Buchverlosung: Frank Meiks „Wir klicken uns um Freiheit und Verstand“

 

Vier Bücher von Frank Meiks „Wir klicken uns um Freiheit und Verstand“ werden hier im Management-Blog auf WiWo.de verlost.

Meik ist Geschäftsführer des MW Verlags in München, Senator der Welt- Medienorganisation, IFRA und  Direktor der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung.

Wer eins der vier Exemplare gewinnen will, mailt bitte bis 30.August 2013 an claudia.toedtmann@wiwo.de mit dem Betreff: „Buchverlosung Meik“

Und zum Appetit-Anregen hier noch ein Auszug:

 

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Kostenlos, umsonst, gratis – ein teurer Weg

Andere nutzen das Geld, um nicht nur Rivalen klein zu halten, sondern auch um Kunden zu begeistern. Wir alle kennen Angebote, in denen wir freien Speicherplatz für Daten, ein Musikalbum zum Herunterladen umsonst oder irgendwelche anderen Gratis- oder heruntergesetzten Offerten bekommen.

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Nicht zuletzt Facebook ist auf diese Weise groß geworden. Andere virtuelle Treffpunkte im Netz kosten Geld: LinkedIn beispielsweise oder Xing, die sich an ein professionelles Publikum richten, verlangen Geld für Premiumdienste und sind dementsprechend bei Weitem nicht so erfolgreich wie Facebook, wollen es in diesem speziellen Fall aber auch gar nicht sein, weil sie sich in der Nische wohlfühlen. Andere Unternehmen hätten gerne das Wachstum der Kundenzahlen gehabt, wie ihn Facebook aufweisen kann. Weil der US-Web-Konzern allerdings so freizügig mit den Millionen aus seiner Wagniskapitalfinanzierung umgehen kann, bleibt es bei solchen Wünschen.

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Daten als Zahlungsmittel

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Natürlich sind die Güter und Dienstleistungen, die uns so vermeintlich günstig zur Verfügung stehen, weder kostenlos noch gratis oder umsonst. Sie sind nur anders finanziert. Bei Facebook beispielsweise ist es offensichtlich: Wir zahlen mit unseren Daten. Auch Google macht so das Gros der Dienste zu Geld: Die Suchmaschine sammelt möglichst viele Informationen über den Menschen vor dem Monitor und verkauft diese Daten in Form von anonymisierten Profilen an Werbekunden. Katzenbesitzer unter 30 Jahren in Großstädten? Frauen auf der Suche nach einer Wohngemeinschaft? Dank der Datenfülle von Google ist es kein Problem, solche Kunden herauszufiltern. Auf diese Weise kann „kostenlosviel Geld einbringen.

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Die Amerikaner sind die besten Verkäufer der Welt und schaffen es sogar, Geld aus nichts, aus kostenlosen Waren zu schlagen. Die Kehrseite besteht allerdings darin, dass unter der Kostenlosmentalität, die Kunden inzwischen mit dem Internet assoziieren, jene Anbieter leiden, die ein anderes Geschäftsmodell verfolgen.

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Old fashioned: Verlage

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Verlagen beispielsweise ist es bis jetzt nicht gelungen, auf breiter Front Erfolg zu haben. Sie haben versucht und versuchen es noch heute Inhalte umsonst ins Netz zu stellen und das Recherchierte, Ermittelte, Geschriebene über Werbung zu Geld zu machen. Dieser Weg ist gescheitert und musste aufgrund der Rahmenbedingungen auch scheitern. Wir haben in Europa immer noch nicht das digital attac verstanden und arbeiten noch in der Welt Mitte des 20. Jahrhunderts. Dies ist verständlich, aber nicht akzeptabel.

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Die US-Vorherrschaft in der digitalen Welt

