaler am liebsten verbieten: Wer etwas anzünden will, muss auf die richtigen Leute setzen.

 

1. Warum Quereinsteiger oft die besten Ideen haben

Bertrand Piccard hat im Jahr 2016 zusammen mit André Borschberg die Welt umrundet. Gut, das ist heute nichts Besonderes mehr. Aber die beiden haben sie in mehreren Etappen in einem Flugzeug umrundet. Hm, okay, auch das ist nichts Außergewöhnliches. Aber: Sie verbrauchten dabei keinen einzigen Tropfen Kerosin! Ihr Flugzeug, die Solar Impulse, besitzt vier Elektromotoren, die alleine aus den Solarzellen auf den Tragflächen gespeist werden. Das ist revolutionär!

Bertrand Piccard ist ein sehr charismatischer und energiegeladener Typ. Er stammt aus einer Schweizer Abenteurer- und Entdeckerfamilie und macht dieser Familientradition alle Ehre: Ständig lotet er die Grenzen des Machbaren aus und probiert Neues, Bahnbrechendes. Wir hatten die große Freude, mit ihm auf mehreren Vortragsveranstaltungen aufzutreten und mit ihm hinter der Bühne zu plaudern. Diese Begegnungen haben uns sehr beeindruckt, denn er sagte dabei etwas, das in uns nachglühte: „Ich komme nicht aus der Luftfahrtbranche. Mein Partner André Borschberg hat nie ein Flugzeug gebaut. Aber gemeinsam entwickeln wir das innovativste Flugzeug der Welt.“

Trotzdem. Oder: gerade deshalb!

Interessanterweise ist Piccard in der Frühphase des Projekts an mehrere etablierte Flugzeugbauer herangetreten. Doch alle winkten ab: „Unmöglich!“.

Dieses Schema gibt es nur allzu häufig: Echte Durchbruchinnovationen werden selten von denen gemacht, die die besten Chancen und Möglichkeiten dazu hätten, weil sie viel Erfahrung und Know-how haben. Sondern häufig von den Außenseitern, die ihre Wurzeln in ganz anderen Branchen haben – die aber gerade deswegen die Dinge mit anderen Augen sehen und ganz anders vorgehen.

Darum stimmen wir mit Bertrand Piccard völlig überein: „Wenn du Innovation willst, musst du aus dem System heraustreten!“

 

Peter Kreuz, Anja Förster: „Zündstoff für Andersdenker – Das Erfolgsbuch“, Murmann Verlag, 172 Seiten, 24,90 Euro http://www.murmann-verlag.de/zuendstoff-fuer-andersdenker.html

 

 

Überzeugungen hinterfragen fällt schwer – muss aber sein

Warum ist das so? Die Krux liegt im Horizont unseres Denkens. Anders gesagt: Was wir wissen, begrenzt das, was wir uns vorstellen können.

Goethe sagte: „Man sieht nur, was man weiß.“ Das ist die abschwächende Wirkung unserer Erfahrung: Je besser wir Bescheid wissen über unsere Branche, unsere Produkte, unsere Kunden, desto schwerer fällt es uns, unsere Überzeugungen zu hinterfragen. Das heißt nichts anderes, als dass genau die mühsam erarbeiteten Best Practices, die in der Vergangenheit unseren Erfolg gebracht haben, die Saat des Misserfolgs in sich tragen. So ist zu verstehen, was der französische Philosoph Paul Valéry sagte:„Was dir am besten gelingt, wird dir unweigerlich zur Falle.“

 

Denker ohne Schwerkraft, Outsider – zum Befruchten der Teams

Aber es gibt eine Lösung für dieses Problem: Holen Sie sich Zero Gravity Thinker ins Unternehmen! Denker ohne Schwerkraft, Menschen wie Bertrand Piccard, die vollkommen unbeschwert und unbelastet davon sind, „wie man die Dinge hier eben macht“, „wie die Branche so tickt“, „was Kunden von uns erwarten“ oder „was wir schon seit 1764 so machen und worüber sich noch nie jemand beschwert hat!“.

