Wo der Aufsichtsrat fehlt, können auch keine Frauen Einzug halten. Viele Unternehmen müssten eigentlich einen installieren. Interview mit Linklaters-Anwältin Kristina Klaaßen

Das hatte sich der Gesetzgeber so schön vorgestellt: Frauen sollten im obersten Kontrollgremium, dem Aufsichtsrat, zuerst Einzug halten. Doch was ist, wenn mehr als jedes zweite Unternehmen gar keinen Aufsichtsrat hat, obwohl es dazu gesetzlich verpflichtet ist? Interview mit Gesellschaftsrechtlerin Kristina Klaaßen von Linklaters.

Kristina Klaaßen, M&A-Anwältin bei Linklaters

Kristina Klaaßen, M&A-Anwältin bei Linklaters

Frau Klaaßen, Aufsichtsräte müssen künftig auch mit Frauen besetzt werden, doch eine Untersuchung der Universität Jena zeigt, dass mehr als jeder zweite Mittelständler – der laut Gesetz eigentlich einen Aufsichtsrat haben muss – gar keinen installiert hat. Ein cleverer Schachzug, bei dem nicht nur die deutsche Mitbestimmung ausgehebelt wird, sondern jetzt auch noch die Gleichstellung von Frauen?

Die Rechtslage ist für Unternehmen mitunter unübersichtlich. Daher sollte man nicht gleich bösen Willen annehmen, wenn sie keinen Aufsichtsrat gebildet haben. Ein Grund kann beispielsweise sein, dass etwa eine GmbH im Laufe der Zeit – quasi schleichend – immer mehr Mitarbeiter einstellt und irgendwann die einschlägigen Schwellenwerte für die Mitarbeiterbeteiligung überschritten sind.

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….also wissen manche Unternehmen nicht, wie viele Leute auf ihrer Lohnliste stehen oder kennen ihre gesetzlichen Pflichten nicht?

Viele Unternehmer, die weit verzweigte Konzernstrukturen errichtet haben, glauben, dass sie neben einem Aufsichtsrat an der Konzernspitze kein weiteres Kontrollorgan bei der betroffenen Tochtergesellschaft einrichten müssen. GmbHs und andere Unternehmen mit mehr als 500 bis 2000 Mitarbeitern sind aber verpflichtet, einen Aufsichtsrat zu bilden, in dem zu einem Drittel Arbeitnehmervertreter sitzen.

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Und Unternehmen ohne einen Aufsichtsrat dürfen die Pflichten aus der sogenannten Geschlechterquote dann geflissentlich ignorieren?
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Nein, die Pflichten aus dem Teilhabegesetz bestehen unabhängig von den Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung. Diese Unternehmen müssen trotzdem Zielvorgaben für Aufsichtsrat, Geschäftsführung und die beiden Führungseben darunter festlegen. Wo aber kein Aufsichtsrat eingerichtet ist, wird ein Unternehmen regelmäßig auch keine Zielvorgabe für ihn festlegen, so dass sie den Vorgaben des Teilhabegesetzes in dieser Hinsicht nicht genügen.

Das Ganze kann zudem ein Teufelskreis sein: Denn wer tatsächlich nicht erkannt hat, dass seine Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten sein müssen, erkennt möglicherweise auch nicht, dass er dem Teilhabegesetz unterliegt und Zielgrößen für Frauenstellen festlegen muss. Dann werden die Pflichten aus der sogenannten Geschlechterquote vollständig ignoriert. Allerdings ist in den vergangenen Monaten so intensiv über dieses Thema berichtet worden, dass sich vermutlich viele Unternehmen ihre Konzernstrukturen noch einmal kritisch angeschaut haben und ihre Fehler nun korrigieren können.

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Und wenn die Unternehmen ihre Pflicht trotzdem nicht oder nur teilweise erfüllen, können die Behörden das sanktionieren?

Es gibt keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die eine Sanktion an das Fehlen eines gesetzlich erforderlichen Aufsichtsrats knüpft. Viele Berater haben in ersten Reaktionen auf die Ergebnisse der Universität Jena zwar angenommen, dass durch das Fehlen des Aufsichtsrats automatisch die sogenannte Erklärung zur Unternehmensführung fehlerhaft würde, was zu einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro führen kann. Das halte ich aber für zu kurz gesprungen: Nur weil ein Aufsichtsrat fehlt, muss nicht automatisch eine falsche Erklärung zur Unternehmensführung vorliegen. Wenn diese die tatsächliche Lage zutreffend beschreibt, lässt sich zumindest trefflich darüber streiten, ob trotz fehlendem Aufsichtsrat eine Ordnungswidrigkeit vorliegt.

Außerdem hat sich das Bundesamt für Justiz – das hier für ein Bußgeld zuständig wäre – in einem ähnlichen Fall schon einmal eine blutige Nase geholt, als es ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage quasi über die Hintertür das Fehlen von Aufsichtsräten ahnden wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat damals eine Bresche für die Unternehmen geschlagen. Ich glaube daher kaum, dass die Unternehmen massenhaft Bußgelder befürchten müssen.

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Welcher Beteiligte hat dann noch welche Handlungsalternative?

Betriebsräte oder eine Gruppe von Arbeitnehmern können bei Gericht ein Statusverfahren auf Einrichtung oder korrekte Besetzung des Aufsichtsrats einleiten, wenn er in ihrem Unternehmen fehlt oder keine Arbeitnehmer darin sitzen, obwohl die magische Grenze von 500 Mitarbeitern überschritten ist.

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