„Vorsicht Zickenzone“ – Buchauszug von Christine Koller (1)

Sie denken, Mobbing und Zickenkriege und dergleichen gibt´s nur in Unternehmen?

Ganz weit gefehlt, aber ganz ganz weit. Nehmen wir zum Beispiel mal eine Gesellschafts-Gruppe, denen man solche Fiesheiten so gar nicht unterstellt:  Mütter, die zuhause sind, dem Mann draussen in der harten Berufswelt den Rücken freihalten und sich liebevoll um die Aufzucht der Kinder kümmern. Sie führen nämlich untereinander die herrlichsten Zickenkriege, diskriminieren sich gegenseitig, lassen sich gegenseitig hängen oder outen andere. Sie stossen sich untereinander vor den Kopf, dass es nur so rappelt.

Nebenbei bemerkt: Auch die Kiddies bekommen von den Mamis zuhause zuweilen gut eins ab. Wenn sie nicht spuren, gibts bei mancher Mutter eben mal die nächsten drei Tage das zu essen, was die Kinder absolut nicht mögen. Das macht mürbe. Oder: Wer nicht aufräumt und alles rumfliegen lässt, dessen Sachen wandern dann eben alle in den großen blauen Müllsack – den Mami dann tasächlich wegwirft. Gnadenlos. Auch das Lieblingsspielzeug.

Doch zurück zu den Zickenkriegen der Mütter untereinander: Da gibt es eine feine Grenze, die nicht ausgesprochen wird – wäre es doch politisch unkorrekt – aber dafür sorgsam beachtet. Es ist eine Front: Die zwischen arbeitenden Müttern und denen, die zuhause sind. Warum auch immer die working moms das tun, tun müssen oder was auch sonst. Das ist in dem Zusammenhang egal, nur das Faktum zählt.

Ein Beispiel gefällig? Sie glauben doch nicht, dass nicht-angestellte-oder-freiberuflich-tätige Mütter anderen Mamis, die zum Job eilen – müssen -, mittags mal die Kiddies vom Kindergarten mit nach Hause nehmen oder ähnliches?   Da helfen sich die Berufstätigen nur untereinander, egal wie schwierig es ist, und laden sich weitere Pflichten obendrauf. Es mag sicher Ausnahmen geben, aber es deckt sich mit meine Beobachtungen und Erfahrungen.

Christine Koller, freie Journalistin, Buchautorin und Mutter hat sich dieses Thema angenommen, ihr Buch dazu heißt „Vorsicht Zickenzone“ und im Management-Blog gibt es einen Vorgeschmack darauf. Hier ist die erste Folge:

 

Tatort »Schule«

Höher, schneller, weiter!

 

Sie haben etwas verpasst in Ihrer Jugend? Macht doch nichts, Sie haben ja jetzt Kinder, die können das Manko ausgleichen: Montags wird Pauline in die Kinderschauspielschule gebracht, am Dienstag hat sie Cellounterricht – ganz neue Methode, ohne Noten, aus Japan – mittwochs ist Malkreis und am Donnerstag Englischkurs an der Schule. Pauline ist eine Mitschülerin meines Sohnes, erste Klasse. Ob sie mal mit auf den Spielplatz geht? »Nein, Pauline ist schließlich kein Kleinkind mehr, sie muss was lernen, den Anschluss nicht verpassen, den Ernst des Lebens begreifen«, sagt ihre Mutter. »Was, dein Sohn macht nur Schulsport und sonst nichts?«, wirft sie hinterher und schaut mich mitleidig an. Im selben Augenblick ruft sie ihrer Tochter übertrieben artikuliert zu: »Darling, come to me!« Jetzt bin ich diejenige, die mitleidig schaut. Armes Mädel, weder Mutter noch Vater stammen aus einem englischsprachigen Land. Aber vorbeugen ist besser, man kann gar nicht früh genug mit dem Erlernen einer Fremdsprachen beginnen. »Ich will bei meinem Kind nichts versäumen. Ich habe es spät bekommen und es wird mein einziges bleiben – ihm will ich alles bieten«, erklärt mir die Mutter. »Für mich bedeutet frühe Förderung wahre Liebe für mein Kind«, sagt sie noch und belächelt mich müde, weil ich nach ihren Vorstellungen mein Kind nicht ordentlich herausfordere – intellektuell. Also liebe ich es nicht, denkt sie vielleicht.

