Warum Job-Verhandlungen oft in allerletzter Minute doch noch scheitern, verraten Personalprofis Echter und Assig

Warum Job-Verhandlungen, die vielversprechend laufen, im letzten Moment doch noch scheitern, analysieren die Topmanagement-Beraterinnen, Dorothea Assig und Dorothea Echter Tvon op Management Ambition. Denn Auslöser sind die Kandidaten selbst – ohne dass sie es merken. Gastbeitrag

 

 

Assig Echter

Dorothea Assig (l.) und Dorothea Echter (r.)

Nach Wochen, manchmal monatelangen Bewerbungsrunden liegt der unterschriftsreife Vertrag in der letzten Besprechung auf dem Tisch – und wird vom Unternehmen dann doch nicht unterschrieben. Für den Bewerber ist dieses Verhandlungsende völlig unverständlich. Aber: Es gibt dafür gute Gründe. Er selbst hat nämlich etwas übersehen. Aber was? Was ist schief gelaufen?

 

Unternehmen treibt in der Berufung auf exponierte Positionen bis zum allerletzten Tag eine Sorge um: Hoffentlich irren wir uns nicht. Denn eine neue Besetzungsrunde dauert lange, ist teuer und riskant. Viele Menschen wirken dabei mit. Die Position war lange nicht besetzt und die Teams erwarten Wunderdinge vom neuen Chef. Zu oft schon haben neu eingestellte Manager nicht die Verheißungen erfüllt. Wer im Assessment-Center brilliert und Verhandlungen gut führt, muss noch lange kein guter Leader sein.

Alle Entscheider sind deshalb bis zum Ende hellwach, registrieren feinste Unterströmungen und Dissonanzen und sind bei Irritationen sofort alarmiert. In der allerletzten Phase kann noch alles schief gehen, auch wenn der Bewerber sich ganz sicher fühlt. Es sind die kleinen Störungen, die zu einer Ablehnung führen können. Über viele wird hinwegsehen, weil Menschen eben nicht stromlinienförmig sind, aber über diese Signale nicht:

 

Die Siegesgewissheit-Irritation: Die Bewerber verhalten sich, als ob sie den Job schon hätten. Sie beschäftigen sich mehr mit dem neuen Wohnort, als mit der neuen Aufgabe, führen bereits Gespräche mit Vermietern, überlegen die Auswahl der Schule für die Kinder. Sie sind mit dem Kopf überall – nur nicht bei den für sie jetzt allerwichtigsten Menschen, nämlich bei denen, mit denen sie noch im Verhandlungsmodus sind.

Sie haben wenig Zeit, ihre E-Mails zu beantworten, sind in Telefongesprächen mit ihren Gedanken woanders, sie sind in Aufbruchsstimmung und leider nicht mehr in der Verhandlungen-zu-Ende-führen-Stimmung. Sie realisieren nicht, dass sie immer noch im Bewerbungsstatus sind und verhalten sich, als ob sie schon zum Unternehmen gehören.

Es sind sehr kleine Nuancen in der Haltung, die im täglichen Miteinander keine große Bedeutung haben, aber im Bewerbungsverfahren registrieren die Entscheider sie sehr genau und fragen sich, was kommt dann erst auf uns zu, wenn der Kandidat eingestellt ist? Haben wir es dann auch mit einem ganz anderen Menschen zu tun, als mit der aufmerksamen, wachen, dankbaren Person, die wir in den Bewerbungsrunden erlebt haben? Diese kognitive Dissonanz führt schließlich zur Ablehnung.

 

Die Kleinkrämer-Irritation: Während das Unternehmen sich Millionen-Deals von dem Bewerber erhofft, ist dieser mit Cents und kleinsten Vergünstigungen im Vertrag beschäftigt. Es gibt immer noch etwas zu kritteln und noch etwas zu fordern, plötzlich hat den Bewerber jede Souveränität verlassen und er möchte alles ganz genau geklärt haben.

