
Christian Rolf, Arbeitsrechtler und Partner bei Willkie Fahrr & Gallagher
Der Einsatz der Software, mit der die Abgaswerte manipuliert wurden, führt zu dramatischen Schäden für VW. Neben Bußgeldern und ausländischen Strafzahlungen drohen die Schadensersatzansprüche der Autokäufer und der Anleger. Hinzukommen horrende Anwaltskosten für die Aufarbeitung des Skandals.
Die Folge: Der Aufsichtsrat muss schon jetzt prüfen, ob VW Schadenersatzansprüche gegen die derzeitigen oder die Ex-Vorstände von Volkswagen geltend machen muss und was dafür jetzt zu tun ist. Denn diese Prüfung muss er schon bei den ersten Anzeichen eines Schadens beginnen – und nicht erst dann, wenn der Schaden endgültig eingetreten ist.
Rechtlich ist der Fall eindeutig:
- Haben einzelne oder alle VW-Vorstandsmitglieder die Abgasmanipulationen veranlasst oder billigend in Kauf genommen, so haben sie sich pflichtwidrig verhalten. Gegen einige Vorstände laufen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Werden diese Vorstände verurteilt, bleibt praktisch nichts anderes übrig, als sie auf Schadenersatz zu verklagen.
- Den Vorstand hat weiter die Pflicht, sicherzustellen, dass VW sämtliche Gesetze im In- und Ausland einhält – so wie es das Landgericht München I vor drei Jahren zu den schwarzen Kassen von Siemens entschieden hat (Urteil vom 10.12.2013, Aktenzeichen 5 HKO 1387/10). Diese Pflicht kann er nicht wegdelegieren, so dass am Ende auch Vorstände haften, die es versäumt haben, ein solches Compliance-System einzurichten, mit dem die Abgasmanipulation verhindert worden wäre.
Nur das Wohl von VW zählt, nicht das Drama für Vorstände
Der Ball liegt jetzt beim Aufsichtsrat. Die Schwierigkeit für den Aufsichtsrat dürfte darin liegen, den Sachverhalt voll aufzuklären und dann eine – unbefangene -Entscheidung über den Regress zu treffen. Er muss diese Entscheidung allein am Wohl von VW ausrichten. Die – dramatischen – Folgen des Schadensersatzes für das Vorstandsmitglied spielen keine Rolle.
Heikler Konflikt für Aufsichtsräte, die früher Vorstand waren
Besonders heikel wird das für Aufsichtsmitglieder, die zuvor selbst Vorstand waren und jetzt womöglich über ihre eigene vorherige Geschäftsführung urteilen müssten. Ein solcher Aufsichtsrat kann aber keine unbefangene Entscheidung über eine Schadensersatzklage gegen den Vorstand mehr treffen. Dann kann der betroffene Aufsichtsratsmitglied am Ende nur noch das Mandat niederlegen, um keinen Interessenkonflikt zu provozieren.
Das Privatvermögen der Vorstände reicht nicht aus
Schließlich muss der Aufsichtsrat bedenken, ob ein Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand realisierbar ist. Die Höhe des Schades dürfte die Vorstände bei Weitem finanziell überfordern, so dass ein Gerichtsurteil am Ende kaum noch vollstreckbar wäre. Hier wird der Aufsichtsrat mit der D&O-Versicherung aushandeln, wie weit diese die Haftung übernimmt und dafür kann sich ein Prozess von VW gegen die Vorstände gegebenenfalls lohnen.
Keine D&O-Zahlungen für Vorsatz – aber der muss rechtskräftig feststehen
Zwar enthalten alle D&O-Policen einen Haftungsausschluss für vorsätzliches Handeln. Allerdings nur dann, wenn der Vorsatz rechtskräftig festgestellt ist. Dazu kommt es meistens nicht, weil im Zivilverfahren vorher ein Vergleich geschlossen wird. Allerdings zahlt die D&O auch nicht, wenn ein Vorstand rechtskräftig verurteilt wird. Der Vorstand bleibt dann auf dem Schaden sitzen.