Der geniale Begriff des „Zero Gravity Thinkers“ stammt von Cynthia Barton Rabe, der Autorin des Buchs The Innovation Killer. Sie beschreibt einen Typus Mensch, den man sehr wohl in Unternehmen findet – aber leider viel zu selten in den klassischen Funktionen oder auf den üblichen Karrierepfaden. Es sind oft Quereinsteiger wie Anthropologen, Ethnographen, Designer, Theaterwissenschaftler oder Leute mit einem nicht stromlinienförmigen Background. Sie schließen sich einem Projekt oder Team an und tragen dort ihre Ideen, Perspektiven, Thesen und Standpunkte bei, um sogleich weiterzuziehen und das nächste Team oder Projekt zu befruchten.

Sie wollen nirgends festwachsen und das ist auch gut so, denn sonst würden sie ihr frisches, unbelastetes Denken verlieren und aus dem Outsider würde ein Insider werden, ohne die nötige Distanz zur spezifischen Branchenexpertise, den Best Practices und dem Tagesgeschäft.

Gerade die Kombination des schwerelosen Denkens mit der Erfahrung der Etablierten birgt die wahre Sprengkraft für die Fesseln des Gestern. Wer regelmäßig Outsider temporär hereinholt, läuft nicht Gefahr, dass Erfolg zur Falle wird, sondern kann immer wieder neu säen und ernten.

Das ist unser Vorschlag für Sie: In großen Unternehmen können Sie solche Zero Gravity Thinker beschäftigen und als interne Befruchter von Projekten und Teams umherschweifen lassen. Sie können sie aber auch draußen in der Freiheit lassen und einfach projektweise hinzuziehen. Oder Sie machen es wie wir: Vereinbaren Sie regelmäßig Termine mit ihnen, um sich gegenseitig eine „Sparring-Session“ zu liefern. Wir schwören darauf!

 

 

2. Das Erfolgsrezept von Mark Zuckerberg

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat in seinem Leben schon viele Leute eingestellt. Offensichtlich hat er dafür ein Händchen, denn die Führung von Facebook schafft es allen Unkenrufen zum Trotz, das Unternehmen stetig auf Erfolgskurs zu halten. Bislang jedenfalls.

Wie wichtig dafür Personalentscheidungen sind, das weiß jeder zur genüge, der in einem Unternehmen Führungsverantwortung trägt. Gerade wenn die Zeit drängt, sollte sich ein Chef niemals zu zweitklassigen Einstellungen hinreißen lassen, empfiehlt Zuckerberg: „Langfristig wirst du dich nur weiterentwickeln, wenn du wirklich gute Leute einstellst.“

 

Zuckerberg stellt nur die ein, für die auch er umgekehrt arbeiten würde

So weit so gut, das ist einleuchtend. Die Frage ist nur: Wie treffen Sie eine erstklassige Personalentscheidung? Hat Mark Zuckerberg ein Recruiting-Erfolgsrezept? Hat er tatsächlich. Laut seinen Angaben gibt es ein ganz bestimmtes Prinzip, das ihn, wie er sagt, bislang noch nie enttäuscht habe. Es lautet: „Wenn es um Leute geht, die direkt für mich arbeiten, stelle ich nur die ein, für die ich auch selbst arbeiten würde.“

Sheryl Sandberg ist so ein Beispiel. Sie wurde von Zuckerberg als Geschäftsführerin eingestellt. Das ist einer der wichtigsten Posten, den er zu vergeben hatte. Für Sandberg wäre er – in einer anderen Welt – auf jeden Fall bereit zu arbeiten, sagt er. Statt Mentoren außerhalb der Firma zu suchen, sollen die einflussreichsten Menschen in seinem Leben seine Kollegen sein. Also die Menschen, mit denen er Tag für Tag zu tun hat. Sheryl Sandberg steht da ganz oben auf seiner Liste.

Wir finden diesen Ansatz großartig. Er erinnert uns an unsere Zeit als Berater bei zwei der größten amerikanischen Unternehmensberatungen. Damals haben wir immer wieder einen Satz gehört, der so ähnlich lautete wie: „Denk dran: Du wirst in dem Maße erfolgreich sein, wie du Willens bist, dich mit Leuten zu umgeben, die besser sind als du selbst!“

Stelle ich jemanden ein, für den ich auch bereit wäre zu arbeiten, dann ist das jemand auf Augenhöhe, ein Sparringspartner, jemand, mit dem ich wachsen und mich entwickeln kann.

