Empathie statt Empörung – Gastbeitrag von Frank Behrendt zu den Reaktionen auf den gestrigen Flugzeugabsturz

Empathie statt Empörung: Frank Behrendt in einem Gastbeitrag aus Anlass des gestrigen Flugzeugabsturzes des Airbus über den Alpen – und der Reaktionen darauf.

 

Wenn Komiker aus ihrer lustigen Rolle aussteigen. Wenn Spaßmacher das Juxen einstellen und nicht mehr alles und jedes auf die Schippe nehmen – dann wird es ernst. Oder besser: Dann ist selbst der Scherzkeks nicht mehr zu Kalauern aufgelegt.

 

Michael Kessler, Comedian und Schauspieler, der gerne mal an den Grenzen des wie auch immer ausgelegten Geschmacks lungert,  hat Tacheles gepostet. Ganz ohne Humor. Weil Michael Kessler, dem Spaßmacher, zum Heulen ist. Weil der das Unfassbare einfach nicht fassen kann und nur trauern möchte. Um die 150 Menschen, die beim Germanwings-Flug von Barcelona umgekommen sind. Frauen, Männer, Kinder, Babys, Piloten, Flugbegleiterinnen, Eltern, Urlauber, Geschäftsleute, Senioren, Schüler, Lehrerinnen, Lebenskünstler – Menschen. Die ein Recht auf Würde haben. Auch und gerade wenn sie bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen sind.
In einem Zehn–Punkte-Katalog von Lorenz Meyer verbreitet auch Komiker Michael Kessler was wir nach einer Flugzeugkatastrophe nicht sehen/hören/lesen wollen. pic.twitter.com/Y4eudON2do Auf den Punkt gebracht: Wir sind charakterlos, wenn wir gaffen, und „die Medien“ uns dazu die wohlfeile Vorlage liefern.

 

Keinen Deut besser als die Gaffer sind aus meiner Sicht die eifrigen Tadler und Experten, die kaum einen Tag nach der Tragödie nörgeln und sich über die vermeintlich schlechte Krisenkommunikation von Germanwings und der Lufthansa lästern. Ich nenne sie „Krisen-Poser“, quasi die Umkehrung des Prinzips Gaffer, allerdings auf der gleichen moralisch verwerflichen Grundlage. Sich am Elend anderer zu weiden, sich daran hoch zu ziehen.

 

Während sich der Gaffer etwa bei einem Unfall auf der Autobahn in der Anonymität  der Blechlawine sicher fühlt, wähnt sich der Krisen-Poser quasi als Stimme der fragenden Mehrheit, will sich im bildlichen Sinn das Gewand des ‚Irgendwie-auch-Betroffenen’ überstreifen. Liebe Krisenkommunikations-Kritik-Poser: Ihr seid nicht betroffen. Auch nicht, wenn man Euch (wer eigentlich?) das Label „Experte“ aufgedrückt hat.

 

Hättet Ihr auch nur ein Fünkchen Empathie, ein bisschen Gespür für Würde, dann würdet Ihr einfach in solchen Stunden, an solchen Tagen mal nichts sagen und Euch nicht versuchen zu profilieren.

 

Kritik ist gut, ist wichtig, ja unverzichtbar. Weil sie immer nötig ist, um beim nächsten Mal besser zu sein, um keine Patzer zu machen. Nur: Die Tragödie der Germanwings-Maschine ist so grausam unvorstellbar einmalig, dass man mit den Kategorien „gut“ oder „schlecht“ nicht seriös die Bemühungen der Airline in den ersten Stunden nach dem Crash, so frisch nach dem Ereignis, be- beziehungsweise verurteilen darf. Für Manöverkritik ist die Zeit nicht reif, so lange die Opfer noch nicht geborgen wurden, alle Betroffenen informiert wurden – oder, ergreifend schlicht – die Angehörigen Zeit hatten, Abschied zu nehmen. Wer in die sprachlos machende Trauer einer Tragödie rechthaberisch hineinplappert, dem gehört der Mund verboten.

 

PR-Profi Frank Behrendt, Geschäftsführer der PR-Agentur Fischer-Appelt

PR-Experte Frank Behrendt, Geschäftsführer der Kommunikations-Agentur Fischer-Appelt

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Alle Kommentare [2]

  1. Hallo Herr Behrendt,
    wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Die Liste mit den 10 Dingen wurde nicht von mir verfasst, sondern lediglich gepostet! Am unteren rechten Rand der Liste können Sie den Namen des Verfassers Lorenz Meyer lesen. MfG M.Kessler

  2. Lieber Herr Kessler,
    Sie haben Recht, wie ich bei genauem Hinsehen feststellte. Allerdings ist es bei einem schnellen Medium wie Twitter auf dem Smartphone auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Da Sie die hervorragende Liste von Lorenz Meyer nicht retweetet sondern kopiert haben, kam ich nicht direkt drauf sondern habe direkt ein Kessler-Werk vermutet. Aber wir sind uns beide einig, dass sie es wert ist verbreitet zu werden und ein richtiges und wichtiges Statement zu einem sehr traurigen Thema ist. Daher hier nochmals ein „special thanks“ an Lorenz Meyer.
    Beste Grüße
    Frank Behrendt