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Natürlich haben uns die Amerikaner die Demokratie „vermacht“. Aber müssen wir deshalb in unbewusster Abhängigkeit das nächste „Vermächtnis“ erdulden, die Vorherrschaft in der digitalen Welt? Zwei Jahrzehnte nach dem Start der digitalen Revolution mühen sich Verlage noch immer damit ab, im Internet Geld zu verdienen, wobei es ihnen an Ideen fehlt, wie ihnen das gelingen könnte. Einige Zeitungshäuser haben versucht, ihr Online-Angebot kostenpflichtig zu machen und hatten damit sehr schwachen und wechselhaften Erfolg. Vermeintlich positive Beispiele kommen wieder vom angloamerikanischen Markt. Auch hier sind die US-Kollegen schneller, agiler und experimentierfreudiger als hiesige Verlagsmanager. Paradebeispiel ist das Wall Street Journal. Das Pflichtblatt der US-Börsen kommt im Internet auf eine Million Abonnenten. so viele hat sonst keiner. Allerdings verlangt das Blatt, das seit 2007 zum Hause Murdoch gehört, dafür im Jahr auch nur 75 Dollar. Man muss kein Manager aus der Medienbranche sein, um zu erkennen, dass sich so eine Redaktion mit Hunderten von Journalisten die meisten ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet kaum unterhalten lässt.

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Kopieren hilft nicht.

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Die New York Times setzt ebenso auf Online-Abos. Bei dem zweitstärksten Blatt der USA freuen sich die Macher, dass viele Abonnenten mittlerweile den vollen Preis zahlen. Allerdings kommt die Times dafür auch nur auf ein Drittel der Kundschaft im Netz wie das Wall Street Journal. Die US-Modelle, bei denen die Zeitungen auch immer nur an vierter Stelle der Medienwichtigkeit standen, werden trotzdem noch als Vorbilder gesehen. Deutsche Verleger verstehen heute noch nicht, dass sie aus den Positiv- und Negativbeispielen lernen müssen und sie nicht plump kopieren können.

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Wer mit der Gratismentalität aufgewachsen ist, lässt sich nicht so schnell davon überzeugen, dass Qualität etwas kosten muss. Im Zweifel ist ein Gratis-Angebot einen Klick entfernt. Dies hat nichts mit der deutschen Zeitungs- und Medienqualität zu tun, die Sicht ist amerikanisch. Das Geschäftsmodell für alle amerikanischen Medien ist Werbung. Sie zahlt alles. Wir haben eine andere Kultur, aber wir lassen uns diese fremde Kultur überstülpen. Dasselbe gilt für unseren Umgang mit Daten.

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Smartphones: Telefonieren als Nebensache

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Leser, Zuschauer und Zuhörer und Nutzer gehen gedankenverloren mit den Neuerungen im Netz um. Sie leben in einer Art und Weise ihre Technikbegeisterung, dass einem Beobachter angst und bange wird. Besitzen Sie zum Beispiel ein Smartphone? Eines jener wundersamen Geräte, bei denen das Telefonieren zur reinen Nebensache wird? Auf denen Sie die Nachrichten lesen, die Tagesschau ansehen oder zwischendurch mal ein Spielchen wagen, aber auch Ihre Termine planen oder E-Mails lesen? Haben Sie sich jemals Gedanken gemacht, wo Ihre privaten Daten lagern, wenn diese Geräte ständig mit dem Internet in Verbindung stehen?

Wahrscheinlich nicht. Wir alle genießen den Komfort, den die Technik mit sich bringt, hinterfragen ihn aber kaum. Wir sind technikgläubig und lassen uns von den Geräten unterhalten, von der Wirklichkeit ablenken. Und wir sehen die Gefahren nicht.

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iGod – iDevil

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Die Entwicklung gipfelte im Titel iGod für Steve Jobs, bis August 2011 Chef des Computerkonzerns Apple. Er brachte uns das iPhone, ein Handy, das sich im Fingerstreich nehmen lässt und im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht zu bedienen ist. Dazu wurde der Online-Musikladen iTunes, in dem Unterhaltung digital erhältlich ist, egal ob Filme, Musik, Bücher oder Zeitschriften, entwickelt. Dies alles lässt sich am einfachsten über einen Mac-Computer bedienen. Wer jemals versucht hat, von einem Apple-Gerät auf ein anderes umzusteigen, der weiß: iDevil wäre vielleicht auch ein passenderer Name für Jobs gewesen. Jedes iPhone von Apple steht mit der iCloud des kalifornischen Konzerns im ständigen Austausch. Von einer Cloud ist die Rede, wenn die Daten in einem Rechenzentrum gelagert werden, nicht mehr nur auf dem Rechner zu Hause. Apple will dafür in den nächsten Jahren allein am Standort des jüngsten Rechenzentrums in North Carolina mehr als eine Milliarde Dollar ausgeben. Dort lagert ein Großteil der Daten, die wir auf unserem Smartphone speichern und nicht einmal unseren Freunden zeigen würden.