Diese »Liebe« ist inzwischen zu einem florierenden Geschäft in Deutschland geworden. Allein für Nachhilfe zahlen Eltern in Deutschland über zwei Milliarden Euro pro Jahr. Immer mehr Mütter drängen ihre Kinder hysterisch dazu, ein »Erfolg« zu sein. Die Gründe dafür kennen wir, sie werden häufig und hitzig diskutiert: Zum einen wollen die Mütter sich und die Familie durch die Leistung des Kindes aufwerten, getreu dem Motto: Mein Kleiner ist ein wahres Geigentalent, das muss er von uns haben! Das frühkindliche Genie soll abfärben auf die gesamte Familie.

Zum anderen haben die Mamas Angst um die Zukunftschancen ihrer Kinder und setzen ihren Nachwuchs gehörig unter Druck. Und wer da nicht mitmacht, wird als »schlechte Mutter, die sich einen Dreck um die Zukunft ihrer Kinder schert«, abgestempelt. Ich zum Beispiel. Ich bin eine große Verfechterin des »Freispiels«. Das mochten die meisten Mütter schon im Kindergarten nicht. Da sollte doch lieber etwas pädagogisch Wertvolles stattfinden in dieser Zeit, vielleicht Kinderyoga oder das Erlernen der europäischen Hauptstädte! Aber einfach nur spielen? Wenn ich das heute als Programm für die Freizeit nach der Schule vorschlage, ernte ich meist entsetzte Blicke von den anderen Mamas auf dem Pausenhof. Wozu an die frische Luft? Bäume, Wolkenbilder und Vogelarten kann man mit der neuen Lernsoftware doch viel besser verinnerlichen. Die anderen Kinder haben jetzt keine Zeit mehr für solche Kinkerlitzchen wie aus Stöcken Höhlen bauen.

Eingesperrt in ihre narzisstischen Motive, geängstigt von diffusen Zukunfts- und Erziehungsvorstellungen und zusätzlich getrieben von einer öffentlichen Debatte, die Kindheit als eine einzige Katastrophe erscheinen lässt, kutschieren Mamas den Nachwuchs hektisch zu diversen Einrichtungen mit pädagogisch ausgetüftelten Konzepten. Ein Kind, das keine schönen Häuser malt, kommt in die Ergotherapie. Wer keine geraden Sätze spricht, wird beim Logopäden angemeldet. Und wer mit fünf noch ins Bett macht, wird zur Reittherapie geschickt. Es gibt keine Toleranz mehr gegenüber Kindern, die langsamer oder einfach anders sind. Die Mütter wollen, dass ihr Kind ein »normales« Kind wird, es soll nicht negativ auffallen, es soll ein kluges Kind werden. Am besten ein ganz besonderes. Was das Kind will, ist egal. Und dann wird verglichen, unerbittlich, unter den Mamas: »Mein Jonas rechnet schon bis 100. Was denn, dein Sohn ist erst bei 20? Dabei ist der Jonas doch drei Monate jünger als dein Sohn.« Noch nicht gemerkt? In den Schulen regiert der Wettbewerb! Hier herrscht das Gesetz des »Immer-Schneller, Immer-Früher, Immer-Mehr«! Das Leben ist ein Kampf und früh übt sich, wer ein Meister werden will. Mach mit oder bleib doof.

Mit diesem Verhalten drängen die Mütter ihren Nachwuchs in einen ungesunden Leistungswahn und liefern sich gegenseitig einen ängstigenden Bildungswettbewerb. Wie neulich auf dem Schulhof, als die Kinder uns Mamas beim Abholen freudestrahlend ein Matheblatt zeigten. Bei der Mama neben mir prangte ein grüner Hundestempel auf dem Zettel. (Anm.: In den ersten Klassen gibt es keine Noten, stattdessen zum Beispiel Tierstempel. Dass die Tiere stellvertretend für gute oder weniger gute Leistung stehen, haben die Kinder ganz schnell raus – und die Mamas auch.). Dann wurde sofort die alles entscheidende Frage gestellt: »Und was habt ihr für einen Stempel?«, denn die andere Mama weiß: Hund ist gut, aber Maus ist besser. Sollten wir die Maus haben, ist die Sache für die Mama neben mir klar: Sie hat als Mutter kläglich bei der Förderung ihres Sohnes versagt. Was werde ich jetzt über sie denken?

Die Kinder mutieren zum Aushängeschild der Mütter und deren Leistung: Wenn mein Kind in der Schule zurechtkommt, bin ich eine gute Mutter, sonst eine schlechte. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Mutter selber das Einmaleins beherrscht oder nicht. Wenn’s der Kleine kann, dann hat er es mir zu verdanken, basta. Wenn er es nicht kapiert, bin ich ebenfalls schuld. Dadurch werden die Kinder zu Außenministern, die mit ihrem Können und Wohlverhalten deutlich machen: Ha, in dieser Familie ist die Welt noch in Ordnung. Seht her, hier kommt eine gute, heile, außergewöhnlich begabte und kreative Familie. Was für ein Quatsch!

