Top-Manger Thomas P. Wagner war rund sechs Jahre CEO von Dorma, einem Hidden Champion und dem Weltmarktführer für Schließtechnik. Das Familienunternehmen sitzt in Ennepetal am Rand des Ruhrgebiets, mitten im Grünen. Vorher war Wagner Chef des Aufzugherstellers Otis in Berlin und Moskau. Doch jetzt macht der Wirtschaftsingenieur eine Karriere-Pause. Anlass war die Fusion von Dorma mit Kaba, einer Schweizer Unternehmensgruppe aus der Sicherheitsindustrie – denn die bedeutete auch für ihn persönlich eine Zäsur: Nach 20 Jahren als Manager will er ein paar Monate innehalten. Sein erster Trip war eine Pilgerreise auf der Via Francigena in Italien in der Toskana.
Exklusiv für den Management-Blog führte Thomas P. Wagner ein Tagebuch:

Das „Handelsblatt“ schrieb über mich im Sommer vergangenen Jahres „Lieber Pilgern – Chef der Familienfirma Dorma steigt nach Fusion mit Kaba aus“. Wir hatten lange an der Fusion von Kaba und Dorma gearbeitet und nun war sie endlich da.
Das ermöglichte mir, eine Auszeit zu nehmen, ein Sabbatical. Rund zwei Jahrzehnte als Führungskraft mit viel Freude und Engagement lagen hinter mir. Ich habe meine Jobs geliebt, egal wie viele Wochenstunden, wie viele Wochenenden, wie viele Reisen.
Immer wollte ich effizient sein, beim Reisen keine Zeit für Unproduktives verlieren, Gepäckbänder an Flughäfen und ewiges Warten auf Koffer waren mit immer ein arges Übel.
Irgendwann habe ich mir einen Sport daraus gemacht, sogar mein Reisegepäck immer weiter zu optimieren. Und zwar so, dass immer alles für mehrere Tage ins Handgepäck passte. Mein Rekord: fünf Tagen und zwar mit einem zweiten Anzug und allem was dazu gehört.
Via Francigena bedeutet Frankenweg und er führt nach Rom. Seit Hape Kerkeling vor acht Jahren seinen Bestseller „Ich bin dann mal weg“, herausgebracht hatte, ließ mich die Idee nicht mehr los. Ob Pilgern auch etwas für mich sein könnte? Schließlich hat es eine sehr lange Tradition in unserer Kultur und die Menschen tun es aus völlig unterschiedlichen Motiven.
Die andere Frage war: wo? Viele Pilgerrouten laufen quer durch Europa und als ich begann, mich damit auseinanderzusetzen, war ich erstaunt, wie viel es sind. Klar war mir jedenfalls eins: Dass ich einen Weg abwandern wollte, der nicht so frequentiert ist wie der populären Jakobsweg von Hape Kerkeling, der nach Santiago de Compostela führt.
Der Frankenweg von England nach Rom
Im Herbst war diesen Jahres es dann endlich soweit. Meine Wahl war auf die Via Francigena in der Toskana gefallen: eine wunderbare Pilgerroute. Auf Deutsch bedeutet er so etwas wie der Frankenweg. Er verläuft quer durch Europa von England über Frankreich, in die Schweiz bis nach Rom in die heilige Stadt.
Ich bewundere Menschen, die weit über tausend Kilometer pilgern. Mein Zeitfenster erlaubte mir, in diesem Jahr zumindest einige hundert Kilometer zurückzulegen. Aber eigentlich ist die Länge der Strecke nicht wirklich entscheidend. Ist vielleicht doch der Weg das Ziel?

Nach einigen Gesprächen und dem Herumstöbern im Internet in Blogs und -Chats war ich immer neugieriger auf den Via Francigena geworden. Diese Pilgerroute ist recht unbekannt und sie war deshalb genau das richtige für mich. Schließlich wollte ich nach einer so beruflich intensiven Zeit zur Ruhe kommen, Reflektieren, neue Energie und Inspiration schöpfen.
Warum ein Pilgerausweis wichtig ist
Mein Plan wurde langsam konkret. Ich brauchte einen Reiseführer, Pilgerliteratur und einen Pilgerausweis. Der Pilgerausweis ist wichtig, weil man damit in den offiziellen Pilgerherbergen übernachten darf. Und die sind als kostengünstige, einfache Unterkunft völlig ausreichend.
Ich geben zu, nach vielen Jahren Business- und Sterne-Hotels war das für mich anfangs eine Herausforderung. Aber ich habe gelernt, wie wunderschön das einfache Leben, das weniger Materielle sein kann.
8,5 Kilo plus drei Liter Wasser und Proviant
Doch erst mal musste ich überlegen: welches Gepäck, welcher Schuh? Im Outdoorladen dauerte es drei Stunden und nach sehr kompetenter Beratung kam ich mit erstklassigen 8,5 Kilogramm-Gepäck wieder heraus. Hinzu kamen später drei Liter Wasser und Tages-Proviant.
Die Mühe um möglich leichtes Gepäck hat sich gelohnt, ich war heilfroh darüber, frühzeitig dafür gesorgt zu haben – und dass ich ohnehin den Hang zur Optimierung wie schon beim Business-Gepäck hatte.
Wer sparsam ist, wandert leichter
Dann ging es los, das Verabschieden und Loslassen von meinen beiden Kindern war am schwierigsten, zumindest für mich. Die beiden waren großartig und ermunterten mich nur, aufzubrechen, um meinen Traum zu leben. Loslassen ist manchmal nicht so einfach.