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Unser Leben in der „Wolke“

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Bei Google sieht es nicht besser aus. Die Betriebssoftware für Handys der amerikanischen Suchmaschine wird bald auf den meisten Mobiltelefonen weltweit installiert sein. Niemand auf dem Globus besitzt jetzt schon so viele Server wie dieses Unternehmen. Ein wahrer Datenkrake, denn niemand weiß, welche Informationen genau Google besitzt, wie die Informationen geschützt sind, wer sie nutzt. Was auf den Handys mit Googles Android-Software gespeichert ist, das liegt auch in der Cloud der Suchmaschine. Bei Blackberry-Geräten oder Microsoft-Smartphones gibt es vergleichbare Fragen wie bei Apple und Google.

Der momentan größte Anbieter von Cloud-Diensten ist ein Unternehmen, von dem man es kaum vermutet hätte: Amazon. Wir kennen das Online-Warenhaus von Einkäufen aber für viele Unternehmen hat sich der Händler zum wichtigsten Anbieter von Speicherplatz und Rechenkapazitäten entwickelt. Das Perfide oder Clevere an der Strategie liegt darin, dass besonders junge Firmen auf die Amazon-Cloud setzen. Mit diesen Startups wachsen die Möglichkeiten des Internetkonzerns. Ein Analyst formulierte es so: „Die Stellung von Amazon bei der Cloud gleicht der von Pepsi – ohne dass es im Moment einen Gegenspieler wie Coca Cola geben würde.“ Die anderen Anbieter sind noch deutlich kleiner. Ihnen allen ist gemein, dass sie ihren Hauptsitz in Nordamerika haben. Google, Apple und Microsoft fallen deshalb in die Zuständigkeit des Patriot-Act, des Gesetzes also, das die USA infolge der Terrorangriffe vom 11. September zum Schutz der Nation erlassen haben.

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Hacken als Mafia-Business

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Dieses Gesetz erlaubt es beispielsweise, dass die Behörden auf Informationen von Unternehmen zugreifen dürfen. Jeder Manager der betroffenen Firmen bestreitet vehement, dass dies bislang jemals passiert sei. Allerdings können die Behörden auch Stillschweigen über die verordneten Maßnahmen anordnen. Wer weiß wirklich, was da mit unseren Daten passiert? Selbst wenn nicht CIA oder FBI unsere Terminplanung oder Familienfotos betrachten können, weil sie in einem Rechenzentrum in den USA gespeichert sind: Wer gibt uns die Gewissheit, dass die Unternehmen selbst für den Schutz unserer Daten sorgen? Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht über spektakuläre Hacker-Angriffe berichtet wird. Der Diebstahl von Informationen und Identitäten hat sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt, hinter dem eine weltweit agierende Industrie mit mafiösen Strukturen steht. Das Geschäft mit Informationen brummt und sowohl Apple, Google oder Microsoft machen sich dies zunutze. Was die Cloud-Technologie angeht, verhalten wir uns ähnlich irrational wie bei der Atomtechnologie. Beide bieten ein ungeheures Potenzial, unsere Welt zu verändern wir fragen aber nicht nach, was im schlimmsten Fall passieren kann, und welche Folgen das für uns hat. Was geschieht, wenn jeder Einblick in unsere persönlichen Termine hat oder alle unsere Fotos anschauen kann? Online-Accounts von einigen Prominenten sind schon gehackt und ihr digitales Leben wurde bloßgestellt worden. Wehe, wenn uns das auch passiert!

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Unser Umgang mit dem neuen Phänomen Cloud belegt eindrucksvoll unsere Technikgläubigkeit. Die Wolke symbolisiert nur einen kleinen Ausschnitt unserer Naivität. Wir stellen Fotos unserer Familie bei Facebook ins Netz, Amazon weiß, welche Bücher wir bevorzugen, welche Windelgröße unsere Kinder gerade haben, oder dass wir umziehen wollen weil wir unsere Adresse in den Einstellungen geändert haben und im Baumarkt-Shop von Amazon nach Werkzeug geschaut haben.

Wir suchen ohne Sinn und Verstand bei Google nach Krankheiten, einem Arzt, dem neuen Arbeitgeber, einem Laden in der Nähe. Unsere Termine hinterlegen wir bei Google Calendar, Mails verschicken wir über Gmail. Mit Google Talk schicken wir elektronische Kurznachrichten an unseren Partner und merken dabei überhaupt nicht, dass wir so viele Daten von uns preisgeben, dass das Erstellen eines virtuellen Abbilds unseres Lebens ein Leichtes wird.

