„Wer sich nur über Beruf oder nur über Familie definiert, ist von gestern“ – Gastbeitrag über Skandinavien von Ex-CEO Klaus Danhamer

Der Münchner Personalberater Klaus Danhamer, Ex-CEO von Manroland Nordic skizziert, was Skandinavien so besonders macht beim Thema Familie, Frauen und Karriere.

 

Klaus Danhamer

Klaus Danhamer

Danhamer war bis Ende 2012 CEO des deutschen Industriekonzerns Manroland Nordic in Skandinavien und ist heute Partner bei Hunting/Her, der ersten Personalberatung, die auf Frauen spezialisiert ist.

Der 56-jährige erzählt hier im Management-Blog über seine Erfahrungen und zeigt, wie sich Kinder und Karriere in Skandinavien vereinen lassen:  

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„Obgleich ich bis dato auf meinen Karrierestationen schon viele Auslandseinsätze auf der Uhr habe,  erinnere ich mich noch gut an meinen ersten Arbeitstag nach meiner Ernennung zum CEO unseres skandinavischen Tochterkonzerns. Denn: Der Tag verlief schon  etwas anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Bereits nach meiner obligatorischen Vorstellung bei meiner neuen Mannschaft, kurz und prägnant in deutscher Manier, kamen auffallend viele Fragen auch persönlicher Natur. Dass man sich hier direkt und hierarchieübergreifend mit dem Vornamen anspricht, hatte ich zwar gehört. Doch ich empfand es zunächst als ungewöhnlich.

 

Stellen Sie uns doch bitte Ihre Ehefrau vor!

Meine Mitarbeiter interessierten sich sehr – typisch skandinavisch – nicht nur für meine geschäftlichen Überlegungen sondern auch für meine Familie, mein soziales Engagement und meine Freizeitaktivitäten. Wo ich denn wohne, wann meine Familie mit nach Kopenhagen ziehe, ob meine Frau schon die Sprache erlernt und einen Arbeitsplatz gefunden hätte, was ich gedenke, hier ehrenamtliches zu tun. Ich wurde auch mehrfach gebeten, meine Frau bald vorzustellen, denn sie wollen schon wissen, mit wem der Chef nun verheiratet ist.

 

Frauenanteil in der Führung: Auch Headhunter in der Pflicht

Fragen, die ich so nicht erwartete. Offen angesprochen wurde auch der Wunsch, das Unternehmen nicht typisch deutsch in Befehl- und Gehorsam-Manier zu leiten, das ginge in Skandinavien einfach nicht.  Auch unsere Personalberater mahnten zum Maßhalten; Standesdünkel und Anwesenheitskultur wären in hohem Maße kontraproduktiv und Flexibilität auf beiden Seiten gefragt.

In der Folgezeit habe ich mich sehr schnell an die offene, intensive und direkte Art der Kommunikation gewöhnt – und sie dabei auch schätzen gelernt.  Dabei empfand ich es als äußerst konstruktiv und angenehm, in gemischten Teams zu arbeiten. Unsere Frauenquote im Management lag bei etwa 30 Prozent und auch auf den Shortlists unserer Headhunter und Personalberater fanden sich stets mindestens ebenso viele Frauen wieder.

Ein Headhunter, der – wie in Deutschland lange die Regel – ausschließlich oder fast ausschließlich männliche Kandidaten präsentieren würde, ist in Nordic kaum vorstellbar.

 

Firmenfeste selbstverständlich nur mit Lebenspartnern

Privates und berufliches wird oft – im positiven Sinne – vermengt, denn es erleichtert das Miteinander. Ganz wichtig sind die Firmenfeste oder Weihnachtsfeiern, die als absolutes Muss selbstverständlich nur zusammen mit den Lebenspartnern der Kollegen stattfinden. Natürlich wollen auch die Partner der Mitarbeiter den Chef und dessen Frau persönlich kennen lernen und dasselbe wird von dem Geschäftsführer erwartet.

 

Familie und Beruf sind gleichrangig

Was sagen uns diese Alltagsbeispiele über die Gesellschaft? Ganz wichtig ist für alle Skandinavier die Gleichrangigkeit von Beruf und Familie, dies gilt für Männer ebenso wie für Frauen.

