Die Steigerung von sich-krank-zur-Arbeit-schleppen

Sind Stoff-Turnschuhe mit glatten Sohlen als Schuhwerk einer Kellnerin ein „grober Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen“ ? Im Klartext: Leichtsinnig? Besonders fahrlässig oder gar vorsätzlich? Definitiv nicht – und deswegen darf der Arbeitgeber auch nicht die Lohnfortzahlung stoppen, wenn die Mitarbeiterin auf dem nassen Boden im Lokal – also an ihrem Arbeitsplatz – stürzt. Und zwar so schwer, dass sie vier Wochen krank geschrieben ist. Die Richter des Landesarbeitsgerichts Köln stellten die Überlegung an, dass hohe Stöckelschuhe womöglich leichtsinnig gewesen wären, jedoch keine Stoff-Turnschuhe. In diesem Fall musste der Restaurantbesitzer den Lohn weiter zahlen (Landesarbeitsgericht Köln 19.4.2013, Aktenzeichen 7 Sa 1204/11).

Ganz abgesehen davon, dass der Wirt eigentlich froh sein konnte, dass nicht mehr passiert ist. Und es hätte ja auch auch einem Gast passieren können.

 

Urlaub nehmen, um nicht als krank aufzufallen

Diesem Arbeitgeber ging es insoweit schlechter als denen der zwei Damen, die ich am Wochenende traf. Eine mit einer Verletzung an der Hand – ein ganz gewöhnlicher Alltagsunfall – und beschäftigt bei einer Arzt. Die andere hatte mirnichtsdirnichts Augenprobleme bekommen, musste an der Netzhaut gelasert werden und ist in einem kommunalen Betrieb beschäftigt. Beide hatten aus Angst vor Jobverlust den Krankenschein gar nicht erst abgegeben – sondern Urlaub genommen.

 

Die Steigerung des Präsentismus

Zufall? Wohl kaum. Das ist die Steigerung des Präsentismus, bei dem Mitarbeiter krank weiter in die Firma kommen, um ja nicht dumm aufzufallen. Wenn sie stattdessen lieber ihre Krankheit verschleppen, Schlimmeres riskieren und den Rest der Belegschaft auch noch anstecken.

Das Klima ist sehr rau geworden.

Und die Kehrseite der Medaille? Selbst in Kleinbetrieben gibt es heute Betriebsinhaber, die ehrlich fassungslos sind, wenn ein Mitarbeiter  gleich zwei Wochen krank ist. Bei denen das wie ein persönlicher Affront ankommt. Auch von denen begegneten mir in den letzten Wochen gleich zwei, die über genau das klagten und richtig in Rage kamen.

Übrigens: alles verständige, nette Menschen. Und die Arbeitnehmerinnen weder dumm noch feige – und die Arbeitgeber weder emphatielos noch raffgierig. Nur die Zeiten sind so hart geworden.

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Alle Kommentare [1]

  1. Wenn man krank ist, ist man krank.

    Wir lassen uns doch nicht VERSKLAVEN ! Wir springen doch nicht wie blöd im Hamsterrad rum.
    Wozu auch ? Hängen sich unsere Politiker richtig rein ? Was machen den unsere EU-Abgeordneten ? Kommen 5 Minuten vor Schluß der Debatte, tragen sich in eine Liste ein und kassiren 300 Euro !

    So nicht ! Wenn es uns im Rücken zieht, gehen wir SOFORT zum Arzt und sind halt mal 1 bis 2 Wochen krank, so läuft das heute !