Produktivität: Wenn fast jeder zweite Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz unglücklich ist

Früher war es immer die große Streitfrage unter Management-Experten: Geben glückliche Kühe mehr Milch?

Übersetzt in den Unternehmensalltag heißt das: Arbeiten zufriedene Mitarbeiter besser? Irgendwann wurde der Streit und die Frage nahezu überflüssig. Weil ja Entlassungen, Verkleinerungen der Belegschaften, (und damit deren Einschüchterung) die Regel wurden.

Ob jemand unzufrieden oder glücklich war als Mitarbeiter – egal. Soll er doch froh, sein, wenn er einen Job hat. Doch so langsam schert die Frage die Unternehmen wieder. Zumindest die, die schon heute Schwierigkeiten bei der Personal-Rekrutierung haben und erst recht die, die bereits Aufträge ablehnen oder Vertragsstrafen für zu spät erfüllte Verträge zahlen müssen.

Für diejenigen, die also allen Ernstes anzweifelten, ob unglückliche Mitarbeiter vielleicht ebenso gut arbeiten wie zufriedene, ob sie ebenso loyal sind, ob sie keine Betriebsgeheimnisse raustragen  oder dergleichen, hat der Büroausstatter Steelcase nun in einer weltweiten Untersuchung durch den Marktforscher Ipsos klären lassen.

Das Ergebnis der Umfrage: Eindeutig ja.

Körperliches Wohlbefinden steigert die Produktivität – oder eben nicht

Oder umständlich ausgedrückt: „Das physische und psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz ist eng mit deren Arbeitsumgebung verknüpft. Sie kann das körperliche, kognitive und emotionale Wohlbefinden der Angestellten positiv oder negativ beeinflussen. Und dies wiederum hat unmittelbaren Einfluss auf die Produktivität der Mitarbeiter.“

Befragt wurden 7.300 Mitarbeiter von Unternehmen und Organisationen mit über 100 Angestellten in zehn Ländern. 800 von ihnen kamen aus Deutschland.

Fast jeder zweite Mitarbeiter weltweit ist unglücklich – liefert der gute Milch?

Die Erkenntnisse:

– 41 Prozent sind unglücklich über ihre Arbeitsumgebung.

 

Stress durch hohen Lärmpegel im Büro

Die Gründe: 

– Der Geräuschpegel im Großraumbüro ist zu hoch und Stress verursacht

– es fehlen Räume, wo man konzentriert arbeiten kann.

 

Keine geistlose, mechanische Arbeit – Mitdenken und intelligente Ergebnisse

 

Denn leider entgeht den Entscheidern – die selbst kaum betroffen sind von Arbeitsbedingungen in Großraumbüros und sich über die entsprechenden Gesundheitsbeschädigungen keine Vorstellung machen -, dass die Mitarbeiter in Massenhaltung keineswegs gemächlich vor sich hin dümpeln und geistlose Tätigkeiten verrichten. Sondern qualifizierte Arbeit verrichten und meist auch noch unter Zeitdruck abliefern müssen.

 

Clean-desk-policy ist etwas für Betonköpfe ohne den Willen zu echtem Erfolg

– 40 Prozent aller Befragten beurteilen ihr Unternehmen als keinen guten Platz zum Arbeiten und dass es nicht zu ihrem Lifestyle passe.

Dabei verspielen Unternehmen mit ihren willkürlichen Zwängen beispielsweise zu clean-desk-policy undsoweiter einen höheren Output ihrer Mitarbeiter.

 

Mehr kleine Freiheiten bringen Firmen deutlichen Gewinn

 

Weil sie es einfach nicht verstehen: Je mehr Mitarbeiter ihr tägliches Arbeitsumfeld selbst wählen, gestalten und kontrollieren dürfen – wo sie ohnehin meist mindestens ebenso viel oder mehr Zeit verbringen als in ihrer eigenen Wohnung – fühlen sie sich wohler, die Zufriedenheit der Menschen steigt signifikant, so Steelcase.

Das Fazit der Studie für Langsam-Checker, Empathielose und Autisten-Chefs im Klartext: „Menschen arbeiten dann am kreativsten und produktivsten, wenn sie sich wohlfühlen. Das heißt für Unternehmen: Die Förderung des Wohlbefindens ihrer Mitarbeiter liegt im geschäftlichen Interesse, da sie so in ihre Zukunftsfähigkeit und Resilienz investieren.“

http://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz

 

Sie wollen engagierte Mitarbeiter? Lassen Sie ihnen kleine Freiheiten

Vor allem: Wer sein Arbeitsumfeld positiver bewertet, ist engagierter, so die Ipsos-Untersuchung. „In westlichen Kulturen werden Körper, Geist und Umgebung als getrennte Einheiten gesehen, aber wissenschaftliche Ergebnisse zeigen mehr und mehr, dass diese eng miteinander verbunden sind.“ Will heißen: „Wohlbefinden umfasst daher weit mehr als nur die körperliche Gesundheit, sondern muss ganzheitlich verstanden werden“, fordert Beatriz Arantes, Psychologin und Forscherin des Steelcase WorkSpace Futures Team in Paris und spezialisiert auf die psychologischen Hintergründe menschlicher Emotionen.