Er hat dabei die ganze Zeit den eigenen Vorteil im Blick, wird ängstlich, dass er über den Tisch gezogen werden könnte. So offenbart er sich als jemand, dem man nicht mehr zutrauen kann, sich im internationalen Management frei zu bewegen und souverän Erfolge zu gestalten. Der Zweifel ist, dass er dabei eher die Reisekosten im Blick hat.

 

Die Macht-Irritation: Der Bewerber will in seinen Vertrag unsinnige Garantien aufgenommen haben – unsinnig, weil er über solche Regelungen später ganz selbstverständlich allein entscheiden könnte. Spektakuläre Berufungen sind daran gescheitert, dass vertraglich festgelegt werden sollte, dass sein Home office in Berlin ist und nicht in Frankfurt. Wen interessiert’s?

Wenn Erfolge da sind, kräht kein Hahn danach, ob es hier oder dort ist, auch wenn vorab Bedenken bestehen. Oder ein Bewerber offenbart eine Ängstlichkeit und Regelgläubigkeit, indem er Entscheidungswege schriftlich fixieren möchte. Dies signalisiert Ohnmachtsgefühl, statt Zuversicht, Einfluss, Macht und Vertrauen. Die starke, erfolgsverwöhnte Persönlichkeit der Verhandlungsrunden mutiert zum ängstlichen Angestellten, der alles vorgegeben haben möchte und einen ganz engen Rahmen braucht.

 

Der Auswahlprozess kann auch in Unternehmen zu Spannungen und Dissonanzen führen, die so groß werden, dass sie zu keiner Einstellung führen. Der Aufsichtsrat hat sich im Verlauf der Kandidatensuche so zerstritten, dass kein Bewerber genommen wird, dass in Frage gestellt wird, ob diese Position überhaupt besetzt wird, ob nicht der Personalberater alles ganz falsch aufgefasst hat, ob nicht besser die Entscheidung auf das nächste Jahr verschoben wird

Alles Irritationen, die nichts mit dem Bewerber zu tun haben, ihn aber direkt betreffen. Darauf hat der Bewerber keinerlei Einfluss, auf das eigene Verhalten aber schon.

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Alle Kommentare [3]

  1. Liebe Dorothee Echter, liebe Dorothea Assig!
    Die Kleinkrämer-Irritation begegnet mir paradoxerweise oft bei meinen hochbegabten Coachees, denen normalerweise Regelungen insgesamt schwer auf die Nerven gehen, wenn sie selbst davon betroffen sind. Die Siegesgewissheit kommt an Platz zwei und die Macht-Irritation an Platz drei, würde ich sagen, nicht weit abgeschlagen.
    Prima Text!!
    Detlef Scheer

  2. Liebe Dorothee Assig, liebe Dorothea Echter, was für ein genialer Text, was für tolle Bilder. Nicht selten findet sich die Kombi aller drei Irritationen, das ist dann besonders delikat und garantiert das Schwitern jeder Verhandlung, nicht nur wenn es um einen neuen Job geht. Lebendige Grüße aus Stuttgart nach München.
    Ursula Matzke

  3. Liebe Frau Assig, liebe Frau Echter,
    pointiert, unterhaltsam und genüsslich ist der Artikel zu lesen !
    Eine Sicht aus der Warte des Bewerbers: Handelt es sich wirklich um die Traumstelle, so tritt die Kleinkrämer-Irritation sehr in den Hintergrund. Diese hat ja nur einen Brückenzweck, wenn man nicht so ganz überzeugt ist. Viel gefährlicher ist da die Siegesgewissheit, die ja eignetlich ein Zeichen der vollen Identifikation mit der neuen Funktion und der neuen Firma ist. Sich an der Stelle gebührend kühl und cool zu verhalten ist ja naturgemäß sehr schwer, zumal die Gelegnehit dazu eher selten kommt.
    Einen schönen Tag voller Inspiration und einigen irritierten Coachees!