Gallup-Studie: Aus einem in sich gekehrten Technokraten wird kein fröhlicher und mitreißender Chef – Replik von Martin Wollziefer (Gastbeitrag)

Eine Replik von Personalberater Martin Wollziefer von SW Recht & Personal zum Interview mit Gallup-Experte Marco Nink:

Interview mit Gallup-Experte Marco Nink: „Führung erledigt sich nicht nebenbei, sie kostet Zeit“

 

 

Martin Wollziefer, Chef der Personalberatung SW Recht & Personal

Aus einem in sich gekehrten Technokraten wird kein fröhlicher und mitreißender Chef

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Die These, Vorgesetzte müssen sich für ihre Mitarbeiter als Mensch interessieren“ ist grundfalsch. Passender wäre: „Vorgesetzte interessieren sich für andere Menschen.“ Nur so veranlagte Menschen werden nämlich in der besten aller Personalwelten zum Vorgesetzten. Fachliche Defizite kann man nämlich bei mittlerer geistiger Fähigkeit einfacher nachschulen als Empathie und Menschenorientierung.

Oder: „Chefs sollten ihren Blick in die Zukunft richten und dabei die Erwartungen, Erfolge und Hürden des Mitarbeiters in den Mittelpunkt stellen. Daraus lassen sich dann individuelle und zielgerichtete Schulungen und Entwicklungsprogramme ableiten.“ Das ist nur teilweise richtig. Finden die Befragten von Gallup doch selbst das Item Aufstiegschancen und Entwicklungsmöglichkeiten ziemlich unwichtig. Mit Schulungen und besonders mit Entwicklungsprogrammen fühlt sich so mancher mehr gequält als gefördert.

 

Mitarbeitergespräche als unternehmensschädigendstes Werkzeug im Managementbaukasten

Außerdem kommt zum Desinteresse auch noch die Tatsache hinzu, dass es ehrlicherweise für viele Beschäftigte Hürden gibt, die sie weder überspringen wollen noch können. Letzteres sagt man ihnen aber ungern und entwickelt stattdessen lieber alle Mitarbeiter ziemlich ziellos – und oft falsche Erwartungen säend – irgendwohin.

Gallup-Experte Marco Nink sagt: „Führung erledigt sich nicht einfach nebenbei, sie kostet Zeit. Empfehlenswert sind zwei bis vier Mitarbeitergespräche im Jahr sowie ein regelmäßiger kurzer Austausch zwischendrin.“
Das finde ich fatal. Moderne Unternehmen erkennen zunehmend, dass ständige und ritualisierte Mitarbeitergespräche zu den ungeliebtesten und auch teilweise unwirksamsten, wenn nicht gar unternehmensschädigendsten Werkzeugen im Managementbaukasten gehören.

 

Beschäftige wollen nicht pausenlos vermessen und optimiert werden

Ich frage mich: Misst eigentlich irgendjemand, ob sich Aufwand und Nutzen auch wirklich mindestens die Waage halten?

Erstens: Beschäftige wollen nicht pausenlos vermessen und optimiert werden.

Und zweitens möchten sie auch nicht gelobt oder mit Feedback beseelt werden, nur weil das so im Handbuch steht. Das demotiviert sonst nur zusätzlich.

Drittens wird man durch vier Mitarbeitergespräche im Jahr kein guter Chef.
Mein Fazit: Man muss es sein. Und nicht werden. Das ist der allerwichtigste Punkt.

 

Als Top-Sprinter muss man bestimmte körperliche Eignungskriterien erfüllen. Ebenso wie ein Großmeister im Schach: Ohne bestimmte kognitive Fähigkeiten wird man das nicht werden. Dasselbe gilt für Führungskräfte. Vorgesetzte müssen ebenfalls zunächst einmal bestimmte Fähigkeiten mitbringen. Die entsprechenden Persönlichkeitsmerkmale hat man aber mit 26, 29 oder 35 Jahren schon sehr weit ausgeprägt. Oder eben nicht.

 

Training und Übung alleine reichen da einfach nicht. Auch wenn etliche Coach suggerieren, man könne Chef-Sein lernen kann. Aus einem in sich gekehrten Technokraten wird kein fröhlicher und mitreißender Chef.

 

Es gilt der bewährte Satz: Auswahl kommt vor Training und Schulung. Wählt die Unternehmensspitze ihre Manager nach ihrer Führungseignung aus, dann werden künftig auch etwas weniger Leistungsträger die innere Kündigung einreichen.

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Alle Kommentare [2]

  1. Den Ausführungen von Martin Wollziefer kann ich mich nur anschließen. Wenn die Führungsvoraussetzungen fehlen, wird auch nach etlichen Trainings und Coachings aus einem guten Schwimmer kein guter Sprinter – um im Sport zu bleiben. Und auch die Mitarbeiter haben diese Handbuch-Rituale satt. Sie wollen auch nicht ständig Teil eines Expetimentierkastens sein, sondern dürfen „echte“ Führungskräfte erwarten. Leider folgt die Besetzung von Führungspositionen oft noch nach den Mustern, die wir laut Management-Literatur schon längst überwunden haben sollten.

  2. Am Besten finde ich den Satz: „Ich frage mich: Misst eigentlich irgendjemand, ob sich Aufwand und Nutzen auch wirklich mindestens die Waage halten?“
    Ich glaube, das findet heutzutage in so gut wie keinem Unternehmen statt.
    Herr Wollziefer trifft es auf den Punkt!