Eine Ausschließlichkeit Karriere oder Familie, wie sie bei uns in Deutschland oft vorherrscht, habe ich nirgendwo anders erlebt. Gerade die Frauen sind in Skandinavien sehr stolz auf ihre gute Ausbildung und ihre absolute Gleichberechtigung auch in finanzieller Hinsicht. Dies fordern sie natürlich auch ein, beruflich wie privat. Auch die Männer wollen ganz überwiegend am Familienleben aktiv teilnehmen und fordern auch die notwendige Zeit dafür ein.

 

Kinder und Karriere ist gemeinsame Elternsache

Selbstverständlich kümmern sich beide Elternteile gleichrangig um die Kinder. Mann bringt sie morgens in den Kindergarten, frau holt sie abends ab. Einen Platz in der Krippe oder im Kindergarten stehen ja jedem zur Verfügung. Auffallend ist auch, dass die Anzahl der Kinder-Betreuerinnen und -Betreuer sich in etwa die Waage hält.

Das Wort Rabenmutter existiert in Skandinavien nicht, es ist gesellschaftlich vollkommen in Ordnung, wenn beide Elternteile arbeiten und Geld verdienen.

Es gibt weit weniger Teilzeitjobs als bei uns – und sie werden auch nicht nachgefragt.

Als meine Frau nach Kopenhagen zog und nicht gleich einen Job hatte, sprachen Nachbarn sie darauf an und unterstützen sie bei der Suche. Es ist einfach nicht üblich, dass sich Frauen `nur´ um Familie und Haushalt kümmern. Das wird beiden Partnern abverlangt.

 

Völlig akzeptiert: Wenn Führungskäfte um 17 Uhr Meetings verlassen, um Kiddies abzuholen

Dieses Selbstverständnis beeinflusst die Organisation des Geschäftslebens: Eine Besprechung nach 16.30 Uhr ansetzen, ist kaum möglich, da ja die Kinder von der Kinderkrippe abgeholt werden müssen – und Kinder gibt es viele in Skandinavien. Es kommt vor, dass sich auch ein leitender Mitarbeiter um 17.00 Uhr aus einem Meeting verabschiedet, weil er zur Kinderkrippe muss, um das Kind abzuholen. Dieses ist vollkommen akzeptiert.

Möglicherweise kommt der Mitarbeiter dann am späteren Abend wieder zurück ins Büro oder arbeitet im Home-Office weiter, wenn Dringendes zu erledigen ist. Flexibilität fordern und fördern beide Seiten. Alles ist viel offener und entspannter und meistens findet man einen Weg, beides unter einen Hut zu bringen. Am Freitag Nachmittag ab 16 Uhr schließlich ist kaum noch jemand bei der Arbeit anzutreffen, weil die meisten dann in ihr Sommerhaus fahren, um dort das Wochenende zu verbringen. Oder man ist zum Golfspielen verabredet, Life Balance eben.

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Ältere Mitarbeiter als Bereicherung

Hinzu kommt, dass es den bei uns weit verbreiteten Jugendwahn so in Nordeuropa nicht gibt. Ein Karrierestart mit 40 oder 50 Jahren ist deutlich öfters anzutreffen. Personalberater schlagen auch immer wieder ältere Mitarbeiter vor. Die gesunde Mischung ist immer das Beste. Wir werden alle glücklicherweise immer älter, brauchen dringend erfahrene Fachkräfte und wollen uns dann selber nicht mehr beschäftigen, wo ist die Logik? In der Rente mit 63?

 

Nur Mitleid mit Karrieristen

Jemand der sich in Skandinavien ausschließlich um seine Karriere kümmert, wird von Gesellschaft, Vorgesetzten und Personalberatern eher mitleidig betrachtet. Ehrgeiz und Fleiß sind genauso wichtig wie bei uns, nur ist Verbissenheit viel seltener zu finden, ein Streben nach einem ausgeglichenen Leben und nach persönlicher Freiheit und Konsens ist überall zu spüren. Auch gibt es deutlich weniger Menschen mit Burn Out als bei uns.