 

Wer sich mit Dumpfbacken umgibt, wird selbst so

Im Geschäfts- wie im Privatleben gilt: Wir werden so wie die Leute, mit denen wir uns Tag für Tag umgeben. Umgeben wir uns mit inspirierenden, herausfordernden und spannenden Menschen, färbt das auf uns ab. Umgeben wir uns mit Dumpfbacken, die intellektuelle Genügsamkeit als Tugend betrachten, werden wir selbst so. Wir haben es in der Hand – und wir sollten darum sehr wählerisch sein.

Das gilt übrigens auch für Ihre Kunden, die Sie sich aussuchen. Und ja: Natürlich suchen SIE sich Ihre Kunden aus. IMMER. Überlegen Sie mal kritisch: Welche Kunden haben Sie? Diejenigen mit den durchschnittlichen Erwartungen, die leicht zu befriedigen sind, für die es nur Routine braucht, gut und flott verdientes Geld? ODER diejenigen, die Sie herausfordern, die Sie persönlich, künstlerisch oder handwerklich weiterbringen, die Sie wachsen lassen?

Wir haben immer die Wahl, den einfachen oder herausfordernden Weg zu gehen. IMMER!

Der herausfordernde Weg ist anspruchsvoller, aber auch schöner und er trägt Sie weiter! Er bedeutet, dass wir uns mit inspirierenden Kollegen, Kunden, Partnern, Freunden umgeben – und an und mit ihnen wachsen.

Wir haben daher ein paar Fragen an Sie:

·       Bitte schauen Sie sich Ihre Mitarbeiter und Kollegen an. Für wen von ihnen würden Sie selbst arbeiten wollen? Es sind gleich mehrere? Prima! Oder ist da niemand? Dann sollten Sie Ihre Mitarbeiter entwickeln oder neue einstellen.

·       Sind Sie selbst einer der Menschen, von denen Ihr Chef sagen könnte, dass er gerne für Sie arbeiten würde? Glückwunsch! Ist das nicht der Fall? Dann ist es allerhöchste Zeit für einen selbstkritischen Blick in den Spiegel. Nicht angenehm, aber wichtig.

 

3. So vermeiden Sie intellektuelle Verstopfung

Sie haben ein Problem zu lösen, wollen etwas machen, was ungewöhnlich und clever ist – wer von uns hätte da nicht gerne die Besten und Intelligentesten in seinem Team? Aber wissen Sie was? Egal wie intelligent die einzelnen Teammitglieder auch sind: Wenn Sie eine homogene Truppe haben, werden Sie nicht viel reißen können. Uniformität führt häufig zu intellektueller Verstopfung.

Viel besser als mit unglaublich klugen Teammitgliedern fahren Sie Menschen, die schlicht und ergreifend ANDERS sind.

 

Homogene Teams mit fast perfekten Lebensläufen taugen nichts

Wenn Diversität schon da ist, nutzen Sie sie. Und wenn sie noch nicht da ist, schaffen Sie sie. Das heißt: Arbeiten Sie nicht mit möglichst homogenen Teams aus lauter hoch qualifizierten Leuten mit nahezu perfektem Lebenslauf, die sich höchstens durch die Haarfarbe und das Brillengestell unterscheiden. Tun Sie stattdessen Folgendes: Würfeln Sie Teams aus den unterschiedlichsten Leuten zusammen, gemischtgeschlechtlich, aus verschiedensten Altersstufen, mit buntem Erfahrungshintergrund und Fähigkeitenprofil.

Und zwar nicht deshalb, weil das gerade zum Zeitgeist passt und sich irgendwie super sozial anhört. Sondern weil bunte Teams einfach besser sind!

Der Sozialwissenschaftler Scott Page von der Princeton University hat mit einer Studie herausgefunden, dass Diversität Begabung schlägt: Ein Team mit vielen „Anderen“ entwickelt viele sehr unterschiedliche Lösungsansätze, die sich teilweise ergänzen, sich aber auch teilweise widersprechen – und in einem konstruktiven Wettbewerb gegeneinander antreten.

 

Teams mit verschiedenen Typen sind effizienter, bringen originellere Lösungen

In einem homogenen Team aus lauter „Besten“ dagegen denken die Teammitglieder untereinander ähnlich und können sich darum nicht gegenseitig herausfordern. Das Ergebnis: Das Team der „Anderen“ liefert schneller, es produziert mehr und originellere Lösungsansätze und kann die Probleme besser lösen (nachzulesen im Buch von Scott Page: Difference – How the Power of Diversity Creates Better Groups, Firms, Schools and Societies).

