CEO Wagner auf Tour im Silicon Valley (2): Der Digitalisierung auf der Spur – Sabbatical II.

Die Shared-Economy: Im Uber-Pooltaxi im Valley

Top-Manger Thomas P. Wagner begibt sich auf die Reise ins Silicon Valley, um sich dort, an der Quelle, das Thema Digitalisierung zu erschließen. Rund sechs Jahre lang war er CEO von Dorma, dem Hidden Champion und Weltmarktführer für Schließtechnik. Zuvor war er Chef des Aufzugherstellers Otis.

Nun legt der Wirtschaftsingenieur eine Karriere-Pause ein, nachdem er die Fusion von Dorma mit dem Schweizer Unternehmen Kaba gemanaged hat. Nach 20 Jahren als Führungskraft will er ein paar Monate innehalten. Sein erster Trip war eine Pilgerreise auf der Via Francigena in der Toskana, über die er hier im Management-Blog berichtete. Sein zweiter ist eine persönliche Fortbildungsreise nach USA ins Silicon Valley: Um die Digitalisierung zu verstehen und zu lernen.

 

Hier ist Wagners zweiter Gastbeitrag: 

 

Thomas Wagner im Uber-Taxi im Silicon Valley

 

Kalifornien war immer schon ein Schmelztiegel von Menschen aus allen Teilen der Welt, Menschen die anders denken und leben wollen. Und dann kommen das immer schöne Wetter, das Meer und die großartige Natur dazu. Die Wochenenden habe ich hier sehr genossen – ich habe mir Pausen zum Reflektieren eingebaut. Die Menschen leben hier sehr progressiv, sind neuem und anderem positiv aufgeschlossen, sie Netzwerken gerne, glauben an eine positive Zukunft, glauben daran, dass Technik hilft, die Welt und das Leben zu verbessern. Sie probieren Neues aus, bevor sie es beurteilen. Sie gehen Risiken ein, um neue Ideen zu entwickeln. Zu scheitern, ist kein Beinbruch, sondern eine bereichernde Erfahrung. Aufstehen ist wichtiger als hinfallen, sie kollaborieren, sie agieren in einer Play-forward-Kultur, sie sind neugierig.

 

Kurz: Die ganze kaliforinsche Atmosphäre inspiriert. Eigentlich will man selbst gleich auch eine Firma gründen. Das Silicon Valley kann berauschen und so wundert es mich nicht mehr, warum so viele Gründer dorthin auswandern. An einem Abend in San Francisco nahm ich an einem Pitch Event teil. Dort stellten 15 Start-ups ihre Ideen einem Panel aus Venture Capital Firmen vor – eine sehr illustre Runde. Jeder hatte zwei Minuten, dann mussten die Präsentierenden deren Fragen beantworten: zu ihrer Idee, wie der USP sei, wie groß der Markt, wer die möglichen Wettbewerber wären, welche Vorerfahrungen vorhanden sind, ob sie schon User hätten und vieles mehr.

 

Pitch der Gründer um Rat und Geld

 

Nach der Kür eines Gewinners und 14 ‚Verlierern’ hat es mich interessiert was denn die 14 nun tun wollen. Es gab nicht einmal enttäuschte Gesichter, man wolle es einfach beim nächsten Pitch Event woanders versuchen. Denn Pitches gibt es jede Menge, fast jeden Abend. Im Anschluss lud der Veranstalter noch in eine Bar um die Ecke ein. Ich wollte mehr wissen – was würden die Gründer tun, wenn am Ende doch keiner ihre Idee finanziert oder die Kunden das Produkt nicht wollen? Die Antwort war verblüffend: ‚kein Problem, im Notfall gehen wir wieder als Programmierer zu Google und Co und machen 150-200k USD.’ Das konkrete Risiko eines Fehlversuches ist gering, die Belohnung, wenn es funktioniert, aber enorm groß. Das ist eine beeindruckende Risikofreude und Unternehmertum.

 

Im Zug programmieren und dabei Videos ansehen – im Silicon Valley gehört Programmieren dazu wie eine Fremdsprache zu sprechen

 

Aber mich hat in diesen drei Wochen immer viel mehr beschäftigt, was dies für Deutschland bedeutet, wie können wir noch viel mehr mitgestalten. Es ist großartig, zu sehen, dass Deutschland für „Industrie 4.0“ steht und dieser deutsche Begriff ist auch ein viel zitierter Begriff im Valley. Aber auch Industrie 4.0 ist keine Soft Variante von Digitalisierung, es ist ebenso eine Disruption. Aber als ich diese unglaubliche Dynamik im Valley sah, fragte ich mich eins ums andere mal ‚reicht das für eine der führenden Volkswirtschaften, reicht es für eine umfassende Beschäftigung’?

 

Die Industrial-Advisor-Konferenz in Genf war der Beginn

Als ich mich vorbereitete auf diesen Trip, habe ich mich sehr viel mit Zukunftsthemen beschäftigt. Megatrends und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, den Märkten, der Industrie und die Wettbewerbsdynamik. Und dann damit, was all dies für Führungskräfte bedeutet und damit letztlich für mich selbst. Manche nutzen ein Sabbatical, um sich primär auszuruhen, Energie zu tanken, um die Welt zu segeln, sich endlich mal wieder um die Familie zu kümmern oder mal einen Traum zu realisieren und das ist alles wundervoll. Für mich persönlich ist das Sabbatical aber auch eine Quelle der Inspiration, um mich intensiv mit Neuem zu beschäftigen. Und so entstand im Herbst 2016 aus einem wunderbaren Dialog mit dem Wiener Künstler, Gründer, Unternehmer und CEO Bernhard Kerres auf einer Industrial-Advisor-Konferenz am schönen Züricher See die Idee, selbst ins Silicon Valley zu reisen.

