Ach, wie gut dass niemand weiss….warum ich welchem Bewerber einen Korb gebe. Arbeitsrechtler Hans-Peter Löw kommentiert.

Hans-Peter Löw von der Kanzlei Allen & Overy über abgelehnte Stellenbewerber, die nicht erfahren, warum sie scheiterten. Die nicht wissen, ob sie diskriminiert wurden und ob sie womöglich einen Entschädigungsanspruch haben. Und Unternehmen, die fürchten, sich zu Tode dokumentieren zu müssen.

Weil das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof diese Frage vorlegte, gab der Generalstaatsanwalt jetzt hierzu seine Empfehlung – die den Unternehmen leider nicht weiter hilft:

 

Hat ein abgelehnter Stellenbewerber, einen Anspruch, über die Gründe seiner Ablehnung informiert zu werden? Und zu erfahren, weshalb jemand anderes ihm vorgezogen wurde? Vielleicht nach europäischem Recht, befand das Bundesarbeitsgericht, und legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im letzten Jahr vor.

Gestern, am 12. Januar 2012,  wurden die Schlussanträge des Generalstaatsanwalts – das ist eine Art Empfehlung an den Europäischen Gerichtshof, der der EuGH fast immer folgt – veröffentlicht. Sein Ergebnis: Abgelehnte Stellenbewerber haben keinen solchen Anspruch.

Geklagt hatte eine Softwareentwicklerin, die in Russland geboren wurde. Sie hatte sich – erfolglos – auf eine Stelle beworben und dann versucht, Indizien dafür zu finden, dass das Unternehmen sie nur wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen hatte. Sie wollte eine Diskriminierung belegen, um eine Entschädigungszahlung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fordern zu können.

Können Personalabteilungen jetzt aufatmen? Dafür besteht leider kein Grund.

Die Sache ist nämlich viel komplizierter: Das Schweigen des Arbeitgebers bleibt nämlich nicht notwendig ohne rechtliche Folgen. Mit seiner Weigerung, die Infos herauszugeben, mache der Arbeitgeber seine eigene Auswahlentscheidung ziemlich unangreifbar. Das Ausbleiben einer Reaktion des Arbeitgebers auf ein Auskunftsbegehren eines Bewerbers müsse daher differenziert beurteilt werden. Je nachdem,

a) ob der Bewerber dem Anforderungsprofil der Stelle offensichtlich nicht entspreche,

b) zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei oder

c) sich unaufgefordert um die Stelle beworben habe, so der Generalstaatsanwalt weiter.

Ja was soll das jetzt? Der Arbeitgeber hat das Recht, die Auskunft zu verweigern. Und wenn er von diesem Recht Gebrauch macht, dann soll ihm das zum Nachteil ausgelegt werden, weil der Bewerber mit großer Wahrscheinlichkeit keine andere Möglichkeit hat, die von ihm vermutete Benachteiligung zu beweisen. Ja, aber wenn doch der Arbeitgeber nicht zur Auskunft verpflichtet ist, dann nimmt die Rechtsordnung gerade diese Nichtbeweisbarkeit doch in Kauf, oder etwa nicht?

Die Folgen dieses Verdikts – wenn es denn dabei bleibt -, sind verwirrend. Die Unternehmen sind nicht verpflichtet zu sagen, welchen Bewerber sie aufgrund welcher Kriterien ausgewählt haben.

Wenn sie aber diese Auskunft nicht geben, wozu sie schon mit Blick auf Persönlichkeitsrechte des ausgesuchten Kandidaten gar nicht berechtigt sind, kann dies dennoch dazu führen, dass sie entschädigungspflichtig werden. Denn zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Bewerber und Arbeitgeber, das nach Auffassung des Generalanwalts durch die – berechtigte – Verweigerung der Auskunft gestört sein soll, muss das Gericht die Anforderungen an die Vermutungstatsachen für eine Benachteiligung herabsenken.

Dann aber kommt es zu einer sogenannten Umkehr der Beweislast: Der Arbeitgeber kann eine Entschädigung dann nur dadurch abwehren, dass er seine tatsächlichen Entscheidungskriterien offenlegt – und nachweist, dass keine Benachteiligung vorliegt oder wenn doch, diese jedenfalls gerechtfertigt ist.

Im Ergebnis steht der Arbeitgeber in manchen Konstellationen schlechter, als wenn ein genereller Auskunftsanspruch bejaht würde.

Der Generalanwalt drückt sich durch diese Methode vor der Auseinandersetzung mit den Persönlichkeitsrechten des ausgewählten Kandidaten.

Und schließlich: Er gibt die Antwort auf eine Frage, die gar nicht gestellt wurde. Das Bundesarbeitsgericht wollte nämlich nur für den Fall, dass ein Auskunftsrecht bejaht wird, wissen, welche Schlussfolgerungen  aus der Auskunftsverweigerung zu ziehen seien. Da der Generalanwalt einen Auskunftsanspruch ablehnt, hat sich die Frage nach den Konsequenzen einer Ablehnung eigentlich gar nicht gestellt. Noch nicht geklärt ist die Frage, welche Verbindlichkeit einer Antwort zukommt, deren zugehörige Frage im verfahrensrechtlichen Sinne gar nicht gestellt wurde.

 

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