 

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Sie wollen die Kraft der Diversität nutzen? Zwei Tipps für Sie:

·       Achten Sie bei Neueinstellungen oder beim Zusammenstellen von Teams darauf, dass die Menschen nicht dem genormten Einheitsbild entsprechen. Von einem Unternehmen, in dem die Mitarbeiter einen ähnlichen sozialen Hintergrund, ein ähnliches Denken und eine ähnliche Kleidungspräferenz in den Farbschattierungen mausgrau, steingrau, fahlgrau und aschgrau haben, dürfen Sie nicht viel Innovatives erwarten. Entspricht die Mehrheit der Unisex-Einheitsstruktur, ist die Gefahr groß, dass vorwiegend Argumente diskutiert werden, die den Konsens stützen. Das ist die Geburtsstunde der Schafsherde – auch wenn das in so manchem Unternehmen als „Teamgeist“ gepriesen wird. Nehmen Sie lieber die Leute mit Ecken und Kanten! Die mit den interessanten Lebensläufen. Mit den spannenden Backgrounds. Aber bitte: Keine Quoten mit Alibi-Funktion, sondern echte Diversität!

·       Wenn Sie etwas machen wollen, was Sie in der Wahrnehmung Ihrer Kunden alles, außer gewöhnlich werden lässt, dann nutzen Sie die Idee der Diversität, indem Sie ganz bewusst über den Tellerrand der eigenen Branche schauen. Machen Sie es wie der Autohersteller BMW, dessen Steuerungssystem „iDrive“ auf der bewährten Joystick-Technologie aus der Computerspiel-Branche basiert. Oder wie der Skihersteller, der sich bei Geigenbauern nach geeigneten Beschichtungen für die Kontrolle von Schwingungen im hochfrequenten Bereich erkundigte.

Eine Vielzahl unterschiedlicher Lebenserfahrungen und gegensätzlicher Perspektiven erzeugt immer eine kreative Spannung, die zu interessanteren Ideen führt und intellektuelle Verstopfung vermeidet.

 

 

4. Die besten Talente fallen aus dem Rahmen

Vor geschätzten 200 Jahren bewarb sich Thomas Gottschalk beim Bayrischen Rundfunk. Im Rahmen des Einstellungsprozesses bekam er einen Fragebogen zugeschickt, auf dem er seinen Musikgeschmack ankreuzen sollte. Was dann geschah, macht uns Thomas Gottschalk sehr sympathisch:

Er kreuzte gar nichts an! Schrieb aber zurück: „Man hört eurem Programm an, dass ihr die, die es machen, per Fragebogen gefunden habt.“

 

Wer Kandidaten nach Rastern sucht, findet keinen Außergewöhnlichen

Ha! Das ist frech. Und doch so wahr: Wie soll jemals etwas Kreatives, Innovatives, Außergewöhnliches entstehen, wenn Menschen nach vorgefertigtem Raster und Muster ausgewählt werden?

Wenn die Märkte vor lauter Überangebot quietschen, wenn die Wechselhürden so gering sind wie heute, wo die Konkurrenz nur einen Klick entfernt ist, wenn es für den Kunden gefühlt nichts mehr gibt, das es nicht gibt … dann braucht es neue Ideen, Variation, Vielfalt und Andersartigkeit.

Woher kommen Ideen? Aus kreativen Köpfen! Wo sitzen die kreativen Köpfe? Eben nicht auf den Hälsen von Leuten, die darauf getrimmt sind, sich dem Mainstream anzupassen!

Wer beim Bewerbungsprozess nach Schema F vorgeht und Menschen per Fragebogen auswählt, oder diejenigen nimmt, die im Assessment-Center am meisten Punkte abgehakt und gesammelt haben, der findet die Leute, die am besten angepasst sind.

 

Wer Engagierte mit neuen Lösungen sucht, sollte Einstellungskriterien ändern

Wer hingegen Menschen mit hohem Engagement sucht, die interessante neue Lösungen vorschlagen, die Horizonte erschließen, die anders denken und Wege finden, wo andere nur Grenzen sehen, der sollte eines tun: DIE EINSTELLUNGSKRITERIEN ÄNDERN!

 

Steve Jobs oder Richard Branson waren miese Schüler – und chancenlos bei den meisten Firmen

Drei Ideen dafür hätten wir schon mal:

·       Lebenslauf. Engagieren Sie niemals eine Person, die einen Lebenslauf ohne Lücken und Brüche hat! Denn wer seit seiner Geburt ein „normales“, risikoloses Leben geführt hat, wird jetzt nicht anfangen, coole, abgefahrene Sachen auf die Beine zu stellen.

