Wenn das eigene Ego zu groß ist, um einen Nachfolger aufzubauen – auch wenn es zu den Kernaufgaben von CEOs gehört
Sie haben beide versäumt, einen Nachfolger aufzubauen. Ebenso ergeht es Unternehmen, wenn ein Vorstand überraschend ausscheidet oder gar verstirbt, wie kürzlich der 44-jährige CEO des österreichischen Baukonzerns Strabag, Klemens Haselsteiner.
Das können Sie daraus lernen:
Gute Unternehmen haben die Thematik als Dauerthema auf dem Radar und etablieren Nachfolgeregeln, beobachtet die Headhunterin Jacqueline Bauernfeind. Sie schreiben die Aufgabe auch in die Zielvereinbarung des CEOs oder Geschäftsführers hinein. Und das nicht nur auf der höchsten Entscheiderebene, sondern auch schon auf Ebenen unterhalb des Vorstands, sagt die Münchnerin. Nachfolgeplanung ist kein Job, der aus dem Stegreif und mal so eben erledigt wird, sondern „eine verantwortungsvolle, strategische Aufgabe“, gibt Management-Coach Raimund Gebhardt zu bedenken. Schließlich gehe es um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Raimund Gebhardt (Foto: Privat)
An Nachfolge denken, lange bevor die Frage akut wird
Bauernfeind rät Top-Managern, sobald sie im Amt sind, zwei bis drei Kandidaten als Nachfolger im Kopf zu haben. Sie sollten deshalb konstant ihre Mannschaft screenen, um Top-Potenziale zu erkennen. Solange kein möglicher Nachfolger gefunden und kommuniziert ist, sollte der CEO gedanklich einen ganzen Pool von Kandidaten im Blick behalten, um nicht sich auf nur eine Person zu fixieren, sondern sich Wahlmöglichkeiten zu schaffen, rät Management-Coach Raimund Gebhardt. Das sei zwar anstrengend, helfe aber, Stärken und Schwächen verschiedener Kandidaten zu beobachten. Außerdem kommen den Unternehmen ja manche Mitarbeiter auch plötzlich abhanden, die zu einem anderen Arbeitgeber wechseln.

Hanns-Ferdinand Müller, Foris (Foto: C.Tödtmann)
Den richtigen Nachfolger suchen
Ein häufiger Denkfehler bei der Suche nach dem eigenen Nachfolger ist dieser: Der CEO sucht eigentlich einen Klon von sich selbst. Er übersieht dabei, dass der Kronprinz möglicherweise ganz andere Qualifikationen haben sollte, die erst in fünf Jahren für das Unternehmen wichtig sind, beobachtet Management-Coach Hanns-Ferdinand Müller. Entscheidend ist also erst einmal die Antwort auf die Frage, wo das Unternehmen mit welchen Aufgaben in fünf Jahren stehen soll.
Führungskräfte-Coach Gudrun Happich rät, die Auswahl dann auf zwei bis drei Kandidaten zu begrenzen, denen man zutraut, seine Erwartungen zu erfüllen. Sie warnt: „Deren Karrierestatus ist dabei zweitrangig, das Geschlecht egal und die charakterliche Eignung viel wichtiger als die Skills.“ Auch Schwächen seien in Ordnung, solange sie für die jeweilige Position akzeptabel sind, betont sie.

(Foto: Gudrun Happich/Privat)
Darüber hinaus ist es wichtig, als CEO „keine Nasenpolitik zu betreiben, sondern auf Eignung zu achten, nicht nur auf Sympathie“, sagt Gebhardt. Der CEO muss es schaffen, sein eigenes Ego nach hinten zu schieben. Die eigenen Ansätze müssten nicht die Einzigen und Besten sein, die funktionieren.
Den Nachfolgekandidaten fördern
Ist ein geeigneter Kandidat gefunden, muss er gefördert und systematisch mit unterschiedlichen strategischen und operativen Aufgaben aufgebaut werden. Auch brauche er Bewährungsproben und Raum zur Entfaltung. Der Kandidat braucht Aufgaben, an denen sich seine Eignung, sein Engagement und seine Lernfähigkeit feststellen lassen, skizziert Coach Gebhardt. Wichtig ist auch, dass er besonders verantwortungsvolle und visible Aufgaben erhält, hebt Personalberaterin Bauernfeind hervor.

Jacqueline Bauernfeind (Foto: Celine Tehert / Bauernfeind)
Aufsichtsrat einbinden
CEOs sollten möglichst früh den Aufsichtsratsvorsitzenden schon in den Auswahlprozess mit einbeziehen und über die Kandidaten diskutieren. Deren Sicht, ihre Akzeptanz und ihre Unterstützung will rechtzeitig geklärt sein, so Gebhardt.
Wenn der CEO den eigenen Nachfolger torpediert
Die Realität sieht jedoch meistens anders aus, berichtet Management-Coach Hanns-Ferdinand Müller. Vielen fehlt die entsprechende Haltung, sie sehen sich nicht in der Verantwortung, ihren eigenen Nachfolger aufzubauen. Stattdessen überlassen sie das dem Aufsichtsrat.
Überraschend häufig sind die wahren Gründe für dieses Verhalten gekränkte Eitelkeit und ihre eigene Angst vor dem Machtverlust. Sie wollen ihre eigene Austauschbarkeit nicht wahrhaben. Schlimmer noch ist, dass sie dann ihren Nachfolger torpedieren. Dann geben sie beispielsweise dem Nachfolger keinen Raum und treffen Entscheidungen sogar gegen ihn.
Gravierend wird das bei strategischen und Personalentscheidungen. Wenn der amtierende CEO entscheidende Funktionen noch in den letzten Monaten mit anderen Personen als den Wunschkandidaten des Nachfolgers besetzt, schildert Müller das typische Vorgehen. „Dann will der Vorgänger nochmal seine Macht demonstrieren und das passiert insbesondere im Vorstandsbereich bei Konzernen“, beobachtet der Kölner Personalprofi.
Gekränkte Eitelkeit
Manchmal ist es auch gekränkte Eitelkeit des amtierenden Chefs, der gerne noch länger im Amt geblieben wäre. Manch einer besetzt dann die Schlüsselpositionen sogar bewusst mit dem Kandidaten, den der Nachfolger garantiert nicht will – und worauf ihn der Aufsichtsrat sogar noch ausdrücklich hingewiesen und ihm genau das untersagt hatte. Keine Besetzung dürfe gegen den Willen des Nachfolgers geschehen, hatte der ihm gesagt.
Müller berichtet außerdem von einem Vorfall, der für viele steht. Der CEO , der von seinem Aufsichtsrat darauf angesprochen wurde, dass er seinem Nachfolger Steine in den Weg legte, reagierte so: „Ich bin jetzt noch der Chef“, beharrte der Mann. Was er juristisch ja auch ist, solange er nicht abberufen wurde, ist er das vertretungsberechtigte Organ, präzisiert Müller. Die Überlegung, den Mann noch vor Vertragsende abzuberufen, verwarf der Aufsichtsrat. Für diesen formal strengen Akt brauche man einen guten Grund, so der Coach. Der Gesichtsverlust sei zu hoch, man wisse nicht, wie die Märkte darauf reagierten. Lieber warte man einfach die letzten Monate seines Wirkens ab.
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