Wenn Top-Manager ihrer Company ihr Vermögen offenlegen müssen. Fünf Fragen zur Managerhaftung beim BGH-Dieselskandal bei VW und Audi an Versicherungsrechtsanwalt Mark Wilhelm

Dann legen Sie doch mal Ihr Vermögen offen und wir sagen, wie viel Schadenersatz Sie uns dann zahlen sollen

 

VW hatte im Jahr 2021 gegen seine Top-Manager, unter anderem Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn und Audi-Chef Rupert Stadler, Schadenersatzforderungen wegen des Diesel-Skandals gestellt. Hinter verschlossenen Türen hatten sich VW, die D&O (Managerhaftungs-)-Versicherer und die Top-Manager so geeinigt: VW bekam 288 Millionen Euro, davon knapp 18 Millionen Euro von vier Top-Managern aus deren Privatvermögen. Im Gegenzug verzichtete VW auf jedwede weiteren Schadenersatzansprüche gegen frühere oder derzeitige Entscheider bei VW.

Hiergegen wehrten sich jedoch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und die Verbraucherzentrale für Kapitalanleger und fochten den Vergleich an. Ihr Argument: Die Vergleichssumme von 288 Millionen Euro stehe in keinem Verhältnis zum Gesamtschaden von über 32 Milliarden Euro. Damit werde nur knapp ein Prozent des Schadens eingezogen. Das, obwohl die Manager finanziell weit höhere Beiträge zahlen könnten und auch die D&O-Deckungssumme von insgesamt 500 Millionen Euro längst nicht ausgeschöpft sei.

Fünf Fragen an Versicherungsrechtsanwalt Mark Wilhelm.

 

Versicherungsrechtler Mark Wilhelm (Foto: PR/Wilhelm)

 

Herr Wilhelm, der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Vergleich, den die D&O-Versicherungen und VW wegen des Dieselskandals geschlossen haben, für nichtig erklärt. Dürfen Aufsichtsräte und Top-Manager jetzt keine Vergleiche mehr hinter verschlossenen Türen und nur unter sich ausmachen? So wie es in fast allen Fällen läuft?

Verhandlungen hinter verschlossenen Türen sind erst einmal in Ordnung. Sofern der Aufsichtsrat hinterher gegenüber den Aktionären transparent und umfassend über die Konsequenzen des Vergleichs berichtet: Auf welche möglichen Ansprüche verzichtet das Unternehmen? Warum schließt der Aufsichtsrat lieber einen Vergleich, statt eine Klage gegen die Manager einzureichen? Warum mussten die Manager nicht mehr beisteuern? Das alles muss bei der Hauptversammlung auf den Tisch und offen diskutiert werden, damit die Aktionäre wissen, wozu sie zustimmen sollen.

 

Was ändert sich jetzt nach dem BGH-Urteil?

Aktionäre werden jetzt noch kritischer auf Haftungsvergleiche mit ehemaligen Managern schauen und mehr Transparenz von den Entscheidungsträgern verlangen. Der BGH bestärkt die Aktionäre darin. Die Anforderungen an einen wirksamen Beschluss der Hauptversammlung steigen. Der Aufsichtsrat kann sich jedenfalls nicht einfach hinstellen und sagen: „Wir haben uns das gut überlegt und sind überzeugt, mehr ist nicht zu holen. Bitte stimmen Sie jetzt mal zu.“ Die BGH-Richter fordern, dass die Tragweite des vorgeschlagenen Vergleichs den Aktionären deutlich aufgezeigt werden muss – und das sogar schon bei der Einladung zur Hauptversammlung.

 

Der BGH kritisierte, dass die Vermögensverhältnisse der Top-Manager nicht genug gewürdigt worden seien. Müssen Top-Manager nun der Allgemeinheit offenlegen, wie viel Privatvermögen sie besitzen?

Nicht immer, aber im Fall von VW hatte der Aufsichtsrat die vergleichsweise kleinen Schadenersatzzahlungen von Winterkorn und Stadler ja gerade damit begründet, dass deren Vermögen ohnehin nicht ausgereicht hätte, um den Schaden zu kompensieren. Als Beleg verwies der Aufsichtsrat auf die bisherigen Einkünfte der Manager. Das reichte dem BGH nicht als Auskunft. Kurz: Wenn man schon argumentiert, dass sowieso nicht mehr zu holen gewesen wäre, dann muss man auch Rückfragen zu den Vermögensverhältnissen der beiden Ex-Vorstände beantworten.

 

Was bedeutet das BGH-Urteil für künftige Wirtschaftsskandale?

Einige Aktionäre hatten wohl den Eindruck, dass nur ein schneller Schlussstrich unter den Diesel-Komplex gezogen werden sollte. Lieber ein Ende mit Schrecken – also kaum Schadenausgleich – als ein Schrecken ohne Ende mit jahrelangen, öffentlichkeitswirksamen Prozessen gegen Top-Manager. Damit hat es sich der VW-Aufsichtsrat womöglich zu einfach gemacht. 

 

… und ist damit ein Exempel für alle anderen Fälle…  

Künftig werden Unternehmen in ähnlichen Fällen vermutlich härter gegen ihre Manager und die D&O-Versicherer vorgehen müssen. Die D&O-Versicherer waren vergleichsweise gut weggekommen bei dem Vergleich. Wird der Fall jetzt vom Oberlandesgericht Celle wieder aufgerollt und die Vermögensverhältnisse der Top-Manager genauer geprüft, könnte es für die Versicherer und die Top-Manager anschließend teurer werden. 

 

 

 

 

 

 

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