In Italien angekommen ging´s dann endlich mit Rucksack, Wanderstöcken und Pilgerroutenführer los. Eine der ersten Stationen, die ich nie vergessen werde, ist die kleine Stadt San Miniato.
Bei jeder Ankunft wurde es mir schnell zum Ritual, zuerst die Unterkunft aufzusuchen, anzukommen, ein Bett auszuwählen – wenn es eine Auswahl gab -, zu duschen, Wäsche zu waschen und dann los, um den Ort oder die Umgebung zu erkunden.

Öfter habe ich da, wo ich Station machte, die Kirchen besucht. Weniger aus religiösen Gründen, aber einfach weil es Orte der Stille und Besinnung sind. Das wird heute oft unterschätzt, denke ich.
Das Signal: Was will ich so loslassen?
Wann war ich je zuvor schon mal auf Geschäftsreise in einer Kirche? In San Miniato war ich gerade in der Kirche angekommen und wunderte mich, wie viele Menschen dort waren. Bis sich das Hauptportal öffnete und ein Sarg hereingetragen wurde. Nun war mir klar, dass ich mitten in einer Trauergemeinde gelandet war. Loslassen von den Lieben, aber auch dem Lieb gewonnenen, ist keine leichte Sache.
Ich nahm diese Begegnung zum Anlass, darüber nachzudenken was ich loslassen wollte. Und da gab es einiges, merkte ich.
Nun konnte die Pilgerreise losgehen, ab nun wurde es anders und machte mir immer mehr Freude. Diese Zufälle, die es nicht gibt, sind es, die ein Leben beeinflussen können. Pilgern hat seine eigene Kraft.

Die Gedanken können fliegen. Die Natur ist für mich die beste Medizin zum Entspannen. Das Wandern fällt mir leicht, ich habe immer viel Sport getrieben. Auch als Manager, zum Ausgleich. Die Berge sind meine große Leidenschaft – von Kindesbeinen an – egal ob zum Wandern, Klettersteigen oder Klettern.

Lieber Thomas, Du hast Dir diese Auszeit verdient und danke für Deine geteilte Gedanken…
Sehr geehrter Herr Wagner,
Ihr Leitmotiv „Wenn nicht jetzt wann dann?“ kann ich sehr gut nachempfinden. Auch ich habe dieses Jahr ein Sabbatical unfreiwilligerweise einlegen müssen und mich frühzeitig Anfang diesen Jahres dazu eintschieden für 4,5 Wochen nach Neuseeland zu gehen um dort Volunteerarbeit zu leisten. Die Eindrücke, tolle Menschen und vor allem die Natur haben mich als über Jahre funktionierender Ingenieur und Führungskraft, absolut beeindruckt.
Die Dinge aus einer anderen Sicht zu sehen, den Blickwinkel neu auszurichten, und auch Kleinigkeiten und Gesten wieder wertzuschätzen, das habe ich für mich mitgenommen und wird meinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg beeinflussen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein besinnliches Weihnachtsfest und weiterhin viel Erfolg.
Wunderbar, dass Du Dir die Auszeit genommen hast. „Einfach“ alles hinter sich zu lassen, das können sicherlich nicht viele. Offenbar war es genau die richtige Entscheidung. Freue mich auf Teil II.
Hallo Thomas,
Respekt und Hochachtung, dass Du das durchgezogen hast. Sollte jeder mal machen. Denke oft daran, was wir vor vielen Jahren gemeinsam ausbaldowert haben.
Dir und Deiner Familie ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes und gesundes neues Jahr.
Gruß, Ralf
Hallo Thomas, toll wie Du Deinen Traum verwirklicht hast und deine Gefühle mit uns teilst, ich sehe Talent für eine Schriftstellerkarriere.
Lieber Thomas
Ich gratuliere zum mutigen Entscheid. Du hast eine tolle Zeit gewählt für deine Pilgerreise. Und dann noch in Italien, wo Weihnachten einen doch so besonderen Stellenwert hat. Wünsche Dir weiterhin spannende Begegnungen und interessante Gespräche, super Wetter und keinen Rutsch sondern einen guten Schritt ins 2017.
Herzliche Grüsse
Es freut mich sehr, daß der erste Blog soviel Aufmerksamkeit erhält. Herzlichen Dank an alle, die hier online und über andere Medien mit mir hierzu in Kontakt getreten sind. Es gab viele Fragen was ich so erlebt habe, was dies bei mir ausgelöst hat, was das Pilgern verändert hat … bleiben Sie/Ihr gespannt, in den nächsten beiden Blogs kommen noch einige spannende Details dieser unglaublichen Reise. Allen Lesern ein gesundes und erlebnisreiches 2017! Ein weitere Chance einen Unterschied im eigenen Leben zu machen.
Hallo Thomas,
na das ist ja’n Ding!
Ein großer Schritt, der Dir viele neue Begegnungen und Eindrücke beschert hat und Gedanken ordnet… Dann bin ich ja mal auf Teil 2 der Story gespannt.
Alles Gute Petra
Sehr geehrter Herr Wagner,
voller Achtung hebe ich vor Ihnen, meinem ehemaligen Dorma-Chef, den Hut, denn nicht viele können sich heute so selbst erniedrigen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie Christian Seebauer, einen ehemaligen Bankendirektor, kennenlernen würden.
Im Jahr 2014 wanderte er zu Fuß über 1000 Kilometer den weltberühmten Israel-Trail – ohne einen Cent – und schrieb dazu sein Buch.
Das ist seine Seite: >> https://www.israel-trail.com
Lieben Gruß
Herzlichen Dank für Ihr Feedback. So eine Auszeit und insbesondere das Pilgern verändert Perspektiven und Lebenseinstellungen. Sehr gerne würde ich Christian Seebauer kennenlernen. Sein Bericht ist besonders beeindruckend. Viele Wege führen zum Glück! LG Thomas Wagner