Wenn der Personalchef als Anwalt Mitarbeitern gleich selbst mit Mobbing droht – Gastbeitrag Alexander Haasler von Abeln Rechtsanwälte

Gastbeitrag von Arbeitsrechtler Alexander Haasler aus der Kanzlei Abeln Rechtsanwälte über untrainierte Führungskräfte, die Taktik der Unternehmen beim Herausdrängen von Mitarbeitern und Unternehmensjuristen, die sich aufs Glatteis begeben: Die als zugelassene Anwälte gegen Fürsorgepflichten verstoßen und durchs Androhen von Mobbing riskieren, vors Ehrengericht der Anwaltskammern zu kommen. Was Mitarbeiter tun können.

 

 

Arbeitsrechtler Alexander Haasler von Abeln Rechtsanwälte

 

Kein Führungstraining, aber dafür Seminare zum Loswerden von Mitarbeitern

Die allermeisten Führungskräfte haben nie eine Schulung oder ein Training bekommen, wie man führt. 75 Prozent sind das laut dem Verband Die Führungskräfte. Was aber gut besucht ist: Seminare von Anwälten, die beibringen, wie man am besten mit Schlecht- oder Minderleistern umgeht. Genauer gesagt: Wie man Mitarbeiter zu Minderleistern erklärt – um sie zügig loszuwerden, am besten ohne Abfindung.

 

Attacken aus dem Nichts

Wer davon überrascht wird, dass ihm Vorgesetzte quasi aus dem Nichts solche Vorwürfe machen – nach jahrelanger unbeanstandeter Arbeit womöglich – sollte nur unbedingt eins tun: Es nicht persönlich nehmen, sich gar nicht erst in die Defensive bringen lassen.

 

Mitarbeiter auf der Abschussliste: Nur eine Nummer – Nichts persönlich nehmen

Wesentlicher Fakt ist, dass der Einzelne gerade bei einer größeren Umstrukturierung mit einer Kündigungswelle nur noch eine Nummer ist. Was er in den Jahren zuvor geleistet hat, darauf kommt es oft nicht mehr an. Deshalb sollte man seinen Rauswurf dann auf gar keinen Fall persönlich nehmen.

 

Die Strategie: Streng sachlich vorgehen – Mitschreiben und Sammeln

Die Devise ist: Immer mitschreiben, streng sachlich und formell bleiben, Informationen sammeln und sich möglichst früh arbeitsrechtlich, strategisch beraten lassen.

Üblicherweise läuft es im Firmenalltag so ab: Mitarbeiter werden – ohne dazu zu sagen, weshalb – in die Personalabteilung einbestellt und überrumpelt. Ihnen wird vor dem Termin tunlichst nicht verraten, worum es gehen wird. Dann eröffnet man ihnen zum Beispiel:

  • Der Firma geht es so schlecht, sie  müsse Personal abbauen. Nehmen sie besser jetzt die Abfindung und gehen frühzeitig, ansonsten ist später womöglich nicht mal mehr Geld mehr für Abfindungen da – und Sie gehen dann ganz leer aus.
  • Es werde restrukturiert, diese und jene Abteilung werde geschlossen und leiderleider gehören Sie eben zu dem Team. Keine Rede von jüngeren Mitarbeitern, anderen ohne Kinder oder die erst kürzer dabei sind, die man zuerst kündigen müsste. Oder von einem freien Job in einer anderen Abteilung.
  • Wenn Sie klagen, erhalten Sie nicht einmal die Sozialplanabfindung – was rechtlich natürlich nicht zutrifft.
  • Wer sich stur zeigt, dem reden Personaler gerne so zu: Schauen Sie mal, wenn Sie nicht einsichtig sind und „freiwillig“ den Aufhebungsvertrag unterschreiben, dann wissen Sie doch, was mit Ihnen passiert: Sie werden versetzt und Ihre Karriere ist dann hin. Oder gleich in eine andere Stadt. Sie bekommen ein Zimmer weitab von Ihrer Abteilung zugewiesen undsoweiter.
  • Damit Sie „Zeit zum Nachdenken“ haben, werden Sie jetzt erst mal freigestellt. Skrupellose Unternehmen schicken dem Betroffenen dann im Drei-Wochen-Takt regelmäßig eine neue Freistellung, bis er weichgekocht ist. Wenn er sich erst einmal innerlich entfernt hat von den Kollegen und seiner Arbeit.
  • Jedoch: Diese Taktik ist laut Rechtsprechung unzulässig (Arbeitsgericht Köln, Aktenzeichen 20 Ca 9245/12).