Die Dänen sollen ja die glücklichsten Menschen in Europa sein. Ich bin davon überzeugt, dass sich ein ausbalanciertes Leben sehr positiv auf die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit  auswirkt, im Beruf sowie im Privaten.

Allein schon diese Beispiele zeigen, dass es einfach nicht ausreicht, eine gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte bestimmter Unternehmen einzuführen und dann zu erwarten, dass sich dadurch der Frauenanteil in den Führungspositionen grundlegend ändert. Egal wie viele wir Spitzenpositionen wir hierzulande mit Frauen besetzen.

 

Wer sich nur über Beruf oder nur über Familie definiert, ist von gestern

Es müssen sich vielmehr  gesellschaftliche Strukturen, unsere Arbeitsorganisation und auch das Selbstverständnis von Mann und Frau ändern. Wer sich ausschließlich über den Beruf oder über die Familie definiert, ist dabei gestern. Nur wenn hier etwas geschieht, werden sich der Frauenanteil und auch die Geburtenrate  ins Positive ändern.

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Alle Kommentare [3]

  1. Jeder mag sich definieren, wie er will. Es soll auch jenseits von Beruf und Familie noch sinnvolles Leben geben, hört man. Engagement für Hilfsbedürftige, für Toleranz, Unternehmergeist oder Demokratie, für die Kunst oder den Glauben, wir haben die Wahl.

    Mit Selbstbewusstsein und Mut sind die Wahlmöglichkeiten auch für Frauen heute so groß wie nie zuvor. Vielleicht sind sie in Deutschland – das sei einmal provokant gefragt – sogar für Frauen größer als für Männer. Denn welcher Chef akzeptiert hier schon gern, wenn ein Mitarbeiter die Konferenz verlässt, um die Kinder abzuholen. Und welcher Angestellte traut sich? Bei der Kollegin versteht man das schon eher. Daher auch die kurzen Elternzeiten der Männer im Vergleich zu den Frauen.

    Hier könnten die Herren – auf jeder Hierarchiestufe – etwas flexibler werden. Das würde vermutlich mehr bringen als jede Quote. Vor allem den Männern auf ihren neuen Expeditionen in unentdeckte Welten jenseits des Schreibtischs. Und die Frauen könnten dann einmal weiterarbeiten, wenn ein Projekt heißläuft. Denn, wenn sie heute aus dem Büro hetzen, liegt das nicht selten daran, dass sie glauben, eine richtige Männerkarriere – auch die ihres Ehemannes – erlaube keine Rücksicht auf die Familie. Stimmt nicht, wie die Beispiele aus Skandinavien zeigen.

    Wir brauchen also nicht nur mehr Akzeptanz für Frauen mit Kindern und Karriere, sondern vor allem für Männer, die erfolgreich sein und sich um ihre Familie oder, was ihnen sonst wichtig ist, kümmern wollen. Und deshalb auch mal Termine absagen.

  2. Liebe Frau Leins,
    ich freue mich über den Artikel und kann nur sagen, dass ich bisher weitgehend das Glück hatte, so zu leben. Allerdings mit selbst geschaffener Unterstützung und natürlich dem Ansehen einer Rabenmutter und Karrieristin. Dies allerdings von Menschen, die mich nicht kennen.
    Meine Lebenseinstellung und die meines damaligen Partners haben uns das Leben erleichtert und natürlich auch ein Arbeitgeber, der mir die notwendigen Spielräume gelassen hat.
    jedenfalls ja, es ist lange noch nicht so weit, braucht Kraft, geht aber an der einen oder anderen Stelle in Deutschland auch, wenn Mann und Frau sich trauen.
    Herzliche Grüße,
    Anja Teubert

  3. Klingt wirklich viel besser, menschlicher und ausbalancierter die Arbeitswelt in Skandinavien. Glaube ich gerne, dass das Arbeiten so schon etwas entspannter und gesünder ist als bei uns.

    Aber wo bleibt das Kindeswohl ? Es ist nachgewiesenermaßen nicht gut für die kindliche Entwicklung den ganzen Tag in Betreuung zu verbringen, so gut die Betreuung auch sein mag. Der Wert von Familie wird in allen Industrieländern total unterschätzt.