Beispielsweise sitzen wir abends bei einem Rotwein vor unserem Rechner. Wir melden uns bei Google an und lesen unsere E-Mails. Anschließend googeln wir „Wetter Thailand“ und surfen auf die Internetseite von Travelchannel, einem Reiseanbieter. Dort recherchieren wir Flüge nach Asien. Schließlich gehen wir wieder zum E-Mail-Dienst von Google und schreiben unserem Partner: „Im Winter könnten wir günstig fliegen.“ Dann greifen wir zum Handy, ein neues Modell mit Android-Software, und rufen noch einen Bekannten an, der einmal in Thailand war. Ein ganz simples und alltägliches Exempel und doch ungeheuer erschreckend, denn Google nimmt in alle Schritte unserer abendlichen Urlaubsplanung Einblick. E-Mails liest das Unternehmen mit und schaltet automatisiert passende Anzeigen.

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Wie von Geisterhand

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Wenn wir also von einem Flug schreiben, erscheinen wie von Geisterhand Annoncen für günstige Reisen. Auch unser Ausflug auf eine externe Seite wie Travelchannel bleibt der Krake nicht verborgen. Die Reise-Webseite kooperiert nämlich mit Doubleclick, einem der führenden Werbeagenturen im Netz, die vor einigen Jahren von Google gekauft wurde. Das Handy stellt die neueste Angriffsfläche der Suchmaschine dar. Wir sind nirgendwo mehr sicher.

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Google bestreitet stets, die Verknüpfung aller Informationen zu einem Profil vorzunehmen, vor allem auch, dass die Daten mit der betreffenden Person direkt in Zusammenhang gebracht werden. Wir alle wissen, dass es ein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen ist. Wen würde es da wundern, wenn die Manager der Suchmaschine zu allen Möglichkeiten griffen? Wer garantiert uns das angeblich so „datenschutzfreundliche“ Verhalten im Falle einer möglichen Übernahme des Unternehmens samt aller Daten?

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein hat in einer Studie zur Verkettung digitaler Identitäten solche und ähnliche Schreckensszenarien untersucht. Zwar lassen die Datenschützer offen, wie sehr Google, Facebook etc. schon zu den äußersten Mitteln greifen, sie stellen aber fest, „es droht doch die Gefahr eines erheblichen Informationsungleichgewichts zwischen den Parteien“. Ein Nutzer könne nicht mehr „überblicken, was die Gegenseite über ihn weiß“. Die Experten aus dem Norden stellen in ihrer Untersuchung gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden auch ein Gegenbeispiel auf: einen gewieften Internetsurfer, der mit allerlei technischen Tricks versucht, den Datenkraken ein Schnippchen zu schlagen. Das kann gelingen, allerdings stellen die Datenschützer fest, „dass eine solche Verhaltensanpassung zu verhindern, erklärtes Ziel des Datenschutzes ist“. Sie zitieren dazu aus dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes: „Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“

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Die Angst vor 1984

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Als die Verfassungsrichter 1983 dieses Urteil fällten, herrschten andere Zeiten. Die Volkszählung hatte in Deutschland für viele Proteste gesorgt. Wer will da was von uns wissen? Die Sorgen der Menschen waren immens. Schließlich kannte fast jeder 1984, den Roman von George Orwell über einen totalitären Überwachungsstaat. Viele hatten Furcht, dass sich die Bundesrepublik in diese Richtung entwickeln würde. Die Volkszählung war für viele Menschen ein Indiz für diese Tendenz. Hunderte Bürgerinitiativen riefen in den 1980er-Jahren zum Boykott der staatlichen Maßnahme auf.

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Unbemerkter Datenexhibitionismus

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Mehr als zwei Jahrzehnte nach der Volkszählung ist das Erstaunen immer wieder groß, wie viele Daten Internetsurfer den Webkraken freiwillig überlassen. Geburtsdatum, Beziehung oder nicht, enge Freunde und Familie, Beruf, Arbeitsplatz, Bilder von Feiern oder Geburten alles ist völlig problemlos auf so gut wie jedem der fast eine Milliarde Profile bei Facebook einsehbar. Wir betreiben Datenexhibitionismus und merken nicht, wie und vor wem wir uns entblößen.