 

Dies alles ist wie ein Fahrplan, den Personalabteilungen aus dem Effeff kennen und einfach routiniert abarbeiten – für den Mitarbeiter dagegen ist es jeweils qualvolles Neuland.

 

Die Taktik: Mitschreiben, wortkarg bleiben

Wer um seinen Job kämpfen will, wenn er zum Personalchef zitiert wird, kann erst mal so vorgehen:

Sich bewaffnen mit einem Schreibblock und einem Stift und die ganze Zeit über alles mitschreiben, was  der Personaler sagt. Am besten, ohne selbst auf irgendetwas einzugehen. Die Devise: Nicht reagieren, sich zur Ruhe zwingen, nur mitschreiben und dem Personaler sagen: „Ich denke über alles nach“ – und rausgehen.

Wer genug Mut hat, kann diese Punkte zusammenfassen und danach – als Gesprächsprotokoll bezeichnet – dem Personalchef mailen. Inklusive seiner ausgesprochenen Drohungen. Dann hat der den Ball erst mal in seinem Tor.

Und das signalisiert erst einmal direkt: Suchen Sie, lieber Arbeitgeber, sich lieber gleich ein leichteres Opfer. Mit mir haben Sie kein leichtes Spiel. Das erhöht zumindest die Abfindung.

 

Verletzte Fürsorgepflicht – und ein Fall fürs Ehrengericht der Anwaltskammer

Zumal, widerspricht er dem Protokoll nicht, haben Sie ein Indiz für eine versuchte Nötigung. Das wiegt umso schlimmer, wenn der Personalchef – wie häufig – gleichzeitig ein Syndikusanwalt ist. Dann wäre solch eine Drohung mit Mobbing-Maßnahmen nicht nur eine Verletzung seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber, sondern möglicherweise ein Fall fürs Ehrengericht der Anwaltskammer.

 

Keine Nötigung oder Erpressung als Anwalt

Denn immerhin sind auch Unternehmens-Anwälte sogenannte „unabhängige Organe der Rechtspflege“, die sich rechtlich einwandfrei verhalten müssen und die in dieser Funktion erst recht keine Nötigung oder Erpressung verüben sollten. Bei solchen Verstössen gegen das anwaltliche Berufsrecht ermittelt dann die Rechtsanwaltskammer, das Anwaltsgericht und schlimmstenfalls die Generalstaatsanwaltschaft. Siehe auch: http://www.rechtsanwaltskammer-duesseldorf.de/berufsrecht/grundsatzfragen/ (viel zu lesen). Aber: Vor jeder Beschuldigung oder einer Anzeige wegen Nötigung immer einen Anwalt fragen, damit man nicht deshalb eine Kündigung erhält, weil man den Vorwurf selbst nicht nachweisen kann. Das wäre ein fataler Bumerang-Effekt.

Das ist nicht leicht zu beweisen, aber eine Mitschrift hilft – und erst recht, wenn man auf entsprechende Mobbing-Maßnahmen gegenüber anderen Kollegen zuvor verweisen kann.

 

 

 

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Alle Kommentare [4]

  1. Hallo zusammen, danke für den erhellenden Artikel. In meiner Familie gibt es auch Mobbingfälle, teilweise führen Sie sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes und einer dauerhaften Arbeitslosigkeit. Wenn das Mobbing dann noch vom Personalchef kommt ist das echt perfide. Da ist der Mensch dann wirklich eine Ressource und keine Mensch mehr.

  2. … und wenn der Personalchef (Rechtsanwalt) seine perfiden Maßnahmen zur Übermittlung an den „Auserwählten“ an seine Mitarbeiter (Personalabteilung) deligiert?

  3. Wenn der Personalchef Schikanemaßnahmen delegiert, so ist dies als Anstiftung zur Schikane bzw. Anstiftung zum Mobbing zu bewerten. Beide Personen machen sich dann angreifbar. Es bleibt immer die Frage, was unternimmt der Arbeitgeber als solches und was kann man alles nachweisen. Was die wenigsten wissen ist, dass sogar der Betriebsrat die Kündigung von mobbenden Personen gegenüber dem Arbeitgeber verlangen kann (§ 104 Betriebsverfassungsgesetz).

  4. Hallo zusammen,
    dies ist ein sehr informativer Artikel.
    Ein guter Rechtsanwalt ist sehr Rar.
    Über diese Thematiken habe ich oft nachgedacht.
    Es ist schwer gute Infos im Internet darüber zu finden.
    Dies wird mir bei meiner Recherche zu dieser Materie sehr weiterhelfen.
    Vielen Dank dafür.