Exklusiv-Interview Managerhaftungs-Experte Michael Hendricks: Aufsichtsrat und Vorstand als unkalkulierbares Risiko?

  Michael Hendricks, Experte für Managerhaftung aus Düsseldorf exklusiv im Management-Blog über die Forderung von 1,8 Millionen Euro gegen Christian Wulff als Ex-Aufsichtsrat von VW und darüber, was auf unternehmen und Vorstände in sachen D&O 2012 zukommen dürfte. 

 

Herr Hendricks, Bundespräsident Christian Wulff soll jetzt auf 1,8 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt werden von Banken, Versicherungen und Fonds, also Investoren. Es geht um die Zeit, als er VW-Aufsichtsrat war während seiner Amtszeit in Niedersachsen. Wird bei solchen Summen noch jemand Aufsichtsrat werden wollen?

  Hendricks: Zum einen richtet sich so eine Forderung im Regelfall gegen das ganze Gremium und nicht gegen einen einzelnen Aufsichtsrat. Auch wenn jeder einzelne im Zweifelsfall für die ganze Summe grade stehen muss. Dann muss jeder einzelne aber immer noch im zweistelligen hohen Millionenbereich haften. Zum anderen sind solche Klagen absurd, da sie ja ohnehin nicht vollstreckbar sind – wer hat schon so viel Geld? Die klagen geschehen ja nur deshalb, um Vergleiche mit dem D&O-Versicherer zu erzwingen.

 

 

 Aber im Fall Siemens mussten ja Ex-Vorstände bereits Millionen-Summen aus ihrem Privatvermögen zahlen. Will bald niemand mehr Manager werden, weil der Boden zu heiß wird? Weil er fürchten muss, aufgrund eines Fehlers in seinem Jobs anschließend Haus und Hof zu verlieren?

 Hendricks: Schlimmstenfalls ja. Vor allem verlieren die Betroffenen zudem ihre Pensionsansprüche gegen ihre Ex-Firma. Das Unternehmen verrechnet diese mit den Schadenersatzansprüchen.

Die Aufsichtsräte neigen derzeit zu Überreaktionen. Zwar gibt es das sogenannte Arag-Urteil, wonach Aufsichtsräte bei Schadensfällen – wenn sie nicht selbst die Haftung riskieren wollen – Vorstände zur Rechenschaft ziehen müssen. Aber jetzt, so scheint es mir, gehen sie zu weit.

 

Zum Beispiel?

 Hendricks: Nicht jede Kostenüberschreitung in einem Projekt kann als Organisationsverschulden des Vorstandsvorsitzenden ausgelegt werden. Oder wenn eine Unternehmensübernahme scheitert und die Firma deshalb Verluste macht. Nicht jedes unternehmerische Risiko kann zu einem Haftungsfall umgedichtet werden. Bleiben die Aufsichtsräte aber bei dieser gnadenlosen Linie und wollen die Vorstände für alles und jedes verantwortlich machen, will bald keiner mehr Vorstand einer Aktiengesellschaft werden.

 

 Und in einer GmbH sieht es mit der Top-Managerhaftung anders aus?

 Hendricks: Ja, da kann man in den Anstellungsvertrag eine sogenannte Haftungsfreistellung für fahrlässiges Verhalten aufnehmen. Dann übernimmt die GmbH die Verantwortung für solche Schadenersatzklagen gegen die angestellten Geschäftsführer und deren Privatvermögen.  Das geht bei einer AG nicht – außer in ganz besonderen Ausnahmesituationen mit Zustimmung der Aktionäre. Das kommt aber jedenfalls so gut wie nie vor.

 

 Welche Trends bei der Schadenregulierung oder in der Prämienentwicklung gibt es bei den D&O-Versichererungen?

 Hendricks: Die Versicherer verzögern die Schadenersatzzahlungen und treiben die Manager in Haftungsprozesse. So viel Öffentlichkeit wünscht sich natürlich keiner für seine Karriere, das nutzt die Assekuranz für sich aus und nötigt Unternehmen als ihren Versicherungsnehmern billige Vergleiche auf.

Hinzukommt: Die Unternehmen sind seit Jahren im Sparwahn und drücken die Versicherer bei den Prämien. Die Folge: es bleibt kaum Geld da zur Schadenregulierung.

 

Aber die Unternehmen verklagen die Manager in Serie….

Hendricks: Richtig, nehmen Sie nur die Beispiele Siemens, BayernLB, Sachsen LB, MAN, Telekom oder HSH Nordbank.

 

 Und was wird die Folge sein?

 Hendricks: Prämienerhöhungen und Deckungsausschlüsse. Die ersten Versicherer schließen schon jetzt Korruptionsfälle aus. Eigentlich müssten die DAX-Unternehmen und einige Banken zehnmal so hohe Prämien zahlen, denn nur bei denen häufen sich die Schäden. Und das sind regelmäßig die Großschäden im zwei- und dreistelligen Millionenbereich.

Der Mittestand und die Familienunternehmen nehmen sich mit ihren Fällen dagegen harmlos aus. Für sie ist es ungünstig, dass sie auf dem Wege mit ihren Prämien die Schäden der großen Aktiengesellschaften finanzieren.

 

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