In einem Interview stellte der langjährige Google-Vorstandschef Eric Schmidt Denkwürdiges fest: Wenn es etwas gibt, von dem man nicht möchte, dass es die Welt erfährt, dann sollte man es nicht tun.“

Orwell hätte das einen Mitarbeiter des Überwachungsstaates in seiner Vision, die er in den 1940er-Jahren verfasst hat, wohl nicht besser formulieren lassen können.

Wenn unsere Welt sich so schnell in ihren Grundwertungen verändert, was bleibt dann von den Positionen, die wir noch vor zwanzig Jahren für Fundamente unserer Gesellschaft hielten, übrig? Wo bleibt das Recht des Bürgers, des Menschen, wo bleibt der Freiraum der Entfaltung? Wo bleibt die Freiheit?

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Plattformen, die hiesiges Recht nicht beachten

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In den 1980er-Jahren ging es um eine statistische Erhebung der Daten von Seiten des Staates. Heute aktualisieren wir unser Online-Profil fortlaufend. Es steht auf Plattformen von Unternehmen mit Sitz vorwiegend im Ausland, die hiesiges Recht nicht beachten und auf Gewinne ausgerichtet sind. Wir wissen von ihnen nicht, wie sich ihre Besitzverhältnisse morgen ändern werden. Von denen wir nicht sagen können, was sie in Zukunft mit unseren Daten machen. Wie wird das Geschäftsmodell von Facebook in fünf Jahren aussehen?

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Die Sucht nach Anerkennung

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Diese Bedenken- und Gedankenlosigkeit im Netz zeigt sich noch an anderer Stelle, bei dem veränderten Verständnis unserer selbst. Unsere Gesellschaft war noch nicht nie so selbstsüchtig wie heute. Unser Zusammenleben ist geprägt von den Auseinandersetzungen der 1968er-Jahre. Seit den1920er-Jahren hat in Deutschland das Bürgertum eine bedeutende Rolle gespielt. Nach dem verlorenen Weltkrieg haben wir einen demokratischen Rechtsstaat mit sozialen Verpflichtungen aufgebaut. Staat und Gemeinschaft standen im Vordergrund. Mit den Studentenprotesten veränderte sich das grundlegend. Die Unruhen bereiteten den endgültigen Sieg des Individualismus und damit vermeintlich des Individuums vor. Heute ist wichtig, wie jeder Einzelne die Welt wahrnimmt und erfährt. Das individuelle Erlebnis und die persönliche Erfahrung ist ebenso bedeutend oder sogar bedeutender als das Weltgeschehen. Erst wenn die Auswirkungen des öffentlichen Geschehens unmittelbar ins persönliche Leben eingreifen, werden sie wahrgenommen und umgehend bekämpft.

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Wutbürger mit privatem Wohlfühlstand

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Dies spiegelt sich beispielsweise im Begriff des „Wutbürgers“ wider. Vielleicht trifft der Begriff nicht genau ins Schwarze, beschreibt aber das Phänomen. Der Einzelne ist verärgert und erbost und wehrt sich gegen jede Veränderung in seinem Leben, die er als nicht positiv wahrnimmt, weil er seinen derzeitigen privaten „Wohlfühlstand“ nicht verändern möchte.

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Die Kraft von Youtube und Twitter

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Das war früher anders, und wir müssen uns das bewusst machen, um zu verstehen, was gerade passiert. Das Internet beschleunigt diese Entwicklung ungemein. Wir müssen nur einen Blick auf Youtube werfen, die meist genutzte Filmplattform im Internet, natürlich im Besitz von Google. In jeder Minute wird dort unvorstellbarerweise Filmmaterial in der Länge von 35 Stunden hochgeladen. Justin Bieber hat zum Beispiel die Macht von Youtube genutzt. Der Teenager wurde entdeckt über eigene Songs, die er ins Netz geladen hatte. Inzwischen ist er der ungekrönte Teenie-Star und ist der erste Mensch überhaupt, der es auf zwei Milliarden Klicks bei Youtube gebracht hat. Seiner Freude darüber gab er beim Kurznachrichtendienst Twitter, nämlich seinen 15 Millionen Followern, Ausdruck.