Und was für ein enormer Druck dadurch entsteht, sowohl für die Kinder als auch für die Mütter. Und der geht weit übers Lernen hinaus. Auch das Engagement zählt. Da wundert es einen nicht, dass Ausflüge der ersten Klasse ins Kunstmuseum oder in die Oper von zahlreichen Müttern stark befürwortet werden. Am besten zwei kulturelle Schmankerl für die kunsthungrigen Kids pro Monat! Und um die Mama-Begleitung wird sich ein erbitterter Kampf geliefert. Wer geht mit zum Haus der Kunst? Wer darf ins jüdische Zentrum zum Karneval-der-Tiere-Konzert? Wenn ein Ausflug mal nur zum Sportplatz gehen soll, wird gleich gemeckert. Von den Mamas. Warum denn nicht ins Planetarium oder in die neue Ausstellung von Richter? Zu meiner Schulzeit sah man andere Mütter nur zweimal im Jahr, zu den Schulfeiern. Heute lungern sie vor den Schultoren in kleinen Grüppchen, wie früher die unerlaubten Rauchergangs. Und glotzen. Und lästern. Und klüngeln die Verabredungen ihrer Kinder. Ja haben die denn alle nichts Besseres zu tun?

Die Terminkalender der Mitschüler meines Sohnes sehen aus wie die von Managern. Und viele Mütter beschleicht trotzdem immer wieder das Gefühl, sie tun nicht genug für die Top-Entwicklung ihrer Kinder. Meine Freundin Henni zum Beispiel. Ihre Tochter kommt kaum noch zum Spielen, schafft die Hausaufgaben gerade so, aber »dieses tolle neue Lernprogramm für Mathematik soll ja der Hammer sein. Da können die Kinder ganz spielerisch nebenbei noch ihre Zahlen-Fähigkeiten verbessern«, meint Henni. Den Tipp hat sie von einer anderen Schulmama. Machen jetzt alle in der Klasse. Mach mit oder raus bist du – höre ich zwischen ihren Worten. Ja hallo, wo ist denn da das Spielerische, wenn mein Kind keine Zeit mehr hat, einen Legoturm zu bauen oder im Park die Tauben zu ärgern? »Was für eine Zeitverschwendung«, lästern die anderen Mamas. Und schwupps, ist man aus dem Rennen bei den Gesprächen auf dem Schulhof. Und mein Sohn auch. Kontakt mit Kindern, die bei der Leistungsshow nicht permanent mitmachen, ist unerwünscht und wird, bitteschön, unterbunden. Gute Schüler (und deren Mamas) lädt man gerne zu sich nach Hause ein und ist spendabel in jeder Situation, um die »Freundschaft« zu vertiefen. Da haben wir wieder das Prinzip »Abfärben«. Die »guten Schüler« kolorieren die eigenen Kinder in leuchtenden Farben, die weniger guten lassen auch die eigene Brut dumm aussehen. Das geht gar nicht, finden viele Mütter. Empathie, Sympathie und die Wünsche der eigenen Kinder rücken an zweite Stelle. Wie bei Katja zum Beispiel, einer Mutter aus der Klasse meines Sohnes. Auch wenn ihr Sohn viel lieber mit Carl spielt, weil man mit dem so gut Panini-Fußball-Bilder tauschen kann, hat die Mutter Jens als Freund für ihren Nachwuchs ins Auge gefasst. Und dann gehen die Verkupplungsversuche los: Katja schmettert Einladungen von Carls Mama rigoros ab. Stattdessen wird Jens Mama umschmeichelt, wo es nur geht.

Ihr Sohn hält weiterhin an Carl fest, da muss die Mama schon zu härteren Schlägen ausholen. Sie sucht eine Schwachstelle und beginnt, die Gerüchteküche brodeln zu lassen. Dann wird getuschelt, über Carls Mama, »die kokettiert mit ihrem Aussehen, schmeißt sich an sämtliche Papas der Schule ran!« Und dann geht die stille Post weiter. »Haste schon gehört?« Und am Ende will kaum noch einer Carl zu sich nach Hause einladen – aus Angst vor der männerklauenden Mutter. Katja ist am Ziel. Aber zu was für einem Preis?

Christine Koller, Journalistin, Buchautorin und Mutter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Hello Christine!!! Leider gibt es Mobbing und Zickenkriege auch im privaten Umfeld wie ich erst kürzlich sehr schmerzhaft feststellen musste. Aber im beruflichen Umfeld ist es natürlich auch sehr schlimm. Auch diese Erfahrung musste ich machen! LG Monika 🙂