 

Im Apple-Store in Palo Alto gibt´s jede Menge Home-Kit-Geräte fürs Smart Home

 

Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen nur wenige Wochen. Allerdings hätte ich mich ohne mein gut funktionierendes Netzwerk einer dieser – inzwischen unzähligen – Silicon Valley Bustouren anschließen müssen. Diese werden von Regierungsstellen, Verbänden, wie professionellen Event-Agenturen organisiert. Sie dauern meist drei bis fünf Tage, so dass die Teilnehmer einen ersten Überblick erhalten und schöne Fotos für Zuhause machen zu können. Sehr beliebt: Gruppenfotos und „Ich-war-da“-Fotos vor dem Google- oder Facebook-Firmenlogo.

 

Professionelle Tourguides der großen Silicon-Valley-Firmen

Für viele ein erster Schritt, sich mit diesen neuen Thema auseinanderzusetzen. Wegen dieses großen Andrangs haben die großen Silicon-Valley-Firmen inzwischen professionelle Tourguides und dann wartet ein schöner, standardisierter Firmenvortrag auf die Besucher ….. Mehrwert, Insights, Tiefe, Neues, Diskussion, kritische Auseinandersetzungen? Kaum.

 

German Accelerator und German Innovators für Kontakte ins Silicon Valley

Für mich war dies keine Option, obwohl es die einfachste Art ist, so eine Tour zu organisieren. Meine Vorstellung war hingegen, Face-to-Face-Termine mit relevanten Personen zu machen. Mit Menschen, die das Valley wirklich kennen und wissen, was wirklich passiert. An die heranzukommen, war nur durch mein Netzwerk und großartige Menschen möglich. Exzellent vernetzt sind auch unsere deutschen Repräsentanzen, Verbände und Initiativen. Zum Beispiel über die Mentoren und Partner des German Accelerator (Zielgruppe: Deutsche Start-ups, die auf den US-Markt wollen), sowie den Unternehmern, Gründern und Investoren Oliver Hanisch, Uwe Lueth und Dirk Kanngiesser. Oder über eine andere Initiative, die German Innovators, die etablierten deutschen Unternehmen. Auch sie hilft, den Kontakt ins Silicon Valley zu entwickeln – unter anderem mit  dem Unternehmer und Investor Uwe Wagner.

 

Swissnex in San Francisco

Tolle Menschen, die mit großer Passion Unternehmen helfen, sich zu entwickeln, zu vernetzen, in die neue Zeit zu katapultieren. Mir wurde aber auch deutlich, dass unsere vielen deutschen Initiativen auch manchmal nicht sehr gut koordiniert sind. Das können wir von den Schweizern lernen, deren weltweiten Swissnex-Repräsentanzen einen ‚One -Stop-Shop’-Ansatz verfolgen. Dort wurde ich von dem Briten Steven Reading begrüsst – internationaler geht es kaum. Die Schweiz am Pier 17 in San Francisco, sehr beeindruckende Location.  Am Ende kamen so 50 Termine zusammen. Eine wirklich inspirierende Tour.

 

Mit dem Bauunternehmer aus Palo Alto aus dem Uber-Taxi zusammen bei den 49ers: Einfaches Netzwerken im Silicon Valley

 

Die Introduction zählt

Kontakte sind im Silicon Valley Gold wert. Dort erlebte ich eine Kultur, die sich wesentlich von der deutschen unterscheidet. Erstens waren Termine zu bekommen, ziemlich einfach … wenn man den richtigen kannte, der einem eine Introduction gibt. Manchmal ein kurzes E-Mail, direkt auf den Punkt formuliert. Im Valley hat keiner Zeit lange und wohl formulierte E-Mails zu lesen. Man vertraut dem, der eine Intro macht. Jeder geht verantwortlich damit um, aber wenn einer eine Intro-Anfrage bekommt, antwortet der Angefragte auch prompt und der Termin steht innerhalb manchmal von Stunden.

 

Improvisieren zählt: Plötzlich Mentor eines Start-ups werden

 

Geben und nehmen, offen sein für Menschen und Ideen

Ich war wirklich tief beeindruckt wie effektiv und schnell das im Valley passiert. Diese „Play Forward Kultur“ macht es einfach, Ideen zu entwickeln, diese vorzustellen, diese zu vernetzten. Es geht immer darum, zu helfen und aus einer Idee ein Business zu machen. Es ist eine Art „Give and take“. Diese Offenheit für Menschen und Ideen, diese Schnelligkeit, dieser Wille an dem nächsten Big Thing zu arbeiten schweißt alle zusammen und ist ein beeindruckender Katalysator für Ideen. Aus vielen Hunderten Ideen und Start-ups wird kein großes Business, aber wenn man mehrere Hundert hat ist die Wahrscheinlichkeit einfach deutlich höher, dass der nächste Uber dabei sein könnte.

Die Menschen und das Miteinander hat mich sehr beeindruckt und ist aus meiner Sicht der größte Erfolgsfaktor des Silicon Valley.

 

Session mit Sean Ness vom Institute for the Future: Lernen, wie man in die Zukunft blicken kann.

 

Im nächsten Blog-Beitrag geht es um besonders beeindruckende neue Technologien und Anwendungen.

Folge 1: 

CEO Wagner auf Tour im Silicon Valley (1): Der Digitalisierung auf der Spur – Sabbatical II.

 

 

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