Wenn Betriebsräte nicht Herr ihrer Sinne sind

„Gleichbehandlung für Betriebsräte“ fordert Boris Dzida, Arbeitsrechtler und Partner bei der Top-Kanzlei Freshfields in Hamburg. Besonders, wenn diese sich Dinge herausnehmen, die auch bei jedem anderen Arbeitnehmer für eine fristlose Kündigung ausreichen würden.     http://www.freshfields.com/PEOPLE/profile/1/20005

„Betriebsräte stehe unter Artenschutz, aber dürfen sie sich deshalb mehr erlauben als ihre Kollegen? Ein großer Automobilhersteller aus Süddeutschland will gerade einen Betriebsrat fristlos kündigen, der schon 40 Jahre bei ihm beschäftigt ist: Der Arbeitnehmervertreter habe während seiner Arbeitszeit seine Ehefrau zur Arbeit gefahren. Und zwar nicht nur einmal, eher aus Versehen, sondern gleich mehrfach. Das ist ein klarer Fall von wiederholtem Arbeitszeitbetrug und eigentlich ein klarer Kündigungsgrund, wenn es sich beweisen lässt.                        

Arbeitnehmer, die privaten Interessen nachgehen und sich dies als Arbeitszeit bezahlen lassen, werden in jedem Unternehmen fristlos entlassen. Bei Arbeitszeitbetrug kennen Arbeitgeber kein Pardon. Die große Mehrheit der ehrlichen Arbeitnehmer findet das in Ordnung: Wer im eigenen Haushalt einen Handwerker zur Reparatur der Waschmaschine bestellt, akzeptiert es ja auch nicht, wenn dieser private Einkäufe erledigt und es als Arbeitszeit auf die Rechnung schreibt.

Artenschutz für Betriebsräte

Nur: Was ist, wenn der Betroffene sogar ein Betriebsrat ist? Betriebsratsmitglieder genießen  besonderen Kündigungsschutz: Selbst bei Arbeitszeitbetrug oder anderen Straftaten am Arbeitsplatz darf ein Betriebsratsmitglied nur mit Zustimmung seiner Betriebsratskollegen gekündigt werden – ginge es um einen normalen Arbeitnehmer hat der Betriebsrat in solche einem Fall dagegen kein Veto-Recht. Der Betriebsrat muss also zustimmen, wenn einer aus den eigenen Reihen entlassen werden soll.

Der Betriebsrat des Automobilherstellers soll im konkreten Fall das Verhalten seines Betriebsratskollegen zwar missbilligt und ihn aufgefordert haben, sein Amt niederzulegen. Der fristlosen Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs mochte er jedoch nicht zustimmen.

Falsch verstandene Solidarität

Ich meine: Schade, dass der Betriebsrat auf halber Strecke stehen blieb. Zwar ist es gut, dass sich der Betriebsrat von dem Arbeitszeitbetrug distanzierte, denn das ist nicht selbstverständlich, leider: Aus falsch verstandener Solidarität versuchen Betriebsräte oft, selbst krasses Fehlverhalten ihrer Betriebsratskollegen zu rechtfertigen. So kam beispielsweise ein Fall vors Landesarbeitsgericht Frankfurt, in dem ein Betriebsrat einen Kollegen verprügelt hatte. Der Betriebsrat widersprach der geplanten Kündigung des Unternehmens: Das Betriebsratsmitglied habe zur Tatzeit an Unterzuckerung gelitten und sei nicht Herr seiner Sinne gewesen. Dafür konnte er allerdings noch erstaunlich kräftig zuschlagen (Landesarbeitsgericht Frankfurt, Aktenzeichen17 Sa 1751/08).
Solch absurde Ausreden sind in vergleichbaren Fällen übrigens eher die Regel als die Ausnahme.

Betriebsräte und Gewerkschaften sitzen oft auf hohem Roß, wenn sie Manager kritisieren, die sich auf Kosten ihrer Unternehmen unberechtigte Vorteile verschaffen. Dazu passt es nicht, Betriebsratsmitglieder zu decken, die durch Arbeitszeitbetrug genau das Gleiche tun. Indem der Betriebsrat sein Veto einlegte, hat er die Kündigung des Betriebsratskollegen vorerst vereitelt. Jeder normale Arbeitnehmer müsste sich dagegen längst nach einem neuen Job umsehen.

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Alle Kommentare [8]

  1. Wieso machen sie (als angeblicher Experte) aus der möglichen Tatsache eine scheinbar ausweglose Situation für den Arbeitgeber ?
    Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit die Zustimmung zur Kündigung nach § 103 Betriebsverfassungsgesetz durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen. Dann prüfen unabhängige Arbeitsgerichte ob die Kündigung rechtmäßige ist und die Sache hat sich.

    PS: Das schreibt Ihnen jemand der langjähriger Arbeits- und Landesarbeitsrichter war.

  2. @Gerd Hausmann
    Eine Zustimmungsersetzung durch die Arbeitsgerichte ist in der Tat möglich. Deshalb heißt es am Ende des Blogs, daß die Kündigung „vorerst“ vereitelt worden ist. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren kann allerdings sehr lange dauern. In dem von mir zitierten Fall des LAG Frankfurt dauerte das Verfahren zur Zustimmungsersetzung von 2005 bis 2008.

  3. Ich erwarte von Experten dass sie die betrieblichen Sozialpartner nicht als „Menschen darstellen die ihre fünf Sinne verloren haben“ und die Waffen des Arbeitgebers hinter dem Wort „vorest“ verstecken. Für mich sind Experten solche Menschen die konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. So werden Sie kaum neue Mandanten finden. Eins haben Sie mit Ihrer Überschrift erreicht: Kann man doch immer wieder Juristen finden denen alle Mittel recht sind auf sich aufmerksam zu machen.

  4. Gott sei dank haben Betriebsräte diesen Schutz. Sonst könnte jeder Arbeitgeber dem das Gesicht von Herrn oder Frau X oder Y nicht passt dieses Betriebsratsmitglied ohne Zustimmung oder Zustimmungser-setzungsverfahren einfach vor die Tür setzen. Der Gesetzgeber hat sich dabei schon etwas gedacht. Auch wenn es für Sie nur schwer akzeptabel ist.

  5. Da sie keine weiteren Meinungsäußerungen zulassen komme ich zu dem Schluß: Sie sind kein Experte. Motto: Gebloggt wird nur was mir passt. Meiner Karriere dient. Nicht das was zum Thema gehört. Ich Boris Dzida muss gut dastehen auch wenn es Effekthascherei ist.

  6. Das Kräfteverhältnis zwischen ArG und BR ist nicht auf Augenhöhe. Ein ArG kann einzelne Mitglieder des BR’s struktiert mobben. Ihn mit Abmahnorgien überziehen und aus Bagatellen ein Verbrechen konstruieren. Der besagte BR war bei Daimler in der Anwartschaft zum Aufsichtsrat und von der Arbeit freigestelltes BR’Mitglied. Einen Schaden hatte die Firma also nicht.

    Also, verstehe ich nicht diese überzogene Kritik an die AN-Vertreter nicht, die nicht bereit sind, mit dem ArG herumzumauscheln…