GPRA-Chef Uwe Kohrs über den Vertrauensindex 2016 und das verlorene Vertrauen in die Automanager – Gastkommentar

Einmal im Jahr erhebt die GPRA, der Verband der Kommunikationsagenturen, wie viel Vertrauen die Deutschen denn so den einzelnen Branchen entgegenbringen. Wer ganz unten steht? Die Finanzbranche. Wer im Vergleich zum Vorjahr am meisten Vertrauen verloren hat? Ebenso erwartbar: die Automobilindustrie. Die einst vertrauenswürdige Branche (vor einem Jahr noch auf Platz vier) ist auf Platz 13 von 15 Branchen abgerutscht und liegt mit 28,4 Indexpunkten knapp vor Finanzen (27,7) und Energie (27,2), so die GPRA-Studie.

Am meisten Vertrauen haben die Konsumenten dagegen in den Maschinenbau gefolgt von Gastgewerbe und Touristik sowie der Elektroindustrie.
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Besonders interessant ist aber die Frage, welchen Führungseliten die Deutschen am meisten vertrauen: denn dieses Vertrauen ist „dramatisch niedrig“ laut GPRA-Studie.
Im Detail: „Besonders groß ist das Misstrauen gegenüber Führungskräften der Finanzbranche und der Automobilindustrie.“ Die Kosmetikindustrie liegt hier vorne: 22 Prozent haben hier ein sehr hohes bzw. 31 Prozent ein eher hohes Vertrauen gegenüber den Führungskräften. Bemerkenswert: weiblichen Führungskräften in der Finanzbranche bringen die Befragten größeres Vertrauen entgegen als männlichen Kollegen.
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Uew Kohrs, Präsident des Kommunikationsverbands GPRA

Uwe Kohrs, Präsident des Kommunikationsverbands GPRA

 

Uwe Kohrs, Präsident der GPRA, kommentiert: „Das Defizit der Führungseliten“

„Eigentlich haben wir schon seit Jahren ein Führungsproblem, denn Führung hat ja vor allem mit Vertrauen zu tun. Dieses Vertrauen aber ist uns abhanden gekommen. Zum Vergleich: Vor drei Jahren sagten die Befragten noch, dass sie ausgerechnet Helmut Schmidt – der damals schon über 90 Jahre alt war – von allen Politikern und Unternehmenslenkern am meisten trauen. Daran wird deutlich, dass die heutigen Führungseliten ein Defizit haben.

 

Riesenmisstrauen gegenüber Automanagern 

Zum Beispiel die Autoindustrie: 80 Prozent der Befragten misstrauen aktuell den Auto-Managern. „Deren Popstars in den Vorständen wie Matthias Müller oder zuvor Martin Winterkorn wollen sich trotz des Dieselgate-Desasters Boni ausschütten und halten zehn Prozent Verzicht schon für eine heroische Tat. Das ist eine typisch deutsche Attitüde: Weil es nun mal so im Vertrag geregelt ist, steht es ihnen formal ja auch zu. Diese Verwaltungsmentalität funktioniert bis hoch in den Vorstand. Von einem Gespür für die Menschen und deren Erwartungen da draußen ist jedenfalls im Anspruchsverhalten der Manager nichts zu merken.

Sie sind wie zwei Paralleluniversen: Der Vorstand mit seiner Innenwahrnehmung und die Menschen draußen haben sich abgekoppelt. Sie sind ein Mikrokosmos geworden, wo der normale Mensch nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint – dabei ist VW ein systemrelevantes Unternehmen in Deutschland mit volkswirtschaftlichen Auswirkungen. 

Die richtige Ansage wäre gewesen: „Wir können uns keine Boni auszahlen, wenn wir gleichzeitig Leute nach Hause schicken, weil wir Fehler gemacht haben.“ 

 

Führung mit Gesten und Haltung

Führung hat eben auch viel mit Gesten und Haltung zu tun. Sicherlich haben sich die VW-Vorstände bei der Formalie Boni nichts weiter gedacht. Aber eben genau dieser Umstand spiegelt die Sicht und Haltung einer Führungselite wider, die isoliert agiert. Der „Rückzieher“ als Reaktion auf den öffentlichen Aufschrei hat das Ganze noch verschlimmbessert. Denn wer drei Wochen braucht, um den Boni-Beschluss zu revidieren,  zeigt, dass die Entscheidung nicht aus Integrität heraus gefallen ist, sondern vielleicht erst als Reaktion auf einen Kommentar von Dietmar Hawranek im „Spiegel“. Von einer echten Führungselite kann man mehr Augenmaß erwarten.

Die Handlungsmaxime scheint „Tarnen, Täuschen und verpissen“ zu sein, daher haben die Menschen draußen keine Akzeptanz mehr und sind genervt. Da kommen keine angemessenen Gesten, keine Symbole für eine verantwortliche Haltung, sie setzen kein Zeichen für Veränderung.

 

Top-Manager können sich nicht mehr erklären

Das Misstrauen in die Eliten ist durchgängig sichtbar, überall. Die Top-Manager tun sich schwer, vernünftig zu kommunizieren, den Menschen zu erklären, was sie tun und warum sie es tun. Helmut Schmidt dagegen konnte das.

Führungseliten seines Zuschnitts haben Integrität, die man ihnen zugeordnet hat. Dies fußte auf dem Vertrauen, dass die Manager eine gute Ausbildung haben und in unserem Interesse handeln. Heute dagegen hat sich das abgekoppelt. Der Grundgedanke der Menschen ist: Die Top-Manager machen ihren Job nicht mehr für uns, sondern für ihre Boni, frei nach dem Motto: Jeder ist selbst der Nächste!

 

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Quelle: GPRA-Vertrauensindex April 2016

 

 

 

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