 

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Alle Kommentare [3]

  1. Stimmt – nichts neues und z.B. auch schon lange in den Forschungen zur Organisationalen Energie von Prof. Heike Bruch (einer der führenden Köpfe im Personalmanagement) belegt. Produktive Energie entsteht da, wo die Mitarbeiter sich beteiligt- und wohlfühlen.
    Das kann auch den (immer wichtiger werdenden) Aspekt mit einschließen, Mitarbeitern volle Flexibilität bei der Erfüllung ihrer vereinbarten Aufgaben zu geben. Erwachsene erwachsen zu behandeln ist ein Schlüsselelement um auch deren Potentiale und Energie positiv fürs Unternehmen zu nutzen.
    Wie sehr die Thematik des Home Office / remote work da herein spielt, sehen wir auch immer wieder in unserer Beratung zu genau diesem Thema.

  2. Lieber Herr Bosbach,
    als Mitarbeiterin des Unternehmens Steelcase, das die Studie durchgeführt hat, kann ich Ihnen nur zustimmen: Die Thematik an sich ist nicht völlig neu. Unser eigenes Forschungszentrum WorkSpace Futures beschäftigt sich bereits seit rund zehn Jahren damit. Allerdings kommen wir genauso wie Sie aus einer Branche, die sich mit der optimalen Gestaltung des Arbeitsplatzes auseinandersetzt. Evtl. ist die Tatsache, dass Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, produktiver arbeiten, sogar vielen Geschäftsführern oder Managern bekannt. Gehandelt wird indes noch zu selten. Mit unserer Studie wollen wir auf den Handlungsbedarf hinweisen – denn aktuell verschenken viele Unternehmen wertvollen ökonomischen Output.
    Ich gebe Ihnen recht: Volle Flexibilität – und Vertrauen – bei der Erfüllung von Aufgaben sind essentiell. Das Schlagwort lautet Auswahl und Kontrolle – für jede Tätigkeit muss es die richtige Arbeitsumgebung geben – ob nun das Home Office, das Unternehmens-Café oder das altbewährte Einzelbüro. Kann der Mitarbeiter frei entscheiden, wo und wie er arbeitet, ist er deutlich zufriedener und kann sich dadurch auch besser auf seine Arbeit konzentrieren.

  3. Liebe Frau Steilen,
    Lieber Herr Bosbach,
    ich arbeite als selbständige Yogalehrerin u.a. in einem mittelständischen Unternehmen in Süden Bayern. Dort unterstütze ich das Unternehmen mit einem Bewegungsprogramm zweimal wöchentlich – von Yoga über Stressbewältigung bis hin zu Rückenschulen und Bewegten Pausen – dass sowohl die Mitarbeiterinnen im Produktionsbereich, wie auch der Verwaltungsebene zur Verfügung steht.
    Die Arbeitsplatzsituationen, die ich dort erlebe, sind so unterschiedlich, wie das Grün auf der Wiese. Der Mitarbeiter sieht oft das GRÜN nicht mehr. Er/Sie ist beschäftigt sich Raum auf dem Feld zu schaffen. Großraumbüros sind belastend für die Seele, Einzelbüros auch. Ich stimme hier Frau Steilen zu, den Arbeitsplatz wählen zu können, ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.
    Ein weiterer Schritt ist die betriebliche Gesundheitsführung, und die beginnt in der Chefetage – gesund führen – der Arbeitsplatz findet sich dann von selbst.
    In Bewegung bleiben, Raum schaffen für Rückzug, Menschsein dürfen!
    Pause Machen – der wichtigste Termin.
    Kein Mensch ist geschaffen auf Dauer 12 oder sogar bis zu 16 Stunden zu arbeiten, irgendwann ist er „nur“ noch anwesend, und dann fehlt er!

    Ich erlebe zum Glück auch, wie sich Einzelne den Freiraum geschaffen haben, das Angebot anzunehmen, ob in meinen Stressbewältigungsprogrammen oder in stillen wie dynamischen Yogastunden, so Kraft und Freude entwickeln und das innere Lächeln wieder zum Vorschein kommt.
    Namaste
    Claudia Fohrer