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Erstmals kann jeder publizieren

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Man muss diese ungeheuren Zahlen in Beziehung setzen, um sie begreifen: Die USA Today beispielsweise, die auflagenstärkste Zeitung der Vereinigten Staaten, kommt gerade mal auf eine Auflage von knapp unter zwei Millionen Exemplare. Wenn Justin Bieber etwas mitzuteilen hat, erfahren das mit einem Schlag mehr als sechs- bis siebenmal so viele Menschen (bei 1,3 Lesern pro Exemplar sind dies ca. 2,5 Mio. Leser). Zwei Milliarden Klicks, natürlich sind darunter auch doppelte, nicht jeder steht für einen Internetsurfer, aber zwei Milliarden, so groß war die Weltbevölkerung im Jahr 1927. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass zum ersten Mal jeder und zwar ausnahmslos jeder mediale Inhalte publizieren kann. Die Plattformen des Internet sorgen dafür, dass die Veröffentlichungen auch das Publikum finden.

Fotografieren und hochwertige Bilder auf Papier zu erzeugen gehört der Vergangenheit an, inzwischen sind die Bilder digital und gehen im Handumdrehen online. Handelsübliche Digitalkameras können gleichzeitig auch Filme machen, und diese zu Youtube hochladen. Vor der digitalen Revolution waren die Produktionskosten für einen Kinofilm in Relation zu den Zuschauern und zur Vermarktung zu setzen, bevor man das Risiko eingehen konnte, in ihn zu investieren. Selbst wer sich eine günstige Videokamera zulegte, hatte noch immer das Problem, kein Publikum zu haben. Inzwischen genügen eine Kamera für weniger als 100 Euro und ein Internetanschluss, um so theoretisch die Massen weltweit zu erreichen. Die Community im Netz ist erst einmal wichtiger als das Geschäftsmodell, ihre Aufmerksamkeit genügt dem Produzenten. Verdienen kann mit diesem Modell nur die Plattform.

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Twitter, Google, Facebook: Der Einzelne spielt keine Rolle

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Der Internetnutzer bekommt den Eindruck vermittelt: „Du stehst im Mittelpunkt, du bist das Wichtigste.“ Viele glauben gerne daran und träumen vom Ruhm, von einer Karriere etwa, wie sie Justin Bieber hingelegt hat. Diese Botschaft der sozialen Netze stimmt so aber nicht. Weder bei Twitter, noch bei Google oder Facebook spielt der Einzelne eine bedeutende Rolle. Ganz im Gegenteil, das Individuum ist völlig belanglos, es zählt die Masse. Wer die meisten Nutzer hat, gewinnt; deshalb ist Myspace am Ende, deshalb reden alle von Facebook.

Die Masse ist so wichtig, weil die meisten Nutzer die beste Werbenutzung versprechen. Die Nummer zwei im Internet kennt keiner. Wer weiß schon, wer der zweitgrößte Internethändler, das zweitgrößte soziale Netz, die zweitgrößte Suchmaschine der Welt ist? Die Webkraken spielen bewusst mit dem Wunsch des Einzelnen, aus der Masse hervorzustechen. Damit ziehen ihn noch tiefer in die Gemeinschaft, in der er dann vor allem die Zielgruppe für die Werbeindustrie darstellt. Viele geben für den Wunsch nach Anerkennung alles sogar die eigene Würde. Wie viele Videos gibt es im Netz, die täglich unter Kollegen, Freunden und Bekannten herumgeschickt werden, weil sich die Protagonisten zum Affen machen? Niemand kontrolliert das, niemand schützt die Menschen online vor sich selbst. Und wir machen alle gerne mit.

Natürlich haben die sozialen Netze unser Leben auch bereichert. Die Revolutionen in der arabischen Welt wären undenkbar gewesen, wenn sich die Demonstranten nicht über Twitter beispielsweise an bestimmten Orten verabredet hätten. Nicht umsonst haben die Machthaber in diesen Ländern umgehend nach Ausbruch der Proteste versucht, das Internet lahmzulegen. Ganz ist das nirgends gelungen.