·       Noten. Vorsicht vor den Einser-Schülern! Wer ein Eins-Komma-Null-Abitur geschafft hat, kann vor allem eins sehr gut: Schule. Also nach den Regeln spielen, sich sozialen Schlüsselreizen anpassen und die Standardantworten wiedergeben, die die Lehrer von ihm hören wollen.
Intelligente Menschen wie Steve Jobs oder Richard Branson waren miese Schüler und hätten darum bei den wenigsten Unternehmen einen Job bekommen.

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Wer – tatsächlich – Gestalter sucht, sollte nicht Erfüllungsgehilfen nehmen

Berufserfahrung. Hören Sie auf, einen Bogen um die Quereinsteiger zu machen! Die meisten Unternehmen filtern Bewerber so aus, dass die übrig bleiben, die das exakt gleiche Tätigkeitsfeld wie das geforderte bisher auch schon beackert haben. „Branchenerfahrung“ heißt das dann. Diese Leute sind bewährt, sie können sehr schnell genau das machen, was alle machen. Und sie denken mit großer Wahrscheinlichkeit so, wie alle denken. Herzlichen Glückwunsch!

Kurz: Wenn Sie Gestalter suchen, sollten Sie keine Erfüller einstellen!

 

 

5. Machen Sie Neueinsteigern ein unverschämt kluges Angebot

„Wenn Sie kündigen, erhalten Sie 2.000 Franken. Jetzt sofort. Ohne weiteres. Wollen Sie gehen oder bleiben?“

„Äh …“

Diese Frage würde vermutlich auch Sie verblüffen, wenn Sie gerade die Probezeit bestanden hätten. Ist das jetzt eine Unverschämtheit? Wollen die Sie loswerden? Oder ist das bei näherem Hinsehen ein erstaunlich cleveres Angebot?

Die Schweizer Getränkekette Drinks of the World macht genau das: Neuen Mitarbeitern offeriert das Unternehmen einen Bonus, wenn diese gleich wieder gehen. Wer die Probezeit bestanden hat, erhält bei einem zweiten Anstellungsgespräch ein entsprechendes Angebot, sagt Firmenchef Stefan Müller: „Wenn der Mitarbeiter bleibt, muss er auf die Abgangsentschädigung verzichten.“

 

Mitarbeiter mit echter Loyalität

Und genau darum geht es: Das Unternehmen ist auf der Suche nach Loyalität. Nach echter Loyalität. Bleiben sollen nur die Mitarbeiter, die bereit sind, auf einen vierstelligen Betrag zu verzichten, um weiter arbeiten zu dürfen.

Wir finden das schlau. Natürlich bringt sich das Unternehmen mit dieser Aktion auch ins Gespräch. Nicht nur bei potenziellen Bewerbern, sondern auch in der Presse – und in unser Buch haben sie es ebenfalls geschafft. Aber abgesehen davon steckt noch mehr dahinter. Zwei Aspekte haben uns an dieser Idee fasziniert:

·       Drinks of the World pickt sich auf diese Weise die Mitarbeiter heraus, die sich bewusst für das Unternehmen entscheiden. Und sortiert diejenigen aus, die sich beworben haben, weil sie halt irgendeinen Job gesucht haben. 2.000 Franken abzulehnen – das ist eine sehr bewusste Entscheidung, die jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter zum Ende der Probezeit für sich treffen muss. Eine griffige Methode, um die Bloß-irgendein-Job-Typen ohne Stress loszuwerden.

·       Die Abgangsentschädigung macht eines deutlich: Mitarbeiterbindung gibt es nicht! Und das ist auch gut so. Denn „binden“ bedeutet „fesseln“. Stattdessen möchte Drinks of the Worldausdrückliche Freiwilligkeit. Keine 10-Jahre-Zugehörigkeit-Belobigungs-Kugelschreiber, keine Du-bist-uns-so-wertvoll-von-der-Lehre-bis-zur-Rente-Rhetorik. Dafür lieber Freiheit, Ehrlichkeit und Entschiedenheit.