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Gedankenlose Nutzung

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Diesen Verlockungen des Netzes erliegen die Nutzer. Weil es offen und frei erscheint, wird es gedankenlos unbeschränkt genutzt. Es ist gerade diese Gedankenlosigkeit der Nutzer, die Netzwerke im Internet nicht nur zu einem mächtigen Werkzeug zu machen sondern auch zu einem gefährlichen Überwachungsorgan. Bei der Qualitäts-Zeitung oder einer Qualitäts-Fernsehsendung überprüfen Journalisten, ob die Informationen korrekt oder falsch sind (zugegeben, im Idealfall tun sie das). Die Regel sind ordentlich ausgebildete Redakteure aber leider auch nicht mehr. Dennoch gehört zur Aufgabe eines Journalisten das Gewichten einer Story. Im Internet herrscht allerdings häufig pure Desinformation. Google oder Facebook steuern nach undurchschaubaren Algorithmen, was sie uns vorsetzen.

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Nicht  benötigte Infos – die womöglich nicht mal stimmen

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Wir bekommen Informationen, die wir nicht brauchen und von denen wir nicht wissen, ob sie stimmen, und erhalten nur eine Illusion von Relevanz und Genauigkeit, weil wir bei Google beispielsweise „ungefähr 13 780 000 000 Ergebnisse“ in „0,28 Sekunden“ vorgesetzt bekommen, wenn wir den Namen der Suchmaschine selbst googeln. Wer würde bei dieser Masse an scheinbar geordneten Informationen noch auf die Idee kommen, dass etwas fehlt?

Frank Meik, Unternehmensberater und Autor

Frank Meik, Unternehmensberater und Autor

Problematisch ist es, dass nur wenige Unternehmen den Markt für unsere Informationen unter sich aufteilen. Google dominiert die Suche Facebook ist das soziale Netz bei Amazon kaufen wir ein über Twitter verschicken wir Kurznachrichten Apple beschert uns hübsche Endgeräte. Gäbe es 20 Unternehmen in jedem Bereich, würde schnell der Ruf nach Struktur und politischem Einfluss laut. Weil die besagten Unternehmen sich in ihren Bereichen aber wie Monopolisten verhalten können, haben weder andere Unternehmer noch die Politik etwas entgegenzusetzen. Die wenigen Versuche, die es gab, den Markt zu kontrollieren, waren von vorneherein zum Scheitern verurteilt erst recht, wenn Politiker ihre Finger mit im Spiel hatten.

Wer erinnert sich noch an Quaero? Im Frühjahr 2005 gaben die Staatschefs Jacques Chirac und Gerhard Schröder bei einem deutsch-französischen Spitzentreffen mit viel Tamtam den Start der „europäischen Antwort auf Google“ bekannt. Trotz staatlicher Förderungszusagen von fast einer halben Milliarde Euro hat das Projekt bis heute keine nennenswerten Früchte getragen. Es wurde von Beginn an politisch aufgesetzt. Mit den führenden Köpfen der Avarto AG, der größten Tochter von Bertelsmann, hatte es mit denselben Strukturproblemen zu kämpfen wie alle Projekte in Großunternehmen. Zudem hatte sich die Führung auf die Fahne geschrieben, eine völlig neue Lösung über neuronale Netze anzustreben, um noch besser zu sein als jede existierende Suchmaschinen.

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Keine Konkurrenz zu US-Suchmaschinen

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Das Projekt ist de facto gescheitert. Nur wenige Monate nach dem Start schon gaben die Deutschen ihren Ausstieg aus dem gemeinsamen Unternehmen bekannt. Seither läuft die deutsche Suche unter dem Namen Theseus, hat aber auch gar nicht mehr das Ziel, eine Konkurrenz zur US-Suchmaschine zu bilden. Jetzt soll das Projekt eine „semantischeSuchmaschine hervorbringen. Auf absehbare Zeit werden wir damit leben müssen, dass Unternehmen aus den USA unser Online-Leben dominieren, und weder Europa noch Deutschland etwas Ernsthaftes entgegensetzen kann.

Ein weiterer Buchauszug: https://blog.wiwo.de/management/2013/05/07/buchauszug-frank-meik-wir-klicken-uns-um-freiheit-und-verstand/

Das Buch bei Amazon: http://www.amazon.de/klicken-Freiheit-Verstand-Demokratie-bedrohen/dp/3867742146/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1377121788&sr=1-1

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Alle Kommentare [2]

  1. Ein sehr umfangreiches und komplexes Thema. Hier weiß man auch nicht so recht wo das hinführen soll. Es dreht sich viel um Geld und macht und man selber glaubt, man sei wichtig für diese Unternehmen. Dabei wird fast schon mit unserem Leben gespielt!