Menschen sind frei. Und Mitarbeiter sind Menschen. Nach einfacher Dreisatzlogik sind darum Mitarbeiter frei. Und nur, wenn Sie Ihren Mitarbeitern die Freiheit lassen, bleiben sie freiwillig bei Ihnen! Vielleicht. Und wenn nicht, dann gehen sie. Und das ist besser, als wenn sie aus den falschen Gründen bleiben würden.

Oder wollen Sie lieber mit den Übriggebliebenen arbeiten? Mit denen, die woanders nicht unterkommen, weil sie sonst niemand will?

Mit anderen Worten: Die besten Mitarbeiter sind die, die bleiben, weil sie wollen – aber nicht müssen. Finden Sie also heraus, welche das sind!

Zum Beispiel, indem Sie alle anderen fürs Kündigen belohnen.

 

6. Besser die Besten nur für kurze Zeit, als die Mittelmäßigen für immer

Unter Personalern ist ein Thema Normalität geworden, das so irrig ist wie ein Irrweg nur sein kann: Mitarbeiterbindung. Da werden beispielsweise Mitarbeitern mit Geld oder Unternehmensbeteiligungen „goldene Fesseln“ angelegt, damit diese flatterhaften Wesen, in die man so viel investiert hat, entgegen ihrem unsteten Wesen möglichst lange in der Firma „gehalten“ werden. Da werden Feelgood-Manager beauftragt, das Arbeitsumfeld so kuschelig zu machen, dass die Mitarbeiter an der honigsüßen Nettigkeit des Arbeitgebers quasi kleben bleiben. Da werden in goldenem Licht Vorbildunternehmen präsentiert, deren Fluktuationsrate gegen null tendiert.

Wir finden das pervers. Menschen sind nun mal Freiheitswesen. Daran ändern auch Fesseln nichts. Wir können jeden Mitarbeiter verstehen, der sich neue Ziele im Leben setzt und deshalb gehen will. Wer anderswo bessere Chancen für sich sieht, sollte weiterziehen. Außerdem glauben wir nicht daran, dass etwas gewonnen ist, wenn jemand bleibt, der sich eigentlich trennen will.

Hinzu kommt: Dynamische Unternehmen brauchen den steten Zufluss von frischem Blut und sind eben nicht auf minimale Fluktuationsraten stolz.

Starke Führungskräfte, die Toptalente einstellen, akzeptieren die implizite Tatsache, dass diese sich so stark weiterentwickeln, dass sie zwangsläufig in absehbarer Zeit eine neue Herausforderung suchen – naturgemäß in vielen Fällen in einem neuen Unternehmen. Menschen wollen frei sein. Wenn die Geschichte uns eines lehrt, dann das: Mauern zu bauen hat noch nie dauerhaft funktioniert.

Die besten Unternehmen haben nicht das Ziel, gute Leute festzuhalten, sondern sie haben das Ziel, zum Magneten für Talente zu werden, also eine Kraft auszustrahlen, die immer wieder neue gute Mitarbeiter anzieht. Magnete sind wirkungsvoller als Fesseln!

Die innovativsten Unternehmen sind oben in der Führungsetage personell stabil. Die Chefs sind konstant da. Aber darunter kommen und gehen die Mitarbeiter, während ihr jeweils aktuelles Niveau überdurchschnittlich ist. Was dazu führt, dass die Ergebnisse für die Kunden überdurchschnittlich sind. Alles andere ist zweitrangig, denn Unternehmen sind keine Sozialstationen, sondern müssen am Markt erfolgreich sein, um weiter existieren zu können.

Natürlich empfehlen wir nicht, sich zu freuen, wenn ein guter Mitarbeiter kündigt. Selbstverständlich ist das für den Moment ein Grund zum Innehalten. Aber es ist besser, die besten Leute nur für kurze Zeit in der Firma zu haben als die mittelmäßigen für immer!

Führungskräfte in einem dynamischen Unternehmensumfeld wissen, dass es kein Weltuntergang ist, wenn gute Mitarbeiter gehen. Denn das hat auch positive Auswirkungen. Nach innen: Die Plätze werden frei und bieten Chancen für ambitionierte Nachwuchsleute im eigenen Haus. Nach außen: Das Unternehmen baut sich eine gute Reputation auf. Die Topleute, die weiterziehen, reden anerkennend über ihre alte Firma und vielen Interessenten wird klar: Wenn du dich weiterentwickeln willst, ist das genau der Ort, wo du hin musst.

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Das macht definitiv Lust auf mehr! Eine schöne Motivation zum Wochenstart. Vielen Dank!